
Zusammenfassung
1. Luxemburg hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mit beeindruckend hohem Wirtschaftswachstum zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt entwickelt, während die unmittelbar benachbarte und etwa gleich große Region Trier trotz ähnlicher struktureller Ausgangsbedingungen eine strukturschwache Region geblieben ist. Heute pendeln täglich fast 40.000 Erwerbstätige von dort nach Luxemburg. Es fragt sich, ob die Nähe zu Luxemburg eine segensreiche Wirkung durch Ausstrahleffekte auf sie ausübt oder ob die Wucht des luxemburgischen Wirtschaftsbooms die Wirtschaftskraft der Region Trier schwächt und eine eigenständige Entwicklung behindert.
2. Schon seit 20 Jahren wächst die luxemburgische Wirtschaft nicht mehr aus eigener Kraft, sondern Wachstum kommt nur noch durch Zuwanderungen und durch einen explosionsartigen Anstieg des Grenzpendelns zustande. Dagegen stagniert die Arbeitsproduktivität auf hohem Niveau. Die Pendlerinnen und Pendler aus den unmittelbar benachbarten Regionen Frankreichs, Belgiens und Deutschlands stellen inzwischen fast die Hälfte aller Arbeitskräfte im Großherzogtum. Hohe Zuwanderungen haben zu einem in Europa einzigartigen Bevölkerungswachstum geführt, die Einwohnerzahl Luxemburgs ist in den letzten 30 Jahren um zwei Drittel gewachsen.
3. Das hohe Wirtschaftswachstum in Luxemburg fließt seit zwei Jahrzehnten vollständig als Einkommen ins Ausland ab, in Form von Löhnen und Gehältern für die steigende Zahl der Grenzpendelnden und von Zinsen, Dividenden und sonstigen Gewinnausschüttungen an ausländische Kapitaleigentümer. Aufgrund der stagnierenden Produktivität sind auch die – allerdings sehr hohen – Löhne in letzter Zeit kaum noch gewachsen. Das Bruttonationaleinkommen, das den privaten Haushalten, Unternehmen und dem Staat in Luxemburg nach Abzug der Abflüsse ins Ausland für Konsum und Investitionen verbleibt, ist nicht mit dem Bruttoinlandsprodukt mitgewachsen.
4. Luxemburg verdankt seinen in Europa beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg einem überdimensionierten Finanzsektor, der ein Viertel seines Bruttoinlandsprodukts erbringt. Zusammen mit den eng verflochtenen Rechts-, Wirtschaftsprüfungs-, und Steuerberatungsgesellschaften sind es sogar 35 %. Innerhalb des Finanzsektors dominieren heute Investmentfonds und Finanzholdings multinationaler Unternehmen, die besondere unter-nehmens- und steuerrechtliche Regelungen dazu nutzen, ihre Gewinne kleinzurechnen und in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Hierdurch ist ein für die Größe des Landes ungewöhnlich hohes Volumen an ausländischem Kapital ins Land geflossen, das dort nur verwaltet und zur Finanzierung realer Investitionen in andere Länder weitergeleitet wird („Phantom-Investitionen“). Gegen die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung können Zweifel vorgebracht werden.
5. Trotz seiner steuerrechtlichen Vergünstigungen für ausländisches Kapital ist die Steuerquote gemessen am Bruttoinlandsprodukt in Luxemburg überdurchschnittlich hoch. Pro Kopf nimmt Luxemburg dreimal so viele Steuern ein wie Deutschland. Hierzu tragen die Grenzpendelnden aus den ausländischen Nachbarregionen bei, deren Einkommensteuer nach den geltenden Doppelbesteuerungsabkommen Luxemburg zusteht, obwohl sie dort kaum öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen. Für die ausländischen Unternehmen gelten zwar keine hohen effektiven Steuersätze, aber ihre sehr große Zahl im Verhältnis zur Größe des Landes verschafft dem Land hohe Gesamteinnahmen. Hierdurch kann Luxemburg sich einen ungewöhnlich großzügigen Sozialstaat, eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur und einen gut ausgestatteten öffentlichen Dienst mit hohen Gehältern leisten.
6. Das auf dem Finanzsektor beruhende Wirtschaftsmodell wird wegen der von ihm ermöglichten hohen Steuereinnahmen und öffentlichen Ausgaben von allen relevanten politischen Parteien Luxemburgs grundsätzlich unterstützt. Das Land hat sich in eine unheilvolle Abhängigkeit von ihm gebracht („finance curse“), die diesem die Steuerprivilegien garantiert. Auf europäischer und internationaler Ebene Luxemburg blockiert die Bemühungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen zwar nicht, dies geschieht jedoch mehr aufgrund internationalen Drucks und Angst vor einem schlechten Image als aus Einsicht
7. Luxemburg rechnet nach diversen Prognosen mit einem weiteren Anstieg der Grenzpendlerzahlen bis 2050 von derzeit 228.000 auf bis zu 500.000 (Maximalvariante), oder nach einer moderaten und wahrscheinlich realistischeren Variante auf 381.000. Außer-dem werden weiterhin hohe Zuwanderungen erwartet, die zu einer Bevölkerungszunahme von jetzt 670.000 auf bis zu 1,1 Millionen führen könnten. Der errechnete Anstieg der Grenzpendlerzahlen berücksichtigt jedoch nicht, ob angesichts des bevorstehenden Bevölkerungsrückgangs in den Grenzregionen überhaupt noch genügend Erwerbspersonen verfügbar sind. Es wird auch nicht bedacht, dass dies eine Austrocknung ihres Arbeitsmarktes und eine Gefährdung ihrer grundlegenden Versorgung mit öffentlichen und privaten Dienstleistungen zur Folge hätte.
8. Die Region Trier profitiert vom luxemburgischen Wirtschaftsmodell durch einen Einkommenszufluss der Grenzpendelnden in Höhe von ca. 1,875 Mrd. Euro pro Jahr, in den unmittelbar an Luxemburg angrenzenden Kreisen haben sie einen Anteil von 20 % an den gesamten verfügbaren privaten Nettoeinkommen. Die Zahl der Grenzpendelnden hat sich in den letzten 30 Jahren vervierfacht, mit ihr auch die Einkommenszuflüsse. Die Region Trier hat bei den privaten verfügbaren Einkommen hierdurch ihren einstmaligen Rückstand zum Bundesdurchschnitt fast vollständig beseitigt. Hiervon profitieren jedoch nur die Grenzpendelnden mit ihren Familien und es ist eine zunehmend ungleiche Einkommensverteilung in der Region Trier und eine soziale Spaltung entstanden. Die Grundstückspreise und Mieten sind dort in letzter Zeit deutlich stärker angestiegen als in anderen Teilen Deutschlands.
9. Durch das Grenzpendeln entzieht Luxemburg der Region Trier viele ihrer qualifizier-testen Arbeitskräfte, schreckt Investoren durch den leergefegten Arbeitsmarkt ab und schwächt so ihre Wirtschaftskraft. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner/in als wichtigstem Indikator für die Wirtschaftskraft ist die Region Trier von 82 % des Bundesdurch-schnitts im Jahr 1995 auf jetzt nur noch 74 % zurückgefallen. In den vergangenen 30 Jahren fiel das Wirtschaftswachstum in der Region Trier jährlich um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte niedriger aus als im übrigen Teil Deutschlands, in der Stadt Trier betrug dieser Rückstand sogar 1,0 Prozentpunkte. Da diese Wachstumsschwäche auf die grenznahen Teilen der Region beschränkt ist, muss man im Anstieg des Grenzpendelns eine wesentliche Ursache hierfür sehen. Eine weitere Folge ist eine unterdurchschnittliche und rückläufige Zahl der Unternehmensgründungen.
10. Die grenznahen Kreise und Gemeinden erhalten wegen der Steuerpflicht der Grenzpendelnden in Luxemburg keine kommunalen Anteile an deren Einkommensteuer und sie verzeichnen wegen der geschwächten Wirtschaftskraft auch niedrigere Gewerbesteuereinnahmen. Ihre stark reduzierte Steuereinnahmekraft im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, aber auch zu den grenzfernen Teilen der Region Trier, wird nur geringfügig durch höhere Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich kompensiert, so dass sie auch weniger öffentlichen Ausgaben tätigen können. Dies beeinträchtigt die Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen und die Qualität der Infrastruktur, die noch schlechter wären, wenn die Grenzkreise und -gemeinden in den letzten Jahren nicht überproportional viele neue Schulden aufgenommen hätten. Die Nähe zu Luxemburg ist für einen Teil der Einwohner/innen der Region Trier ein Segen, für den überwiegenden Teil bringt sie derzeit jedoch mehr Nachteile, die in nächster Zeit noch zunehmen könnten. Besonders negativ ist die Stadt Trier betroffen, der es wegen des Sogeffekts aus Luxemburg immer schwerer fällt, die Aufgaben eines Oberzentrums zu erfüllen.
11. Die Region Trier ist nicht gut aufgestellt, um ihre Interessen gegenüber Luxemburg zu vertreten. Ihr fehlt ein politisches Organ, das auf Augenhöhe mit der luxemburgischen Regierung verhandeln könnte. Außerdem gibt es dort keine wissenschaftlichen Institute und Think Tanks, die die Region und ihre Akteure mit regionalökonomischer und finanzwissenschaftlicher Expertise versorgen könnten. Für die Bundes- und die Landesregierung besitzen die Grenzprobleme keine sehr hohe Priorität. Das für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit geschaffene Gebilde der „Großregion“, das vom Brüsseler Umland bis zum Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Raum reicht, ist wegen ihrer Größe und Heterogenität dafür wenig geeignet.
12. Es ist grundsätzlich möglich, die dynamische Entwicklung Luxemburgs zum Wohl der gesamten Region zu nutzen. Die Grenzregionen leisten schon jetzt durch die auf ihre Kosten ausgebildeten Grenzpendelnden einen hohen Beitrag zum luxemburgischen Wirtschaftsboom, ziehen aber nur begrenzten Nutzen daraus und müssen sogar eine Schwächung ihrer eigenen Wirtschaftskraft hinnehmen. Luxemburg sollte den eigenen Vorteil durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Nachbarregionen und eine an gemeinsamen Zielen orientierte grenzüberschreitende Entwicklungsplanung er-kennen und dazu auch finanzielle Vorleistungen erbringen. Gemeinsames Ziel sollte es sein, die Unterschiede in der Qualität der öffentlichen Dienstleistungen und Infrastrukturen zugunsten gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Gesamtregion zu überwinden. Dazu werden diverse Kooperationsprojekte in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Infrastruktur und Kultur vorgeschlagen, die allen Beteiligten einen Mehrwert bringen können. Luxemburg und seine Nachbarregionen sollten dazu einen gemeinschaftlich finanzierten Zweckverband oder eine Infrastruktur- und Entwicklungsagentur gründen. So könnte in dieser europäischen Kernregion eine „EU im Kleinen“ unter Beteiligung von vier Ländern entstehen, die ihre regionale Infrastruktur und Daseinsvorsorge gemeinsam gestalten.
Gliederung
0 – Zusammenfassung
1 – Einleitende Bemerkungen: Trier und Luxemburg als jahrhundertelang eng verbundene Nachbarn
2 – Das rasante Wachstum Luxemburgs seit den 1990er Jahren
3 – Die Finanzwirtschaft als Treiber des luxemburgischen Wohlstands
4 – Was hat die luxemburgische Finanzwirtschaft so stark gemacht?
5 – Die gefährliche Abhängigkeit Luxemburgs von seiner Finanzwirtschaft und seinem Wirtschaftsmodell
6 – Luxemburgs Blick in die Zukunft
7 – Die Folgen des Luxemburger Wirtschaftsboom für die Region Trier
8 – Hohe Einkommensströme aus Luxemburg, aber geschwächte Trierer Wirtschaftskraft
9 – Leere Kassen der Trierer Kommunen und gefährdete Daseinsvorsorge
10 – Geringe politische Handlungsfähigkeit der Region Trier im Verhältnis zu Luxemburg
11 – Überlegungen zu einer partnerschaftlichen und ausgewogenen Entwicklung Luxemburgs und seiner Grenzregionen
12 – Fazit: Mehr Segen oder mehr Fluch?
1 – Einleitende Bemerkungen: Trier und Luxemburg als jahrhundertelang eng verbundene Nachbarn
Das Interesse an einem Studium der Volkswirtschaftslehre wurde um 1980 bei mir durch die Frage geweckt, warum meine Heimatregion Trier strukturschwach und wirtschaftlich rückständig geblieben war. Während meiner beruflichen Tätigkeit in der Ministerialverwaltung Nordrhein-Westfalens stand jedoch die industrielle Transformation an Rhein und Ruhr im Mittelpunkt meines Interesses, so dass die Region Trier ein wenig in den Hintergrund geriet. Nach Ausscheiden aus meiner Funktion ist das Interesse an ihr wieder aufgelebt.
Die Region Trier und das benachbarte Luxemburg haben sich in den vergangenen Jahr-zehnten trotz in vieler Hinsicht vergleichbarer struktureller Ausgangsbedingungen sehr unterschiedlich entwickelt. Während die Region Trier ein strukturschwaches Gebiet geblieben ist und bis heute Finanz- und Förderhilfen von Bund, Land und EU benötigt, ist Luxemburg mit außerordentlich hohen Wachstumsraten zum Spitzenreiter beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Einwohner nicht nur in der EU, sondern auf der ganzen Welt avanciert.
Wenn man nach Ursachen für diese dynamische Entwicklung Luxemburgs forscht, fällt der Blick sofort auf den Finanzsektor des Landes. Damit wird aber umgehend die Frage aufgeworfen, wie ein derart kleines Land eine so große Bedeutung für die Finanzwirtschaft erlangen und diese über einen längeren Zeitraum bewahren und weiter ausbauen konnte. In Luxemburg spricht man von einer „Souveränitätsnische“,1 die der luxemburgische Staat geschickt nutzte, um dem Land künstliche Wettbewerbsvorteile durch steuer-und unternehmensrechtliche Besonderheiten zu verschaffen. Hierdurch ist in Luxemburg ein in Europa einzigartiges Biotop aus Banken, Investmentfonds, Unternehmensholdings, Wirtschaftsprüfungs- und Anwaltskanzleien entstanden, das dem kleinen Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern einen außergewöhnlich hohen Wohlstand beschert, der aber teilweise auf Kosten der Staatsfinanzen anderer Länder geht und dort für vernehmbares Missfallen sorgt.
Für Luxemburg wirft dies die Frage auf, ob sein Wirtschaftsmodell nachhaltig ist und welche Risiken darin liegen. Die Region Trier profitiert hiervon mittelbar durch eine stetig steigende Zahl an Grenzpendler/innen in den luxemburgischen Arbeitsmarkt und die hohen Einkommen, die hierdurch in die Region fließen. Es gibt aber auch bedeutende wirtschaftliche Nachteile für Trier durch die Nähe zu Luxemburg, die diese Vorteile überwiegend können. Diese Fragen werden in diesem Beitrag anhand verfügbarer statistischer Daten näher beleuchtet und bewertet.2
Trier und Luxemburg sind seit jeher als Nachbarn eng verflochten, auch wenn sie politisch immer unabhängig voneinander waren und die Beziehungen durch die gewaltsamen deutschen Aggressionen während der beiden Weltkriege stark belastet wurden. Über viele Jahrhunderte war die Grafschaft (später das Herzogtum) Luxemburg wie das benachbarte Kurfürstentum Trier Teil des Heiligen Römischen Reiches, im Spätmittelalter stellte Luxemburg mehrere römisch-deutsche Kaiser. Die heutige Grenze zwischen Luxemburg und Deutschland und damit auch zur Region Trier3 wurde bis auf spätere kleine Grenzkorrekturen 1815 auf dem Wiener Kongress festgelegt, als die Gebiete des aufgelösten Kurfürstentums Trier unter preußische Herrschaft kamen. Sie wird durch die Flüsse Mosel, Sauer und Our gebildet. Hierdurch gelangten auch ehemals historisch luxemburgische Gebiete in der Eifel und an der Obermosel zu dem von Preußen neu er-richteten Regierungsbezirk Trier. Luxemburg musste nach 1830 außerdem Gebiete an Belgien abtreten. Die auf deutscher Seite an Luxemburg angrenzenden Gebiete gehören ganz überwiegend zur Region Trier. Nur ein kleiner Zipfel grenzt unmittelbar an den saarländischen Kreis Merzig-Wadern.
Das stark verkleinerte Großherzogtum Luxemburg wurde 1839 ein unabhängiger und souveräner Staat, blieb aber bis 1867 Mitglied des Deutschen Bundes und bis 1919 war es noch Mitglied im Deutschen Zollverein und hatte dadurch ungehinderten Zugang zum deutschen Absatzmarkt.
Große Teile Luxemburgs und der Region Trier waren bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ländlich-agrarisch geprägt und durch wirtschaftliche Rückständigkeit, schlechte infrastrukturelle Anbindung und innere Erschließung und durch hohe Armut gekennzeichnet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand im südlichen Teil Luxemburgs eine Eisen- und Stahlindustrie, die ein Jahrhundert lang die Wirtschaft des Landes prägte. An der Region Trier ging die Industrialisierung im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast spurlos vorbei. Die preußischen Machthaber behandelten die Region als militärische Pufferzone zu Frankreich und behinderten aus Angst vor territorialer Begehrlichkeit ihre wirtschaftsstrukturelle Entwicklung. Die führenden Verwaltungspositionen wurden mit preußischen Beamten besetzt, die nicht aus der Region kamen, häufig wechselten und keine Bindung zu ihr aufbauten. Dadurch konnte keine politische und wirtschaftliche Elite als Triebkraft für eine eigenständige regionale Entwicklung in der Region Trier entstehen. Dies unterschied sie vom luxemburgischen Nachbarn, der als souveräner Staat mit eigener Regierung und Gesetzgebungskompetenz eine an den Lan-desinteressen orientierte Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Infrastrukturpolitik betreiben konnte. Luxemburg hatte jedoch den Nachteil eines nur sehr kleinen Binnenmarktes, der eine enge wirtschaftliche Anbindung an seine Nachbarn notwendig machte. Es fühlte sich eingezwängt zwischen zwei übermächtigen Nachbarn mit der Folge, dass die Verteidigung der nationalen Eigenständigkeit Staatsräson wurde.
Nach dem ersten (und erneut nach dem zweiten) Weltkrieg verschärfte sich die geografische Randlage für die Region Trier durch die Abtrennung des Saarlandes und dessen wirtschaftliche Anbindung an Frankreich, aber auch durch das Ausscheiden Luxemburgs aus dem deutschen Zollgebiet und seinen wirtschaftlichen Anschluss an Belgien durch die belgisch-luxemburgische Wirtschaftsunion. Erst nach dem zweiten Weltkrieg setzte eine moderate Industrialisierung in der Region Trier ein, die jedoch weniger endogen aus der Region heraus angetrieben wurde, sondern überwiegend durch Ansiedlung von Zweigwerken regionsexterner Unternehmen zustande kam.4 Mit der Gründung des Landes Rheinland-Pfalz rückten politische Entscheidungen zwar näher an die Region heran, aber die Handlungsspielräume für die politischen Akteure der Region blieben weiterhin gering. Die Region war nach dem 1. Weltkrieg weitgehend identisch mit dem Regierungsbezirk Trier, der 1999 aufgelöst wurde. Damit wurde auch das Amt des Regierungspräsidenten als höchstem Repräsentanten der Region abgeschafft.
Luxemburg konnte dagegen seine staatliche Souveränität nach dem zweiten Weltkrieg für eine aktive wirtschaftliche Entwicklungspolitik nutzen. So gelang es ihm als einer von sechs Gründungsstaaten der EU, Institutionen wie den Europäischen Gerichtshof, den Europäischen Rechnungshof und die Europäische Investitionsbank im Land anzusiedeln. Als sich in den 1970er und 1980er Jahren der Niedergang der Eisen- und Stahlindustrie abzeichnete, suchte Luxemburg Entwicklungsalternativen und nutzte dabei seine Gesetzgebungskompetenzen als souveräner Staat („Souveränitätsnische“). Dabei erwies sich ein bereits 1929 beschlossenes Gesetz, mit dem Holdinggesellschaften von der Unternehmensbesteuerung freigestellt wurden, als besonders nützlich.5 Mit der in den 1960er Jahren einsetzenden Öffnung der internationalen Kapitalmärkte entdeckten Banken und multinationale Unternehmen diese bis dahin wenig beachtete Regelung als Mittel zur Umgehung von Steuerzahlungen. Heute wird der Finanzplatz Luxemburg von einer hohen Ansammlung von Investmentfonds und von Finanz- und Holdinggesellschaften multinationaler Unternehmen dominiert, die sich die zwar modifizierten, aber grundsätzlich weiter bestehenden steuerrechtlichen Bedingungen bis heute zunutze machen. Luxemburg ist es gelungen, durch die Besonderheiten seines Unternehmens- und Steuerrechts den Finanzplatz Luxemburg zu einem der bedeutendsten in Europa und auf einigen Gebieten sogar weltweit auszubauen.
Luxemburg und die Region Trier kooperieren grenzüberschreitend in der „Großregion“, die neben dem Großherzogtum die Wallonie und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, die lothringischen Departments Meurthe-et-Moselle, Meuse und Moselle in Frankreich und die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland in Deutschland umfasst.
Karte 1: Verwaltungsgrenzen Luxemburgs und der Region Trier

Obwohl Luxemburg und die Region Trier nach dem zweiten Weltkrieg ähnliche und vergleichbar schwierige wirtschaftsstrukturelle Rahmenbedingungen aufwiesen, haben sie sich sehr unterschiedlich entwickelt. Luxemburg gelang es, sich mit außergewöhnlich hohen Wachstumsraten mit seinem BIP pro Einwohner an die Spitze nicht nur der EU-Mitgliedstaaten, sondern weltweit zu setzen, während die benachbarte Region Trier eine wirtschaftsschwache Region geblieben ist. Die Frage stellt sich damit, wie es dem kleinen und ursprünglich kapitalarmen Land Luxemburg ohne langjährige Erfahrungen in der Finanzwirtschaft, ohne renommierte Business School und lange Zeit auch ohne eigene Universität, ohne Flair einer Metropole und fernab der großen Zentren gelingen konnte, eine solche Dynamik aus dem Nichts zu entfalten und sich zu einem der bedeutendsten Finanzzentren in Europa zu entwickeln und sich wirtschaftlich weit von der Region Trier abzusetzen.
2 – Das rasante Wachstum Luxemburgs seit den 1990er Jahren
Die übliche Messgröße für die Wirtschaftskraft eines Landes ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das alle hergestellten Waren und erbrachten Dienstleistungen mit ihrem Marktwert erfasst. Luxemburg hat danach einen atemberaubenden wirtschaftlichen Aufstieg in den zurückliegenden Jahrzehnten geschafft. Pro Einwohner ist die Wirtschaftsleistung Luxemburgs höher als in allen anderen europäischen Ländern. Seit einigen Jahren kann es Wachstum aber nur noch durch steigende Einpendlerströme aus den Nachbarländern und durch Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland erzielen. Die Arbeitsproduktivität als wichtigster Triebfeder für wirtschaftliches Wachstum stagniert schon seit längerem, wenn auch auf sehr hohem Niveau, und ist zuletzt sogar gesunken. Luxemburg hat sich in eine wirtschaftlich einträgliche, aber nicht unbedingt nachhaltige Abhängigkeit von seinem starken Finanzsektor begeben. Damit stellt sich auch die Frage, ob das luxemburgische Wirtschaftsmodell langfristig tragfähig ist.
Abbildung 1: BIP-Wachstum in Luxemburg und Deutschland, 1974-2023 in %

Quelle: World Bank: World Development Indicators; eigene Berechnungen.
Abbildung 1 zeigt, dass die Wachstumsraten des BIP in den vergangenen 50 Jahren in Luxemburg meistens höher waren als in Deutschland. Vor allem in den 1980er und 1990er Jahren erlebte Luxemburgs Wirtschaft einen wahren Boom mit einem durch-schnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von ca. 5 % und Spitzenwerten von bis zu 10 %. Diese Phase wird in Luxemburg gelegentlich als die prächtigen 20 Jahre („vingt splendides“) bezeichnet.6 Deutschland musste sich in dieser Zeit wie auch die meisten anderen europäischen Länder mit Wachstumsraten von durchschnittlich 2 % begnügen. Seit etwa 2000 hat sich das Wirtschaftswachstum in Luxemburg aber deutlich abgeschwächt. Dennoch ist seine Wirtschaftskraft mit einem BIP pro Einwohner/in von 119.000 Euro (2023) fast zweieinhalbmal so hoch wie in Deutschland mit 49.000 Euro.
Die hohen Wachstumsraten und die starke Wirtschaftskraft verdecken jedoch inhärente Schwächen und Gefahren der luxemburgischen Wirtschaft, die in den letzten 25 Jahren deutlich wurden. Wachstum entsteht entweder durch eine höhere Produktivität von Arbeit und Kapital, zum Beispiel aufgrund von technologischen Innovationen, steigender Qualifikation der Arbeitskräfte oder effizienterer Organisation und Produktionsverfahren (intensives Wachstum), oder durch den Einsatz von mehr Arbeitskräften und Kapital (extensives Wachstum) oder durch eine Kombination von beidem. Nachhaltiges Wachstum und steigender Wohlstand sind auf Dauer nur mit einer höheren Produktivität zu erreichen. Seit etwa zwei Jahrzehnten wächst die luxemburgische Wirtschaft aber nur noch dank einer ungewöhnlich hohen Zuwanderung und einer fast explosionsartig angestiegenen Zahl an Grenzpendlern, also durch extensives Wachstum. Die Produktivität stagniert dagegen schon seit fast zwei Jahrzehnten auf hohem Niveau und ist zuletzt sogar leicht gesunken.
Abbildung 2: Arbeitsproduktivität (Bruttoinlandsprodukt je geleisteter Arbeitsstunde) in Deutschland und Luxemburg 1991-2023 in Euro, in Preisen von 2023

Quelle: Ameco-Datenbank der Europäischen Kommission; eigene Berechnungen.
Abbildung 2 zeigt, dass die Arbeitsproduktivität, gemessen als Bruttowertschöpfung je geleisteter Arbeitsstunde, in Luxemburg bis heute mit 97 Euro deutlich höher ist als in Deutschland (62 Euro), der Abstand ist zuletzt aber geschrumpft. Der Vorsprung Luxemburgs resultiert größtenteils aus dem hohen Anteil seines Finanzsektors, dessen Produktivität mit einer Bruttowertschöpfung von 207 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt der Wirtschaft des Landes. In den übrigen Wirtschafts-zweigen fallen die Produktivitätsunterschiede kleiner aus, in der Industrie ist kaum ein Unterschied zu Deutschland festzustellen.
Bis zur globalen Finanzkrise 2007/08 ist die Produktivität in Luxemburg angestiegen, stagniert seitdem aber und ist zuletzt wieder auf das Niveau des Jahres 1999 zurückgefallen. Deutschland verzeichnete einen im langfristigen Trend geringen, aber stetigen Produktivitätsanstieg, der sich im zeitlichen Verlauf leicht abgeschwächt hat. Luxemburg tritt also schon seit einigen Jahren bei der Produktivität auf der Stelle, es gelingt dem Land nicht mehr, sie auf gesamtwirtschaftlicher Ebene weiter zu steigern.7 Zwar können einzelne Branchen noch durch Einsatz höherwertiger Technologien, verbesserte Qualifikation oder effizientere Organisationsabläufe und Produktionsverfahren Produktivitätsverbesserungen erzielen. Wegen des hohen Gewichts des Finanzsektors in der gesamten luxemburgischen Volkswirtschaft und deren schon herausragend hohem Produktivitätsniveau scheint Luxemburg eine gesamtwirtschaftliche Produktivitätsgrenze erreicht zu haben, die sich kaum noch steigern lässt. Der in den letzten Jahren eingetretene Rückgang der Produktivität muss im Zusammenhang mit dem leicht gesunkenen Anteil des Finanzsektors am luxemburgischen BIP gesehen werden. Wenn der BIP-Anteil des mit Abstand produktivsten Sektors zurückgeht, dann muss auch die gesamtwirtschaftliche Produktivität sinken, selbst wenn kleinere Branchen ihre Produktivität steigern können. Sollte das Gewicht des Finanzsektors weiter sinken, wird dies die gesamtwirtschaftliche Produktivität des Landes noch weiter schmälern. Es spricht daher wenig dafür, dass Luxemburg in nächster Zeit eine Trendumkehr bei der Produktivitätsentwicklung gelingen kann.
Die luxemburgische Wirtschaft konnte in den letzten Jahren nur noch dank eines vermehrten Einsatzes von Arbeitskräften wachsen, die jedoch im Ausland rekrutiert werden mussten, weil der heimische Arbeitsmarkt zu klein ist. Die Folge war eine in Europa einzigartige demografische Entwicklung, die eine differenzierte Bewertung der hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre in Luxemburg nahelegt.
In den 1980er Jahren lag die luxemburgische Bevölkerungszahl noch weitgehend stabil bei knapp unter 400.000 (siehe Abbildung 3). Ab etwa 1990 begann sie deutlich zu steigen, wobei sich der Anstieg im Laufe der Zeit immer mehr beschleunigte. 2023 zählte Luxemburg 665.000 Einwohner/innen, das ist ein Anstieg um etwa zwei Drittel gegenüber 1995. In keinem anderen Land Europas ist die Bevölkerung so stark gewachsen wie in Luxemburg. Deutschland registrierte in diesem Zeitraum lediglich einen Anstieg um 3,5 %. Das Bevölkerungswachstum in Luxemburg ist ausschließlich durch Zuwanderungen aus dem Ausland entstanden, der weit überwiegende Teil davon kam aus anderen EU-Ländern. Seit 1995 zogen netto (Saldo aus Zu- und Abwanderungen) 215.000 Menschen aus dem Ausland nach Luxemburg zu.8 Hinzu kommt ein natürlicher Bevölkerungszuwachs von rd. 50.000 unter der ausländischen Bevölkerung in Luxemburg, die relativ jung ist und daher deutlich mehr Geburten als Sterbefälle verzeichnet. Unter den luxemburgischen Staatsangehörigen war die natürliche Bevölkerungsentwicklung leicht negativ.
Abbildung 3: Bevölkerung, Arbeitnehmende und Grenzpendelnde in Luxemburg in Tsd., 1981-2023

Quelle: STATEC Statistiques.lu
Die ausländische Bevölkerung in Luxemburg stieg von 135.000 im Jahr 1995 auf heute 318.000. Fast jede zweite Einwohner/in Luxemburgs (47 %) hat damit eine ausländische Staatsbürgerschaft. Zusammen mit rd. 50.000 Personen, die in den vergangenen Jahren in Luxemburg eingebürgert wurden, bilden die Zugewanderten inzwischen eine klare Bevölkerungsmehrheit im Land.
Die ausländische Bevölkerung in Luxemburg setzt sich ganz anders zusammen als in anderen europäischen Ländern. Eine Besonderheit stellt die große portugiesische Bevölkerungsgruppe dar (91.000). Aus Portugal sind schon vor Jahrzehnten traditionelle Arbeitsmigrant/innen nach Luxemburg gekommen und haben immer wieder Familienangehörige nachgezogen. 49.000 Einwohner/innen besitzen die französische, 25.000 die italienische, 19.000 die belgische und 13.000 die deutsche Staatsbürgerschaft.9 Viele von ihnen sind hoch qualifizierte Fachkräfte oder Expats, die von ihren Arbeitgebern nur vorübergehend nach Luxemburg entsandt wurden. Mehr als die Hälfte von Ihnen besitzt einen Hochschul- oder Fachhochschul- bzw. Bachelor-Abschluss. Sie sind damit im Durchschnitt besser qualifiziert als die einheimische Bevölkerung.10 Die Zahl der Menschen, die aus den typischen Fluchtländern Afrikas und des Nahen Ostens sowie aus der Ukraine nach Luxemburg gekommen sind, liegt bei rd. 40.000.
Noch stärker als die Bevölkerung ist die Zahl der Beschäftigten in Luxemburg gestiegen. 1995 waren 200.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Großherzogtum beschäftigt, bis 2023 stieg ihre Zahl um fast das Zweieinhalbfache auf 483.000. Weitere 30.000 sind Selbständige und mithelfende Familienangehörige. Knapp die Hälfte der Arbeitnehmer/innen (228.000) sind Grenzpendler/innen aus den Nachbarländern Frankreich, Bel-gien und Deutschland. Von den 255.000 Arbeitnehmer/innen mit Wohnsitz in Luxemburg hat etwa die Hälfte einen ausländischen Pass. Damit sind drei Viertel der Arbeitsplätze in Luxemburg mit ausländischen Staatsangehörigen besetzt, die entweder täglich aus den drei Nachbarländern nach Luxemburg einpendeln oder fest in Luxemburg wohnen. Luxemburg verdankt sein Wirtschaftswachstum also überwiegend Arbeitskräften aus dem europäischen Ausland und insbesondere den Grenzpendler/innen aus den benachbarten Regionen.
Der Anstieg der Grenzpendelns nach Luxemburg ist das vielleicht denkwürdigste Phänomen der jüngeren Wirtschaftsgeschichte des Landes. Die Zahl der Grenzpendler/innen vervierfachte sich in nur 28 Jahren von 57.000 (1995) auf 228.000 (2023). Etwas mehr als die Hälfte von ihnen (123.600) wohnt in Frankreich, jeweils ein knappes Viertel in Deutschland (52.600) und in Belgien (51.700). Darunter sind auch 13.700 luxemburgische Staatsangehörige, die in den letzten Jahren vor allem wegen der hohen Grundstückspreise und des Wohnungsmangels in Luxemburg ins benachbarte Ausland gezogen sind.11 29 % davon leben in Deutschland. Die Zahl der Auspendler/innen aus Luxemburg in dessen Nachbarländer beträgt nur 1.600 und ist damit vernachlässigbar.12
Die Grenzpendler/innen werden vor allem durch das hohe Lohnniveau in Luxemburg angezogen, sie verdienen im Durchschnitt aber weniger als ihre in Luxemburg wohnenden Kolleginnen und Kollegen. 2022 lag das durchschnittliche Jahreseinkommen der Beschäftigten mit luxemburgischer Staatsangehörigkeit bei 92.100 Euro und dasjenige der in Luxemburg wohnenden Ausländer/innen bei 78.700 Euro.13 Die belgischen und deutschen Grenzpendler/innen verdienten im Jahresdurchschnitt jeweils 67.100 Euro, die französischen lagen mit 54.600 Euro deutlich darunter.14 Das luxemburgische Statistikamt STATEC begründet die Unterschiede größtenteils mit einer unterschiedlichen Verteilung der Beschäftigten über die Wirtschaftszweige. Während die Einheimischen überwiegend im gut bezahlten Bildungssektor und der öffentlichen Verwaltung tätig sind, findet man die Grenzpendler/innen aus Frankreich überproportional stark im Handel und der Gastronomie, die insgesamt niedrigere Löhne zahlen. Die Grenzpendler/innen aus Deutschland und Belgien sind breit über die Wirtschaftszweige verteilt. Bei den in Luxemburg wohnenden Ausländer/innen besteht eine starke Spreizung der Löhne. Ein Teil von ihnen bekleidet als Expats gut bezahlte Führungspositionen im Finanzsektor und bei Wirtschaftsprüfungs-, Anwalts- und Steuerberatungskanzleien. Unter ihnen sind aber auch viele Beschäftigte mit niedrigem oder fehlendem Bildungsabschluss in schlecht bezahlten Berufen und Branchen. STATEC sieht auch in geringeren Fremdsprachenkenntnissen der Grenzpendler/innen und in einer mangelnden Kenntnis der Usancen des luxemburgischen Arbeitsmarktes Ursachen für die niedrigeren Löhne und Gehälter der Grenzpendelnden.
Die Grenzpendler/innen verdienen in Luxemburg trotzdem wesentlich mehr als in ihren Heimatländern. In Deutschland lag das durchschnittliche Bruttojahresgehalt im Vergleichsjahr 2022 bei 39.800 Euro, in der Region Trier bei 33.400 Euro. In Luxemburg lassen sich die Einkommen also deutlich steigern. Dies gilt auch für Arbeitskräfte aus Belgien und Frankreich, wo das Lohnniveau ungefähr auf der Höhe Deutschlands liegt. In Frankreich kommt als zusätzlicher Anreiz eine höhere Arbeitslosigkeit und in den belgischen Grenzregionen zu Luxemburg generell fehlende attraktive Arbeitsmöglichkeiten aufgrund der sehr ländlichen Struktur hinzu.
Abbildung 4: Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Bruttonationaleinkommen (BNE) in Luxemburg in Mrd. Euro, 1991-2023 (konstante Preise, Basis: 2023)

Quelle: Ameco-Datenbank der Europäischen Kommission; eigene Berechnungen.
Der starke Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland und der Anstieg der Grenzpendler/innen hat jedoch zur Folge, dass die einheimische Bevölkerung Luxemburgs ihren materiellen Wohlstand trotz des auch in den letzten Jahren immer noch starken BIP-Wachstums nicht mehr weiter steigern konnte, sondern sogar leichte Einbußen von hohem Niveau ausgehend hinnehmen musste. Dies ist in Abbildung 4 ersichtlich, die neben der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in konstanten Preisen des Jahres 2023 auch das Bruttonationaleinkommen (BNE) abbildet, das früher als Bruttosozialprodukt bezeichnet wurde. Während das BIP die Wirtschaftskraft eines Landes zum Ausdruck bringt, misst das BNE die von dessen privaten Haushalten, Unternehmen und dem Staat erzielten Einkommen und steht damit für den materiellen Wohlstand seiner Bürger/innen. Vom BIP gelangt man zum BNE, indem die Löhne und Gehälter, die von einem Land an im Ausland lebende Arbeitskräfte gezahlt werden, und die Zinsen, Dividenden und sonstigen Vermögenseinkünfte, die an ausländische Kapitaleigentümer fließen, vom BIP abgezogen und die entsprechenden Zuflüsse aus dem Ausland hinzuaddiert werden. In den meisten Ländern sind die Zu- und Abflüsse etwa gleich hoch, so dass sich ihr BIP nicht oder nur wenig vom BNE unterscheidet. Im Falle Luxemburgs ist dies aber ganz anders, das BIP pro Einwohner/in übertrifft das BNE pro Einwohner/in um etwa die Hälfte. Dies erklärt sich durch die hohen Lohn- und Gehaltszahlungen an die Grenzpendler/innen und die Zins- und Gewinnausschüttungen an ausländische Kapitaleigentümer, die zwar im luxemburgischen BIP, nicht jedoch in seinem BNE enthalten sind.
Abbildung 5: Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Einwohner in Luxemburg in Euro, 1991-2023 (konstante Preise, Basis: 2023)

Quelle: Ameco-Datenbank der Europäischen Kommission; eigene Berechnungen.
In Abbildung 4 ist erkennbar, dass das BIP in Luxemburg seit Mitte der 1990er Jahre real, d.h. in Preisen des Jahres 2023, stetig von 31 Mrd. Euro im Jahr 1995 auf 79 Mrd. Euro im Jahr 2023 wuchs, das BNE aber im Vergleich dazu deutlich zurückblieb und von einem etwa gleich hohen Ausgangsniveau auf nur 53 Mrd. Euro stieg. Aus Luxemburg flossen 2023 allein Lohn- und Gehaltszahlungen in Höhe von 15,2 Mrd. Euro. an Grenzpendelnde aus den Nachbarländern Frankreich, Belgien und Deutschland. Ihnen stehen entsprechende Zahlungen aus dem Ausland von 2,0 Mrd. Euro entgegen, so dass ein Nettoabfluss von 13,2 Mrd. Euro eingetreten ist.15 Fast genauso hoch sind die Mittelabflüsse für Zinsen, Dividenden und sonstige Kapitalerträge an ausländische Investoren. Damit fließt inzwischen ein Drittel des luxemburgischen BIP (rd. 26 Mrd. Euro) per Saldo an Arbeitskräfte und Kapitalgeber aus dem Ausland, die mit ihren Leistungen zum luxemburgischen BIP beitragen. Den inländischen privaten Haushalten, Unternehmen und dem luxemburgischen Staat verbleiben demnach nur etwa zwei Drittel der in Luxemburg erzeugten Wirtschaftsleistung für eigene Konsumausgaben und Investitionen.
Die in Luxemburg verbleibenden Einkünfte müssen zudem unter einer stark gewachsenen Bevölkerung aufgeteilt werden, so dass der individuelle Wohlstand der in Luxemburg lebenden Bürgerinnen und Bürger noch stärker geschmälert wird. Dies wird in Abbildung 5 erkennbar, die das preisbereinigte BIP und das BNE pro Einwohner/in in Preisen von 2023 darstellt. Da die Bevölkerung in Luxemburg in den letzten Jahren genauso stark wuchs wie das BIP, stagnierte zwangsläufig das BIP pro Einwohner/in, allerdings auf dem europäischen Spitzenwert von 119.000 Euro. Das deutlich schwächere Wachstum des BNE hatte zur Folge, dass das BNE pro Einwohner/in, also der individuelle materielle Wohlstand, seit 2007 sinkt und jetzt nur noch ca. 80.000 Euro beträgt. Die Luxemburgerinnen und Luxemburger konnten ihren privaten Wohlstand also bis vor etwa 15 – 20 Jahren auf ein europäisches (und weltweites) Spitzenniveau anheben. Aber seit der Finanzkrise 2007/08 gelingt es ihnen nicht mehr, dieses hohe Niveau zu halten.
Es zeigt sich, dass es ohne Produktivitätssteigerung nicht möglich ist, den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes dauerhaft zu steigern. Die hohen Wachstumsraten und Einkommen in Luxemburg werden immer mehr zu einer Fassade, hinter der der über mehrere Jahrzehnte aufgebaute Reichtum des Landes zunehmend verblasst.
3 – Die Finanzwirtschaft als Treiber des luxemburgischen Wohlstands
Luxemburg verdankt seinen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufstieg fast ausschließlich der Finanzwirtschaft. Ihr Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung wuchs bis zur weltweiten Finanzkrise 2007/08 auf einen Anteil von 35 %, stagniert aber seitdem (Abbildung 6). Außerdem haben sich die Gewichte seiner verschiedenen Teilsegmente in den letzten Jahren deutlich verschoben. Der Finanzsektor wird hier in einem erweiterten Sinne verstanden. Sein Kernbereich umfasst neben den klassischen Geschäftsbanken auch die Versicherungen und die in Luxemburg zuletzt stark gewachsenen Investmentfonds, Vermögensverwaltungen und sonstigen Finanzinstitute ohne Bankenlizenz. Zum erweiterten Finanzsektor werden hier außerdem die Unternehmensholdings sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Steuerberatungs- und Anwaltskanzleien gezählt, die zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend dem Finanzsektor im engeren Sinne zuarbeiten und von dessen Aufträgen abhängig sind.
Die klassischen Geschäftsbanken konnten ihre (preisbereinigte) Bruttowertschöpfung bis 2008 auf knapp 12 Mrd. Euro steigern, was einem Anteil von 22 % der gesamten Wertschöpfung Luxemburgs entspricht. Seit der Finanzkrise ist dieser aber real nicht mehr weitergewachsen und ihr Anteil an der Wirtschaftsleistung des Landes ist auf 15 % gesunken. Die Zahl der in Luxemburg registrierten Banken ist schon länger rückläufig. Sie stieg von 37 im Jahr 1970 auf einen Höchststand von 222 im Jahr 1996 und ist seitdem auf 119 zurückgegangen.16 Der weit überwiegende Teil von ihnen besteht aus Niederlassungen ausländischer Banken mit nur eingeschränkten Entscheidungsbefugnissen.
Abbildung 6: Anteil der Finanzwirtschaft an der Bruttowertschöpfung Luxemburgs in %, 1995-2022

Quelle: STATEC Statistiques.lu
Die Investmentfonds und sonstigen Finanzinstitute ohne Bankenlizenz glichen mit ihrem rasanten, bis heute anhaltenden Aufschwung den relativen Bedeutungsverlust der klassischen Geschäftsbanken aus. Ihre reale Bruttowertschöpfung (in Preisen von 2023) stieg von rd. 1 Mrd. Euro (1995) auf 6,2 Mrd. Euro (2022) und repräsentiert damit jetzt 9 % der gesamten luxemburgischen Wirtschaftsleistung. Die Beschäftigtenzahl der klassischen Banken war von 1970 bis 1995 von 5.000 auf 18.500 angestiegen und hatte sich damit in nur gut zwei Jahrzehnten mehr als verdreifacht. Derzeit haben die Banken 33.000 Beschäftigte, ihre Zahl ist zuletzt aber kaum noch gewachsen.17 Die Fonds und sonstigen Finanzinstitute steigerten ihre Beschäftigtenzahl dagegen kräftig von weniger als 3.000 im Jahr 1995 auf jetzt 16.000. Nach Daten der luxemburgischen Zentralbank lag der Ausländeranteil an den Beschäftigten der Investmentfonds 2021 mit 86 % deutlich über dem der übrigen Branchen. Bei den Finanzholdings und Unternehmenszentralen war ihr Anteil mit 94 % noch höher.18 Diese Branche ist also nicht nur kapitalseitig, sondern auch hinsichtlich ihrer Arbeitskräfte ganz überwiegend in ausländischer Hand.
Ebenso dynamisch entwickelten sich die eng mit dem Finanzsektor verflochtenen Unternehmensdienstleistungen einschließlich der Finanzholdings mit einer Bruttowertschöpfung von (real in Preisen von 2023)1,2 Mrd. Euro (1995) auf aktuell 9,1 Mrd. Euro. Damit haben sie einen Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung Luxemburgs von 12,5 % er-reicht. Ihre Beschäftigtenzahl hat sich seit 1995 fast versechsfacht und beläuft sich in-zwischen auf 56.500. Allein die „Big Four“ der international führenden Wirtschaftsprüfungskanzleien (EY, PWC, KPMG, Deloitte), die alle in Luxemburg mit großen Niederlassungen vertreten sind, beschäftigen 10.500 Arbeitskräfte.19
Der Anteil des luxemburgischen Finanzsektors im engeren Sinne von 24 % an der gesamten Bruttowertschöpfung des Landes ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich hoch und wird nur noch von einigen Steueroasen in der Karibik übertroffen. In den meisten Ländern beträgt sein Anteil 4 bis 7 % an der wirtschaftlichen Gesamtleistung. Dies ist der ungefähre relative Aufwand, den Volkswirtschaften normalerweise zur Abwicklung ihrer Finanzgeschäfte und zur Versorgung mit dem für realwirtschaftliche Investitionen erforderlichen Kapital tätigen müssen. Selbst in der Schweiz und Großbritannien liegt der Anteil bei unter 10 %.
Der luxemburgische Finanzsektor dient im Unterschied zu den meisten anderen Ländern nicht primär der Kapitalversorgung der eigenen Volkswirtschaft, sondern sein Geschäftsmodell beruht auf der Unterstützung multinationaler Unternehmen und Eigentümern großer Vermögen bei der Vermeidung und Verringerung von Steuerzahlungen. Er hilft ihnen, ihre Kapitalerträge an den öffentlichen Kassen anderer Länder vorbeizuschleusen und vor ihrer legitimen Besteuerung zu bewahren. Seine Leistung besteht insoweit darin, finanzielle Ressourcen zugunsten großer Unternehmen und vermögender Einzelpersonen und zulasten öffentlicher Haushalte umzuverteilen. Man kann daher auch grundsätzlich anzweifeln, ob die von diesem Sektor speziell in Luxemburg erbrachte Bruttowertschöpfung überhaupt eine wertschöpfende Leistung im Sinne einer Mehrung nutzenstiftender Güter und Dienstleistungen darstellt.
Die internationale Verflechtung des luxemburgischen Finanzsektors und der mit ihm eng verbundenen Dienstleistungen kommt auch in dem außerordentlich hohen Außenhandel Luxemburgs mit Dienstleistungen zum Ausdruck. Luxemburg exportierte 2023 Dienstleistungen im Wert von 138 Mrd. Euro, die Dienstleistungsimporte lagen bei 112 Mrd. Euro, das ist deutlich mehr als das gesamte Bruttoinlandsprodukt des Landes. Hieraus ergibt sich ein Handelsüberschuss bei Dienstleistungen von 26 Mrd. Euro.20 Dies entspricht in etwa dem Mittelabfluss ins Ausland durch Lohn- und Gehaltszahlungen an die Grenzpendler/innen und Zinsen, Dividenden und sonstige Gewinnausschüttungen an ausländische Kapitaleigentümer und wird damit zu deren Finanzierung benötigt. Mit Exporten von 72 Mrd. Euro und Importen von 50 Mrd. Euro entfällt etwa die Hälfte des luxemburgischen Handels mit Dienstleistungen auf den Finanzsektor.
Von der luxemburgischen Finanzwirtschaft und ihren Aufträgen sind weitere Branchen in Luxemburg abhängig, darunter die Software- und Telekommunikationsbranche, die Immobilienwirtschaft, der Handel und der Verkehrssektor. Bemerkenswert ist die große luxemburgische Bauwirtschaft mit einer Bruttowertschöpfung von 4 Mrd. Euro und 52.000 Beschäftigten. Sie profitiert vom starken Wohnungsbau, den das Bevölkerungswachstum ausgelöst hat, aber auch von einem hohen Bedarf an Büroflächen. Der Finanzsektor ist zusammen mit den Multiplikatoreffekten durch seine Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen anderer Branchen für bis zu zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung Luxemburgs verantwortlich. Wie kaum ein anderes Land hat sich Luxemburg wirtschaftlich von seinem Finanzsektor abhängig gemacht.
Abbildung 7: Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftszweigen in Luxemburg in Mio. Euro, 1995 und 2023 (konstante Preise in Preisen von 2023)

Quelle: STATEC Statistiques.lu
Die luxemburgische Industrie ist in den letzten Jahren dagegen für den Wohlstand des Landes weitgehend unbedeutend geworden. Ihre Wertschöpfung ging von 4 Mrd. Euro im Jahr 1995 (in Preisen von 2023) auf jetzt nur noch 2,8 Mrd. Euro zurück. Auf sie entfallen damit nur noch 4 % der gesamten Wertschöpfung des Landes, 1995 waren es noch 13 %. Der luxemburgische Finanzsektor trägt zusammen mit den Unternehmensdienstleistungen heute zehnmal so viel zur Wirtschaftsleistung des Landes bei wie die Industrie. Die Industriebeschäftigung blieb mit 33.000 weitgehend stabil, aber ihr Anteil an allen Arbeitsplätzen ging von 13 % (1995) auf nur noch 6 % zurück. Die wenigen luxemburgischen Industriebetriebe sind größtenteils Produktionsstätten multinationaler, insbesondere amerikanischer Unternehmen, die mittelständische Industrie ist in Luxemburg sehr schwach. Die luxemburgische Industrie hatte so gut wie keinen Anteil an der rasanten Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre. Auch die Landwirtschaft hat mit einem Anteil von nur noch 0,3 % an der gesamten Bruttowertschöpfung so gut wie keine volkswirtschaftliche Bedeutung mehr.
Bemerkenswert stark wuchsen die öffentliche Verwaltung, der Bildungssektor und das Gesundheits- und Sozialwesen. Ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung des Landes stieg von 14 % (1995) auf 19 % (2023), die Gesamtzahl ihrer Beschäftigten verdreifachte sich in diesem Zeitraum von 36.000 auf 113.000. In diesen Wirtschaftszweigen sind überwiegend luxemburgische Staatsbürger/innen und nur wenige Grenzpendelnde und in Luxemburg wohnende Ausländer/innen beschäftigt,21 weil dort meist luxemburgische Sprachkenntnisse verlangt werden.
4 – Was hat die luxemburgische Finanzwirtschaft so stark gemacht?
Der Aufstieg der luxemburgischen Finanzwirtschaft begann in den 1960er und 1970er Jahren. Schon vor dem 2. Weltkrieg hatte das Land erste Erfahrungen mit der Anwerbung ausländischer Holdinggesellschaften auf Basis eines 1929 beschlossenen Gesetzes gemacht, das diese von der Unternehmenssteuer befreite.22 Aber erst mit der Liberalisierung der internationalen Kapitalmärkte in den 1960er Jahren zog es auch ausländische Banken nach Luxemburg. Sie nutzten das strenge luxemburgische Bankgeheimnis und die Steuerbefreiungen für Holdinggesellschaften, um ihren vermögenden Privat- und Geschäftskunden dabei zu helfen, Kapital vor den heimischen Finanzämtern zu verstecken. Luxemburg kam dabei entgegen, dass das Einkommenssteuerrecht in der EU nicht vergemeinschaftet worden ist, sondern bis heute weitgehend in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt. Mit einem Höchstsatz der Einkommensteuer von 42 % und einer Gewinnbesteuerung der Unternehmen von 25 % ist Luxemburg kein Niedrigsteuerland, sondern befindet sich im europäischen Mittelfeld. Von anderen Ländern unterscheidet es sich vielmehr durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und großzügige steuerliche Abzugsmöglichkeiten, mit denen sich Gewinne grenzüberschreitend steuermindernd verlagern lassen. Luxemburg nutzt dabei geschickt seine staatliche Souveränität und schöpft bestehende Spielräume aus, die das internationale und das europäische Recht bieten („Souveränitätsnische“). Dies geht bis heute vielfach auf Kosten anderer Länder, denen in großem Umfang Steuereinnahmen durch die luxemburgische Praxis verloren gehen.
Das luxemburgische Steuerrecht unterliegt aber einem starken Wandel und ist schrittweise an die üblichen internationalen Standards angepasst worden. Luxemburg möchte sein negatives Image als Steueroase verlieren. Dabei handelt das Land jedoch nicht immer aus Einsicht, sondern oft nur auf Druck anderer Länder und europäischer und internationaler Organisationen. So wurde schon vor über 20 Jahren die schlichte Form der Steuervermeidung durch Schwarzgeld auf luxemburgischen Bankkonten durch die EU-Zinssteuerrichtlinie erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Ein 2017 innerhalb der OECD vereinbartes internationales Verfahren zum Austausch von Finanzkonteninformationen (Common Reporting Standard) hat diese abgelöst und deutlich erweitert. Kleinanlegern ist es heute kaum noch möglich, durch einen Vermögenstransfer nach Luxemburg Steuern zu sparen. Die Banken mussten sich auf neue Kunden und Geschäftsfelder umstellen und waren und sind dabei sehr erfinderisch.
Auch Skandale wie LuxLeaks im Jahr 2014, als ein Whistleblower 548 vertrauliche Vereinbarungen zwischen den luxemburgischen Steuerbehörden und Unternehmen über steuerliche Vorzugsbehandlung (Tax Rulings) öffentlich machte, haben zu Änderungen in der Steuerpraxis geführt.23 Um Unsicherheit der Unternehmen über ihre künftige Besteuerung vorzubeugen, erteilten ihnen die luxemburgischen Finanzbehörden jahrelang im Vorhinein verbindliche Steuerzusagen. Diese Praxis existiert auch in anderen Ländern, hat aber kaum irgendwo so exzessiv Anwendung gefunden wie in Luxemburg. Sie wurde nach ihrem Bekanntwerden zwar nicht abgeschafft, aber deutlich transparenter ausgestaltet.
Multinationalen Unternehmen bietet das Land immer noch vielfältige Möglichkeiten zur Umgehung von Steuerzahlungen durch Lenkung ihrer Geldflüsse über Luxemburg und Gründung von Finanzholdings. Im luxemburgischen Handels- und Firmenregister sind 160.000 Unternehmen eingetragen,24 das ist ein Unternehmen auf vier Einwohner/innen. 45.000 Unternehmen sind Finanzholdings mit weniger als 5 Beschäftigten (Société de Participations Financiéres – SOPARFI oder Special Purpose Entities), die sich unmittelbar oder mittelbar in ausländischem Besitz befinden.25 Sie sind in Luxemburg grundsätzlich steuerpflichtig, können aber zahlreiche steuerliche Privilegien nutzen, die andere Länder meist nicht bieten. Ihr wichtigster und oft einziger Zweck ist die Versorgung ihrer Tochtergesellschaften in Drittländern mit Eigen- und Fremdkapital und die Vereinnahmung, Verwaltung und steuersparende Verrechnung der von ihnen gezahlten Zinsen und Dividenden. In einigen Fällen wickeln die Muttergesellschaften auch Finanzgeschäfte mit Externen über sie ab. Früher wurden sie oft als reine Briefkastenfirmen ohne eigene Beschäftigte gegründet, aber dies ist deutlich erschwert worden. Auch vermögende Privatpersonen haben in Luxemburg Family Offices zur steuermindernden Verwaltung ihrer Beteiligungen gegründet, oft in Form einer „Société de Gestion de Patrimoine Familiale“ (SPF). Hinzu kommen Versicherungsunternehmen, die Luxemburg als Standort für bestimmte Geschäfte, etwa im Bereich der Rückversicherungen und zur Vermögensverwaltung, nutzen.
Steuerliche Privilegien ergeben sich für Finanzholdings in Luxemburg zunächst durch die großzügige Abzugsfähigkeit nicht nur der Zinsen, sondern auch der Dividenden vom steuerpflichtigen Gewinn. Kursgewinne bleiben unter bestimmten Voraussetzungen unberücksichtigt und Gewinne und Verluste unterschiedlicher Tochtergesellschaften können großzügig miteinander verrechnet werden. Gewinne aus immateriellen Vermögens-werten wie Patenten, Lizenzen oder Markenrechten werden in Luxemburg nur mit einem Anteil von 20 % besteuert. Während die meisten Länder die Bewertung anhand eines objektiven Marktwertes vorschreiben, lässt Luxemburg den Unternehmen hierbei einen großen Spielraum. Luxemburg hat zwar eine Quellensteuer auf Zinsen eingeführt, geht damit aber auch sehr pragmatisch um, Dividenden sind hiervon ganz ausgenommen. Vermögensverwaltungsgesellschaften in Form einer SPF sind ganz von der Körperschaftssteuer befreit. Große Bedeutung haben hierbei die Doppelbesteuerungsabkommen, die Luxemburg mit über 80 Ländern abgeschlossen hat und die gemäß internationaler Konvention die Besteuerung des Kapitalertrags dessen Herkunftsland überlassen.
Lange Zeit war auch die Manipulation der Verrechnungspreise für unternehmensinterne Lieferungen und Leistungen zur Verschiebung von Gewinnen aus Hochsteuer- in Niedrigsteuerländer sehr verbreitet. Diese Möglichkeit ist jedoch vor allem durch die auch in Luxemburg umgesetzte BEPS-Initiative (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD und durch die ATAD-Richtlinien der EU (Anti Tax Avoidance Directive) stark eingeschränkt worden.
Die steuerlichen Vorteile für Holding-Gesellschaften nutzen auch Investmentfonds. Ihre Erträge sind in Luxemburg aufgrund der jeweils geltenden Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich steuerfrei, es fällt nur eine relativ niedrige Registersteuer (tax d’abonnement) an.26 Luxemburg hatte eine 1985 dazu beschlossene EU-Richtlinie27 frühzeitig umgesetzt und mit den Besonderheiten seines Holding-Gesetzes verknüpft. Dadurch verschaffte sich das Land einen Startvorteil für die damals entstehende neue Finanzbranche und nutzte diesen, um sich zum bedeutendsten Standort für Investmentfonds in Europa und zweitgrößten der Welt nach New York zu entwickeln. Heute verwalten 3.274 Fonds ein Anteilsvermögen von 5,3 Billionen Euro.28 Das Kapital stammt fast vollständig aus dem Ausland, es wird in Luxemburg nur gebündelt und je nach Schwerpunkt in Aktien, Anleihen, Immobilien und anderen Vermögensklassen auf der ganzen Welt investiert.29 Die Erträge fließen wiederum aus dem Zielland über Luxemburg zurück in das Herkunftsland des investierten Kapitals. Luxemburg ist als zwischengeschaltete Station lediglich Umschlagplatz für Kapital, das zur investiven Verwendung in andere Länder gelenkt wird. Ökonomen des Internationalen Währungsfonds haben diese Art der Direktinvestitionen, die über reine Holdinggesellschaften in Länder wie Luxemburg fließen und dort nicht zur Finanzierung realwirtschaftlicher Investitionen vorgesehen sind, sondern nur zur Weiterleitung in Drittländer, als „Phantom-Investitionen“ bezeichnet.30 Die Erträge aus Investmentfonds dürften in den meisten Fällen auch ordnungsgemäß im Herkunftsland des Kapitals versteuert werden. Dies wird von den luxemburgischen Finanzbehörden aber nicht eingehend überprüft, sondern meist nur unterstellt.
Abbildung 8: Auslandsinvestitionen in Luxemburg in Mrd. Euro (Bestand), 2002-2024

Quelle :Banque Centrale du Luxembourg: International investment position of Luxembourg – Statistical tables 09-01, 09-02, 09-03; eigene Berechnungen.
Die Attraktivität Luxemburgs als Standort zur Gründung und Verwaltung von Investmentfonds und Finanzholdings multinationaler Unternehmen und vermögender Privatpersonen hat dem Land einen fast unvorstellbaren hohen Zufluss an ausländischem Kapital beschert. Die in Luxemburg registrierten Auslandsinvestitionen (insbesondere Direktinvestitionen, Wertpapiere, Sichteinlagen) versechsfachten sich nach Daten des Internationalen Währungsfonds und der luxemburgischen Zentralbank seit 2002 von rd. 2 Billionen Euro auf jetzt 12 Billionen Euro (Abbildung 8). Rund die Hälfte davon entfällt auf Einlagen von in Luxemburg verwalteten Investmentfonds, sie weisen ungebrochenes Wachstum auf. Investitionen in Finanzholdings sind zwischen 2008 und 2015 stark gewachsen, seitdem aber wieder rückläufig. Dies zeigt Abbildung 9, die die Nettozu- und -abflüsse ausländischen Kapitals nach Luxemburg darstellt. Seit 2016 ziehen multinationale Unternehmen wieder Kapital aus ihren luxemburgischen Holdings ab.
Unter den sonstigen Auslandsinvestitionen befinden sich auch Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen, die ihre Aktivitäten ganz oder teilweise von Luxemburg aus steuern und entsprechende Wertschöpfung erbringen, darunter die Unternehmenszentralen von ArcelorMittal und Ferrero, das europäische Headquarter von Amazon,31 außerdem Vodafone, CVC Private Equity und verschiedene Immobilienunternehmen wie die Adler Group und Corestate. Auch sie haben sich nur aus steuerlichen Gründen für Luxemburg als Standort entscheiden.32
Abbildung 9: Zu- und Abflüsse ausländischer Investitionen in Finanzholdings und Investmentfonds in Luxemburg in Mrd. Euro (Veränderung), 2002-2023

Quelle: Banque Centrale du Luxembourg Balance of payments of Luxembourg: direct investment liabilities – by sector, Balance of payments of Luxembourg: portfolio investment – by type of instrument – Statistical tables 07-05, 07-06; eigene Berechnungen.
Das gewaltige Ausmaß des Auslandsvermögens in Luxemburg zeigt sich darin, dass das Land zeitweise nach den USA weltweit drittgrößtes Zielland für ausländisches Kapital war und fast gleichauf mit den Niederlanden lag. Mit seinen 12 Billionen Euro übertrifft es in absoluten Zahlen das weit größere Deutschland, das nur auf 9,9 Billionen Euro kommt. Das Verhältnis zwischen Auslandsvermögen und Bruttoinlandsprodukt beträgt in Luxemburg 150:1, in Deutschlands liegt es bei 2,5:1. Das ausländische Kapital wird je-doch in Luxemburg nicht physisch investiert, sondern es besteht nur aus Finanzkapital, das dort verwaltet und zur eigentlichen wirtschaftlichen Nutzung in andere Länder weitergeleitet wird. Luxemburg bietet allein schon wegen seiner geringen Größe viel zu wenig realwirtschaftliche Investitionsmöglichkeiten, um derartige Summen im Land halten zu können. Der gesamte reale Kapitalstock des Landes, also der monetäre Gesamtwert aller Bauten, Ausrüstungsgüter und immaterieller Investitionsobjekte wie Patente und Lizenzen beträgt 146 Mrd. Euro, das ist nur wenig mehr als ein Prozent seiner Auslandsinvestitionen.33
Luxemburg ist bei „Phantom-Investitionen“ globaler Spitzenreiter mit einem Anteil von einem Viertel, die weltweit erfasst sind. Mit seinem Verhältnis zwischen „echten“ und solcherart „unechten“ ausländischen Direktinvestitionen ähnelt Luxemburg den berüchtigten Steueroasen in der Karibik. Nach Daten der luxemburgischen Zentralbank stammt ein Fünftel aller ausländischen Direktinvestitionen im Land unmittelbar aus solchen Offshore-Inseln in der Karibik und von den Kanalinseln. Zählt man die Investitionen mit Herkunft aus Hongkong, Singapur, der Schweiz, Irland, den Niederlanden, Malta und Zypern hinzu, in denen ebenfalls häufig steuerflüchtiges Kapital versteckt wird, dann erhält man einen Anteil von 44 %.34 Bei den Investmentfonds sieht die geografische Verteilung der Herkunft der Anlagen ähnlich aus. Nach dem „Atlas of the Offshore World“ des EU Tax Observatory, das vom französischen Ökonomen Gabriel Zucman geleitet wird, befindet sich ein Offshore-Vermögen von rd. 700 Mrd. US-$ in Luxemburg, das mittelbar über die genannten Steueroasen gehalten wird und dessen Einkünfte dort nicht oder nur äußerst niedrig besteuert werden.35 Ihre wahren Eigentümer sind oft Vermögende aus anderen europäischen Ländern, den USA, Russland, den Golfstaaten und zunehmend aus China.36 Sie entziehen sich einer Besteuerung in ihrem eigenen Land durch Gründung verschachtelter Firmenkonstruktionen in den genannten Steueroasen und schleusen ihr Vermögen über Luxemburg in den europäischen Markt ein,37 um es dort gewinnbringend real zu investieren. Unter den Eigentümern befinden sich auch Drogenhändler, Mafiabosse, russische Oligarchen und abgehalfterte Diktatoren. Luxemburg gelingt es trotz erheblicher und ernsthafter Anstrengungen nach wie vor nicht, solche Auswüchse von Steuerhinterziehung und Geldwäsche wirksam zu verhindern. Selbst nach einer Studie des Internationalen Währungsfonds ermöglicht das luxemburgische Steuerrecht, die Steuerbasis drastisch zu verkleinern und so die Effektivbesteuerung der dort registrierten Unternehmen zu minimieren.38
Der luxemburgische Staat verdient daran, weil er von den steuerflüchtigen Unternehmen Registergebühren und in vielen Fällen außerdem noch Körperschaftssteuern erhält, wenn auch auf einer deutlich geminderten steuerlichen Basis. Auch wenn Luxemburg seine eigenen Steuergesetze einhält, so verhindert es dennoch nicht effektiv deren Miss-brauch zum Zweck der Steuerhinterziehung in anderen Ländern durch multinationale Unternehmen und vermögende Privatpersonen und in manchen Fällen für noch verwerflichere Ziele. Die exorbitant hohen Auslandsinvestitionen und den überdimensionierten Finanzsektor verdankt Luxemburg ganz überwiegend, wenn nicht ausschließlich den Besonderheiten seines Steuerrechts. Ohne dieses wäre Luxemburg uninteressant für Auslandsinvestitionen. Es verfügt über keine natürlichen Standortvorteile hierfür. Weder die zentrale Lage in Europa noch die qualifizierten Arbeitskräfte und auch nicht kurze Wege und die Mehrsprachigkeit der Bevölkerung können dies erklären. Solche Vorteile bieten auch andere Länder. Die luxemburgischen Auslandsinvestitionen sind überdies ein rein finanzwirtschaftliches Phänomen und haben mit der realwirtschaftlichen Situation im Land sehr wenig zu tun. Luxemburg verdient nur an ihrer Verwaltung, nicht aber an ihrer effektiven Nutzung.
Die eingetretene Stagnation bei den ausländischen Direktinvestitionen und der bereits erkennbare Rückzug von Finanzfonds und Holdinggesellschaften aus Luxemburg (Abbildung 9) zeigen, dass diese Stärke nicht von Dauer sein muss. Finanzanlagen sind im Unterschied zu realwirtschaftlichen Investitionen sehr mobil und lassen sich innerhalb kürzester Zeit mühelos in ein anderes Land transferieren. Es ist nicht gesichert, dass ausländisches Kapital auch in Zukunft den Umweg über Luxemburg nimmt, um an seinen endgültigen Bestimmungsort zu gelangen. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass Luxemburg nicht gute Chancen besitzt, bestimmte Teile seiner Finanzwirtschaft dauerhaft zu halten. Vor allem bei Investmentfonds hat Luxemburg durch die langjährige Erfahrung ein hohes fachliches Know-how aufgebaut, das inzwischen einen echten Standortvorteil über das Unternehmens- und Steuerrecht hinaus darstellt. Nur wenn Luxemburg sich auf dessen Stärkung konzentriert, wird es sein Wirtschaftsmodell auch weiter-hin auf den Finanzsektor stützen können. Die Attraktivität Luxemburgs für Finanzholdings multinationaler Unternehmen wird sich dagegen auf Dauer nur schwer aufrechterhalten lassen. Sie gerät jetzt durch die von über 140 Ländern beschlossene Mindeststeuer von 15 % für internationale Großunternehmen zusätzlich unter Druck. Der Finanzsektor ist darüber hinaus in besonderem Maße von neueren Entwicklungen bei den In-formations- und Kommunikationstechnologien betroffen, insbesondere durch die massenhafte Verbreitung und Anwendung von künstlicher Intelligenz. Dies dürfte auch in Luxemburg erhebliche Veränderungen in dieser Branche bewirken.
5 – Die gefährliche Abhängigkeit Luxemburgs von seiner Finanzwirtschaft und seinem Wirtschaftsmodell
Bei einem Land, das seinen Wohlstand auf Steuerprivilegien für multinationale Unternehmen und vermögende Privatpersonen aufbaut, ist man geneigt, einen niedrigen Steueranteil am BIP und einen kleinen Staat zu erwarten. Dies trifft auf Luxemburg aber in keiner Weise zu, im Gegenteil: Die Steuerquote (Anteil der Steuereinnahmen am BIP bzw. am BNE) ist im europäischen Vergleich sogar überdurchschnittlich hoch (siehe Abbildung 10). 2023 hat der luxemburgische Staat Steuern in Höhe von 23,4 Mrd. Euro und zusätzlich Sozialabgaben in Höhe von 9,2 Mrd. Euro eingenommen, woraus sich Staats-einnahmen von insgesamt 32,6 Mrd. Euro ergeben. Allein die Steuereinnahmen machen 29,5 % des BIP und sogar 41,3 des BNE aus (Deutschland: 23,3 % bzw. 22,4 %), zusammen mit den Sozialabgaben sind es 41,2 % des BIP und sogar 57,3 % des BNE. Pro Einwohner/in beliefen sich allein die Steuereinnahmen (ohne Sozialabgaben) in Luxemburg 2023 auf 35.200 Euro, das ist mehr als dreimal so viel wie in Deutschland (11.300 Euro). Von 1998 bis 2015 ging der Steueranteil am BIP von 27,9 auf 24,5 % zurück, stieg anschließend aber wieder stark an und hat jetzt mit 29,5 % ein Allzeithoch erreicht.
Abbildung 10: Anteil der Steuereinnahmen Luxemburgs am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und am Bruttonationaleinkommen (BNE) in %

Quelle: STATEC Statistiques.lu: Taxes And Social Contributions (detailed view) – Total General Government (Sector SES1300) (in millions EUR). Eigene Berechnungen.
Woraus resultieren die hohen Steuereinahmen in Luxemburg? 2023 waren die Verbrauchssteuern mit 9,0 Mrd. Euro die größte Einnahmequelle, davon entfielen 5,2 Mrd. Euro auf die Mehrwertsteuer und 1,9 Mrd. Euro auf Steuern auf Kraftstoffe, Alkohol, Tabak und andere Genussmittel (droits d’accise). Die Unternehmen zahlten Steuern in Höhe von insgesamt 6,4 Mrd. Euro, davon 4,0 Mrd. Euro Körperschaftssteuer, 1,1 Mrd. Euro Vermögenssteuer (die in Luxemburg nur von Unternehmen erhoben wird) und 1,3 Mrd. Euro Registersteuern der Investmentfonds und Finanzholdings. Mit 6,3 Mrd. Euro warf die Besteuerung von Löhnen und Gehältern etwa gleich hohe Einnahmen ab, 1,7 Mrd. Euro entfielen auf sonstige Steuern.39
Trotz der Vielzahl an Steuervergünstigungen für die Unternehmen, vor allem die ausländischen, erzielt der luxemburgische Staat aus der Besteuerung der Unternehmen relativ gesehen höhere Einnahmen als in den meisten anderen Ländern.40 Dies erklärt sich durch die sehr große Zahl an Unternehmen, die in Luxemburg registriert sind, und durch das außergewöhnlich hohe Auslandskapital, das durch Luxemburg fließt. Trotz vielfältiger Möglichkeiten zur Absenkung der steuerpflichtigen Gewinne entsteht so eine sehr hohe absolute Steuerbasis. Der luxemburgische Staat verfolgt dabei durchaus ein Einnahmenmaximierungsziel. Die Registersteuer (1,3 Mrd. Euro) wird vollständig vom Finanzsektor aufgebracht, außerdem knapp die Hälfte der Körperschafts- und mehr als die Hälfte der Vermögenssteuer. Insgesamt zahlen die Unternehmen des Finanzsektors da-mit Steuern von etwa 4 Mrd. Euro in die luxemburgische Staatskasse. Ihren Mutter- und Schwestergesellschaften in anderen Ländern ermöglichen sie dadurch jedoch weit höhere Steuerersparnisse und schmälern dort die staatliche Einnahmen entsprechend in noch stärkerem Maße.
Auch die Verbrauchssteuern und die Lohn- und Einkommensteuer bringen Luxemburg auf spezielle Weise Sondereinnahmen zum Nachteil seiner Nachbarländer ein. Die Verbrauchssteuern enthalten hohe Einnahmen aus dem sogenannten Tanktourismus. Luxemburg besteuert Benzin, Diesel, Tabak, alkoholische Getränke und sonstige Genussmittel niedriger als seine Nachbarländer, was deren Bewohner/innen zu regelmäßigen Kurzausflügen in luxemburgische Grenzorte verleitet. Diese besitzen eine ungewöhnlich hohe Dichte an Tankstellen, sie reihen sich manchmal unmittelbar an der Grenze wie eine Perlenschnur aneinander. Luxemburgische Tankstellen machen ca. zwei Drittel ihres Umsatzes mit ausländischen Kunden, die damit auch zwei Drittel der gesamten Einnahmen des Landes aus der Mineralölsteuer, der ergänzenden CO2-Steuer und der darauf erhobenen Mehrwertsteuer aufbringen. Einer Berechnung des Think Tanks IDEA zufolge erbringt dieser Tanktourismus dem luxemburgischen Staat Steuermehreinnahmen von Ausländer/innen in Höhe von 650 Mio. Euro im Jahr.41 Hinzu kommen Steuereinnahmen aus dem Verkauf steuerlich vergünstigter Tabakwaren und sonstiger Genussmittel, die die Tanktouristen, damit es sich lohnt, bei den Kurzausflügen nach Luxemburg gleich miterwerben. Von den niedrigen Steuern auf Kraftstoffe und Genussmittel in Luxemburg profitieren die Tanktouristen in Höhe der Differenz zu dem Preis, den sie an einer deutschen, belgischen oder französischen Tankstelle hätten zahlen müssen, abzüglich entstandener Fahrtkosten zur luxemburgischen Grenze. Die drei Nachbarländer Luxemburgs müssen dagegen Steuermindereinnahmen in Höhe der Mehreinnahmen Luxemburgs und zusätzlich der Differenz zwischen dem luxemburgischen und ihrem eigenen höheren Steuersatz hinnehmen.
Der Tanktourismus ist von Luxemburg allerdings nicht mit dem Ziel der Generierung von Steuereinnahmen aus dem Ausland erfunden worden und besitzt im Land auch keine hohe Popularität. Dazu trägt aber auch bei, dass die CO2-Emissionen eines Landes im Verkehrssektor auf Basis der verkauften Treibstoffmenge berechnet werden und das Tanken ausländischer Autofahrer/innen in Luxemburg damit dessen CO2-Ausstoß zugerechnet wird. In der öffentlichen Diskussion Luxemburgs werden die fiskalischen und die ökologischen Interessen oft gegeneinander in Stellung gebracht.
Bis 2014 profitierte Luxemburg auch vom grenzüberschreitenden Online-Handel. Bis da-hin stand die Mehrwertsteuer dem Sitzland des Online-Händlers zu. Der innerhalb der EU sehr niedrige Mehrwertsteuersatz Luxemburgs von 17 % war ein wichtiger Grund für Amazon und andere Online-Händler, dort ihre europäischen Vertriebszentralen zu er-richten. Das hatte zur Folge, dass Luxemburg mehr Produkte online in anderen Ländern absetzte als umgekehrt, was der luxemburgischen Staatskasse erhebliche Mehreinnahmen einbrachte. Durch eine Änderung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie im Jahr 2015 wurde die Besteuerung von grenzüberschreitenden Online-Geschäften vom Land des Anbieters auf das Land des Kunden übertragen. Hierdurch gingen die Mehrwertsteuer-einnahmen Luxemburgs in diesem Jahr schlagartig um 800 Mio. Euro zurück. In den Folgejahren stiegen sie dann wieder von niedrigerem Niveau ausgehend mit der gleichen Rate wie zuvor.
Von besonderer Bedeutung sind die Einkommensteuern, die die Grenzpendler/innen in Luxemburg zahlen. Nach den geltenden Doppelbesteuerungsabkommen stehen diese im Unterschied zur Körperschaftssteuer der Unternehmen dem Land zu, in dem sich der Arbeitsort befindet, hier also Luxemburg. Im Jahr 2022 erhielt der luxemburgische Staat Einkommensteuern von Ausländer/innen in Höhe von 1.649 Mio. Euro.42 Die Grenzpendler/innen finanzieren damit öffentliche Güter wie Bildung, Infrastruktur, Kultur und öffentliche Sicherheit in Luxemburg mit. Diese Leistungen nehmen sie jedoch überwiegend an ihrem französischen, belgischen oder deutschen Wohnort in Anspruch, tragen dort aber nicht zur Finanzierung bei. Für Luxemburg ist dies vor allem aufgrund der hohen Ausbildungskosten der Grenzpendler/innen (wie auch der Zugewanderten) finanziell vorteilhaft. Deren Bildung von der Kita bis zur Hochschule ist von ihren Heimatländern finanziert worden und wird von der luxemburgischen Volkswirtschaft kostenlos genutzt. Der außerordentlich hohe Einpendlerüberschuss beschert dem luxemburgischen Staat demnach Steuereinnahmen, denen nur sehr begrenzte Leistungen gegenüberstehen und die er damit für andere Zwecke verwenden kann. Die geltende Regelung der Doppelbesteuerungsabkommen zur Besteuerung der Arbeitseinkommen am Arbeitsort wäre bei ausgeglichenem Pendlersaldo unproblematisch. Bei dem bestehenden Ungleichgewicht führt dies aber zu einem massiven Überschuss zugunsten Luxemburgs.
In Luxemburg zahlen die Grenzpendler/innen außerdem Sozialversicherungsabgaben an die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, für die sie im Gegenzug entsprechende Leistungsansprüche erwerben, die den höheren luxemburgischen Standards entsprechen. Wie auch in Deutschland leistet der Staat in Luxemburg einen finanziellen Beitrag zur Rentenversicherung, allerdings auf andere Weise. In Luxemburg besteht eine Drittelparität, wonach Arbeitnehmerinnen, Arbeitgeber und der Staat aus Steuermitteln jeweils 8 % der Bruttolöhne einzahlen. Außerdem haben die Grenzpendler/innen Anspruch auf Studienbeihilfen zugunsten ihrer Kinder, die mit einem Gesamtvolumen von 35 Mio. Euro vom luxemburgischen Staat finanziert werden. Insofern fließt ein Teil der von den Grenzpendelnden gezahlten Einkommensteuern über ihre späteren Rentenansprüche und über die Studienbeihilfen an sie zurück. Die Summe dieser Leistungen ist jedoch wesentlich geringer als ihre Einkommensteuerzahlungen an den luxemburgischen Staat.43
Abhängig Beschäftigte müssen in Luxemburg keinen finanziellen Beitrag zur Absicherung gegen Arbeitslosigkeit leisten. Arbeitslose mit luxemburgischem Wohnsitz erhalten bei Verlust des Arbeitsplatzes steuerlich finanzierte Leistungen vom luxemburgischen Staat. Grenzpendelnde haben hierauf keinen Anspruch, sondern sie müssen Arbeitslosenunterstützung an ihrem Wohnort beantragen, die dort auch niedriger als in Luxemburg ausfällt. Da sie keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung ihres Heimatlandes eingezahlt haben, muss Luxemburg nach EU-Recht hierfür einen teilweisen finanziellen Ausgleich an seine Nachbarländer zahlen, der sich 2022 auf 65 Mio. Euro belief.
Trotz aller Leistungsansprüche verbleibt ein beträchtlicher Überschuss aus den von den Grenzpendler/innen geleisteten Steuern beim luxemburgischen Staat. Belgien hat mit Luxemburg 1981 eine finanzielle Kompensation vereinbart, die an die kommunalen Verwaltungen der Wohnorte der Grenzpendler/innen gezahlt wird. Sie beruht auf dem Ver-trag über die belgisch-luxemburgische Wirtschaftsunion aus dem Jahr 1921 und beläuft sich derzeit auf 48 Mio. Euro im Jahr.44 Ähnliche Forderungen aus Frankreich und Deutschland45 sind von der luxemburgischen Regierung bisher zurückgewiesen worden.
Der luxemburgische Staat gehört zu den größten Nutznießern seines Wirtschaftsmodells. Die Steuerzahlungen ausländischer Investoren, Verbraucher/innen und Grenzpendler/innen in die luxemburgische Staatskasse und die Leistungen, die sie im Gegenzug hieraus erhalten, lassen sich zwar nicht exakt quantifizieren, belaufen sich in der Summe aber zweifellos auf mehrere Milliarden Euro im Jahr. Der luxemburgische Staat kann seinen Bürgerinnen und Bürgern dadurch Sozialleistungen und öffentliche Dienste (zum Beispiel freie Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel) anbieten, von denen andere Länder nur träumen können.
Die öffentliche Verwaltung ist in Luxemburg finanziell weit besser ausgestattet als in seinen Nachbarländern,46 sie verfügt über deutlich mehr Personal und zahlt weit höhere Löhne. Auch dies kommt vor allem den einheimischen Bürgerinnen und Bürgern zugute, denn die öffentliche Verwaltung Luxemburgs und seine zahlreichen öffentlichen Unternehmen in den Bereichen Verkehr, Energie, Post, Bildung und Sozialwesen beschäftigen meist Luxemburgerinnen und Luxemburger, während die ausländischen Arbeitskräfte und die Grenzpendler/innen überwiegend bei privaten Arbeitgebern beschäftigt sind.47 Es lieg daher im Interesse der luxemburgischen Bürgerinnen und Bürger und der von ihnen gewählten Politiker/innen, die hohen Steuereinnahmen aufrechtzuerhalten. Hierfür sind sie auf die überdimensionierte Finanzwirtschaft, die so etwas wie ihr Goldesel ist, und die Steuerzahlungen ausländischer Unternehmen und Arbeitskräfte angewiesen.
Große Bedeutung hat auch das luxemburgische Sozialversicherungssystem, das seinen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den im Ausland wohnenden Beitragszahlenden im europäischen Vergleich sehr hohe Rentenzahlungen gewährt und einen besonders frühen Vorruhestand mit 57 Jahren ermöglicht.48 Luxemburg profitiert dabei (noch) von dem starken Beschäftigungswachstum der vergangenen Jahre, der zumindest vorübergehend eine sehr günstige Relation zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern bewirkt. Zwar ist Luxemburg von der gleichen natürlichen Bevölkerungsentwicklung wie andere europäische Länder betroffen. Diese schlägt aber solange nicht auf die Rentenversicherung durch, wie der Zustrom ausländischer Arbeitskräfte durch Migration und durch Grenzpendeln sie ausgleicht. Hierdurch steigen zunächst einmal nur die Einnahmen, während Leistungsansprüche erst zeitlich verzögert mit Erreichen des Rentenalters durch die die Migrant/innen und Grenzpendler/innen entstehen. Auch die Kranken- und Pflegeversicherung profitiert von diesem Effekt, weil Leistungsansprüche an sie ebenfalls mit dem Lebensalter zunehmen.
Noch verfügen die luxemburgischen Sozialversicherungen aufgrund dieses strukturellen Effekts über eine hohe finanzielle Reserve, aber es deutet sich ein Abschmelzen an und die Debatte über ihre Zukunftsfähigkeit hat bereits begonnen.49 Die luxemburgische Rentenversicherung ähnelt derzeit einem Schneeballsystem, denn es kann seine niedrigen Beitragssätze in Kombination mit hohen Leistungsansprüchen auf Dauer nur aufrechter-halten, wenn die Zahl der ausländischen Beschäftigten immer schneller steigt. Das luxemburgische Wirtschafts- und Sozialmodell ist dadurch in eine fatale Abhängigkeit von anhaltendem Wachstum geraten und dies erklärt, warum Luxemburg an ihm festhält.
Der Aufstieg Luxemburgs zum wohlhabendsten Land in Europa ist eine Leistung, die hohe Anerkennung verdient. Man muss aber fragen, ob die dazu ergriffenen Maßnahmen wirklich im langfristigen objektiven Interesse des Landes liegen und nachhaltig sind. Außerdem muss sich Luxemburg kritische Fragen zu den Schäden, die es seinen europäischen Nachbarn hierdurch zufügt, gefallen lassen.
Die Produktivitätsentwicklung (Wachstum des BIP pro Erwerbstätiger) ist bereits vor zwei Jahrzehnten zum Stillstand gekommen, der Vorsprung bei den Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zu den Nachbarländern verringert sich seit einiger Zeit. Wirtschaftswachstum erzielt Luxemburg schon länger nur noch durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte und eine steigende Zahl an Grenzpendelnden. Fehlender Wohnraum, stark gestiegene Mieten, Wohnungs- und Grundstückspreise, eine überlastete Verkehrsinfrastruktur und die Gefahr der Landschaftszersiedlung durch hohen Flächenverbrauch sind die Kehrseiten des hohen Wachstums, die die Bevölkerung unmittelbar verspürt. Wenn Luxemburg dennoch an seinem auf dem Finanzsektor beruhenden Wirtschaftsmodell festhält, dann hat es den Anschein, dass dies vor allem wegen der Abhängigkeit von den hohen Steuereinnahmen erfolgt. Ohne sie könnte sich Luxemburg die im europäischen Vergleich großzügigen Sozialleistungen und den fast üppig ausgestatteten öffentlichen Dienst, in dem überwiegend luxemburgische Staatsangehörige beschäftigt sind, nicht leisten. Eine Angleichung der Wachstumsraten an das europäische Durchschnittsniveau würde dem luxemburgischen Wirtschafts- und Sozialmodell mittelfristig die finanzielle Grundlage entziehen.
Ob dieses Modell aber dauerhaft tragfähig und nachhaltig ist, kann mit guten Argumenten bezweifelt werden. Luxemburg beschreitet mit ihm einen Sonderweg, der nur unter ganz speziellen Voraussetzungen realisierbar ist und für den es keine langfristige Bestandsgarantie gibt. Es beruht auf seinem Finanzsektor und Steuervorteilen für multinationale Unternehmen und vermögende Privatpersonen aus dem Ausland, gegen die sich die EU und internationale Organisationen mit verschärften Standards und Vereinbarungen zur Wehr setzen. Wenn es nicht gelingt, den Finanzplatz Luxemburg von den künstlichen Standortvorteilen durch das Steuer- und Unternehmensrecht unabhängig zu machen, könnte es zu einer schleichenden Erosion kommen. Dass sich die ersten Finanzholdings schon aus Luxemburg zurückziehen, zeigt, dass dies eine reale Gefahr ist. Bessere Aussichten auf eine dauerhafte Bindung an das Land dürften bei den Investmentfonds bestehen, da Luxemburg hierbei inzwischen sehr viel Kompetenz aufgebaut hat. Sollte der Finanzsektor in Luxemburg aber schleichend wegbrechen, wird dies weitere von ihr abhängige Teile der Wirtschaft des Landes mitreißen und sein Wirtschaftsmodell insgesamt gefährden.
In Politik, Medien und Gesellschaft ist nur wenig Gefahrenbewusstsein zum luxemburgischen Wirtschaftsmodell zu erkennen.50 Dies trifft grundsätzlich auch auf eine 2023 auf Initiative des luxemburgischen Wirtschaftsministeriums angefertigte Entwicklungsstrategie unter der Bezeichnung „VISION ECO2050 L’avenir de l’économie luxembourgeoise à l’horizon 2050“ zu,51 die zwar den Blick für alternative Entwicklungen weitete, diese Prämissen aber nicht in Frage stellte. Alle Regierungen der letzten Jahre, gleich welcher Zusammensetzung, haben die zentrale Bedeutung des Finanzsektors für den wirtschaftlichen Wohlstand des Landes betont und den „Finanzplatz Luxemburg“ gefördert. Auch die derzeitigen Oppositionsparteien der Sozialdemokraten und Grünen stehen dahinter, im Bewusstsein der Bedeutung des Finanzsektors für die öffentlichen Einnahmen und die Finanzierung einer großzügigen Sozialpolitik. Sie begnügen sich mit der Forderung nach einer stärkeren Ausrichtung auf nachhaltige Finanzprodukte. Auch wenn den meisten politischen Akteuren in Luxemburg bewusst sein dürfte, dass dieses Modell teilweise auf unfairen Steuerpraktiken gegenüber anderen Ländern beruht, wird dies nur selten offen thematisiert.
Wenn kritische Fragen aus dem Ausland oder von den heimischen Medien und NGO’s gestellt werden, reagieren die verantwortlichen Politiker/innen meist mit defensiven Argumenten, die ein schlechtes Gewissen nicht immer verbergen können. Dabei wird regelmäßig die Rechtmäßigkeit der luxemburgischen Steuerregeln und ihrer Anwendung betont. Gleichzeitig wird verschwiegen, dass diese Regeln von den politischen Verantwortlichen in Parlament und Regierung selbst beschlossen wurden, so dass die Legalität in einem tautologischen Sinne an den selbst gesetzten Maßstäben gemessen wird. Selten erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob immer alles, was legal ist, zugleich auch politisch und moralisch legitim ist. Als zweites Argument zur Verteidigung der luxemburgischen Steuerpraxis ist oft der Hinweis auf die geringe Größe des Landes zu hören. Man hält sich als kleines Land für befugt, sich mit Maßnahmen gegen große Länder behaupten zu dürfen und zu müssen, die dort unüblich sind und als unfair betrachtet werden.
In den Gremien von EU und internationalen Organisationen gehört Luxemburg regelmäßig zu den Bremsern bei der Schaffung von mehr Steuertransparenz und beim Schließen von Steuerschlupflöchern, aber es vermeidet Blockadepolitik. Luxemburg achtet darauf, nicht zu überziehen, um Gegenreaktionen der großen Länder vorzubeugen.52 Dabei kommt ihm seine geringe Größe entgegen, denn der Nutzen, den Luxemburg aus seiner Steuerpolitik zieht, ist im Verhältnis zur Größe des Landes sehr hoch, aber der Schaden für die Nachbarländer bleibt im Vergleich dazu begrenzt.
Eine selbstkritische Reflexion der Steuerpraxis in Luxemburg und ihrer Bedeutung als Fundament seines Wirtschaftsmodells ist weitgehend auf NGO’s und Teile der Medien beschränkt. Eine Erklärung hierfür könnte in einem Phänomen liegen, das der britische Publizist Nicholas Shaxson in Bezug auf Großbritannien und die Londoner City als „finance curse“, also als Fluch der Finanzwirtschaft, bezeichnet hat.53 Damit ist die Abhängigkeit eines Landes von einer übergroßen Finanzwirtschaft gemeint, die zur Folge hat, dass deren Interessen und die allgemeinen Interessen des Landes als eins gesehen werden. Man spricht nicht darüber, aber man handelt stets im Interesse der Finanzwirtschaft, weil die Arbeitsplätze vieler Wählerinnen und Wähler und vor allem die Steuereinnahmen und damit die politische Gestaltungsfähigkeit des Staates von ihr abhängen. Die wirtschaftliche Macht des Finanzsektors schlägt dadurch in politische Macht um. In Luxemburg hat der Finanzsektor ein größeres Gewicht an der Gesamtwirtschaft als in Großbritannien, so dass die Abhängigkeit und damit der „finance curse“ noch stärker ausgeprägt ist. Es stellt sich damit die Frage, ob Luxemburg gut aufgestellt ist, um die richtigen Entscheidungen für sich und die davon betroffenen Nachbarn zu treffen.
6 – Luxemburgs Blick in die Zukunft
Dass Luxemburg an seinem Wirtschaftsmodell festhält, zeigt sich auch in verschiedenen Wachstums- und Bevölkerungsprognosen und Strategiedokumenten luxemburgischer Behörden und wissenschaftlicher Institute. Sie gehen von einem weitgehend bruchlosen Fortbestehen des überdimensionierten Finanzsektors und anhaltend hohen Wachstums-raten aus. Der Think Tank IDEA hat diese tabellarisch aufbereitet und ausgewertet (Ta-belle 1). Berücksichtigt wurden vier Szenarien zur Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung des luxemburgischen Statistikamtes STATEC aus dem Jahr 2017,54 eine Bevölkerungsprognose der Generalinspektion der luxemburgischen Sozialversicherungen,55 die sich auf eine Schätzung des Statistischen Amtes der EU, EUROSTAT, aus 2019 stützt, sowie eine eigene Prognose von IDEA mit zwei Alternativszenarien.56
Sie unterscheiden sich von den üblichen Prognosen anderer Länder dadurch, dass sie zuerst Annahmen über das Wirtschaftswachstum und die Produktivitätsentwicklung treffen und daraus einen Arbeitskräftebedarf ableiten, der durch Zuzug aus dem Ausland und durch Grenzpendeln gedeckt wird. Dabei wird unterstellt, dass dies durch das hohe Lohnniveau in Luxemburg vollständig gelingt. Das Angebot an Erwerbstätigen wird demnach nicht als limitierende Größe für das Wirtschaftswachstum betrachtet. Die Bevölkerungsentwicklung wird anschließend aus der für das Wirtschaftswachstum benötigten Zuwanderung und der (weitgehend stabilen) natürlichen Bevölkerungsveränderung hergeleitet. Auch die Grenzpendlerzahlen werden aus dem prognostizierten Wirtschaftswachstum abgeleitet und nicht autonom geschätzt. In den meisten anderen Ländern wird der Wirkungszusammenhang zwischen demografischer Entwicklung und Wirtschaftswachstum dagegen umgekehrt gesehen und die natürliche Bevölkerungsentwicklung und Migration werden primär als Wachstumsrestriktion betrachtet.
Das europäische Statistikamt EUROSTAT verzichtet bei seinen Bevölkerungsprognosen meist auf eine solche Annahme und gelangte dadurch für Luxemburg in der Vergangenheit regelmäßig zu niedrigeren Bevölkerungsprognosen. Dies gilt auch für das in Tabelle 1 dargestellte Modell Europop 2019 (IGSS), das der Bevölkerungs- und Erwerbstätigenschätzungen der luxemburgischen Sozialversicherungen zugrunde liegt. In Luxemburg wurde dieses Vorgehen aber häufig kritisiert, weil die tatsächliche Bevölkerungsentwicklung hierdurch in der Vergangenheit regelmäßig unterschätzt wurde, mit der Folge, dass es zu Fehlplanungen und unterlassenen Investitionen gekommen sei.
Tabelle 1: Zusammenfassung vorliegender Wachstums- und Bevölkerungsprognosen für Luxemburg

Quelle: BOUCHET, M., DIEDERICH, R., HEIN, V. (2023): Une vision territoriale pour le Luxembourg Fir eng kohärent Entwécklung vum Land. Partie 2/4 Scénario de développement économique et démographique à l’horizon 2050.
Die Handlungsoption, den Arbeitskräftebedarf vollständig durch Anwerbung ausländischer Erwerbspersonen zu decken, steht jedoch nur einem Land offen, das diesen erstens starke ökonomische Anreize für eine Beschäftigung bieten kann und zweitens sehr klein ist, so dass der Verlust an Arbeitskräften in den Herkunftsländern anteilmäßig begrenzt bleibt. Dieses Privileg besitzt Luxemburg und nutzt es sehr ausgiebig.
Unter den genannten Prämissen erwarten die vorliegenden Prognosen einen Anstieg der Bevölkerung in Luxemburg bis 2050 in einer Bandbreite von 768.000 bis 1.092.000 und der Beschäftigtenzahl von 630.000 bis 955.000. Dies würde selbst bei den zurückhaltenderen Prognosen einen anhaltenden, wenn auch gegenüber den vergangenen Jahren ab-geschwächten Anstieg bedeuten, die Prognosewerte am oberen Rand laufen dagegen auf eine Kontinuität, teilweise sogar auf eine Beschleunigung des Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstums hinaus.
Die kritischen Größen für die weitere Entwicklung des Landes sind die Annahmen für das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Produktivität. Generell gilt, dass ein starkes Wirtschaftswachstum zu einem höheren Anstieg der Bevölkerungszahl und der Beschäftigung führt, während ein starker Anstieg der Arbeitsproduktivität das Beschäftigungs- und das Bevölkerungswachstum abschwächt. Die verschiedenen Wachstumsprognosen in Tabelle 1 variieren sehr stark je nach zugrunde gelegtem Wirtschaftswachstum. Die Bandbreite reicht von Nullwachstum bis zu einer Wachstumsbeschleunigung auf einen jahresdurchschnittlichen Wert von 4,5 %. Bei der Produktivität, die in den vergangenen Jahren stagnierte und zuletzt sogar rückläufig war, wird in den meisten Berechnungen eine Rückkehr zu einem leichten Anstieg angenommen.
Unter den dargestellten Annahmen über Wirtschaftswachstum und Produktivitätsentwicklung wäre ein weiteres Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum in Luxemburg plausibel. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die getroffenen Annahmen realistisch sind. Letztlich bedeuten sie eine Fortschreibung des luxemburgischen Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre und eine Umkehrung der zuletzt rückläufigen Produktivitätsentwicklung. Da das Wachstum in den vergangenen Jahren maßgeblich von der boomenden Finanzwirtschaft getragen wurde, lässt sich eine Fortsetzung nur realisieren, wenn diese auch weiterhin auf Wachstumskurs bleibt oder wenn eine andere Triebfeder für das Wachstum als Alternative zu ihr gefunden werden kann. Eine solche ist jedoch derzeit nicht in Sicht. Die Wirtschaftszweige, die neben der Finanzwirtschaft in den letzten Jahren in Luxemburg stark gewachsen sind, verdanken dies deren Aufträgen oder sind von ihren Steuerzahlungen abhängig. Da die luxemburgische Finanzwirtschaft bereits erste Schwächezeichen zeigt und sich die Rahmenbedingungen für ihr Erfolgsmodell durch die internationalen Bemühungen zu einer Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen verschlechtern, erscheint eine Wachstumsverlangsamung in Luxemburg eher wahrscheinlich.
Noch mehr Zweifel sind über die Annahmen der luxemburgischen Prognosen zur Produktivitätsentwicklung angebracht. Die Arbeitsproduktivität ist aktuell in Luxemburg deutlich höher als in seinen Nachbarländern, wozu vor allem der Finanzsektor mit seiner weit überdurchschnittlichen Produktivität beiträgt. Wenn dieser schwächelt, müssten andere Wirtschaftszweige dies durch eine überdurchschnittlich starke Steigerung ihrer Produktivität ausgleichen. Dazu wären eine international führende Position bei neuen Technologien wie KI oder Biotechnologien und forschungsintensive Unternehmen notwendig. Darüber verfügt Luxemburg derzeit jedoch nicht und es ist auch nicht absehbar, dass es bei ihnen in nächster Zeit eine international führende Position aufbauen kann. Daher ist es eher wahrscheinlich, dass die Produktivität in Luxemburg auch in den nächsten Jahren stagnieren oder sogar weiter sinken und sich dem europäischen Normalniveau angleichen wird. Allein schon ein Rückgang des Anteils der luxemburgischen Finanzwirtschaft am BIP, der sich schon seit einiger Zeit andeutet und in Teilen von Politik und Wirtschaft befürwortet würde, hätte eine deutlich produktivitätsmindernde Wirkung.
Schwaches Wirtschaftswachstum wird den Arbeitskräftebedarf und darüber auch Zuwanderungen und das Bevölkerungswachstum in Luxemburg begrenzen. In die entgegengesetzte Richtung wirkt eine stagnierende oder sinkende Produktivität, bei der Wachstum nur durch zusätzliche Arbeitskräfte realisiert werden kann, die aus dem grenznahen oder grenzfernen Ausland kommen müssten. Bei stagnierender oder gar sinkender Produktivität wird es allerdings auch schwieriger, den Vorsprung zum Ausland beim Lohnniveau aufrecht zu erhalten, so dass auch die Anreize für Arbeitskräfte aus dem Ausland zur Aufnahme einer Tätigkeit in Luxemburg vermindert würden.
Von den in Tabelle 1 dargestellten Szenarien dürfte daher Variante 3 von STATEC mit einem leicht höheren BIP-Wachstum in Relation zum Produktivitätsanstieg die größte Plausibilität besitzen, vielleicht mit der Einschränkung, dass sich die Produktivität noch schwächer entwickeln könnte. Danach würde die Bevölkerung bis 2050 auf 966.000 und die Beschäftigung auf 681.000 ansteigen. Davon würde mit 381.000 über die Hälfte aus dem Ausland einpendeln, das sind 153.000 oder 68 % mehr als bisher. Luxemburg wird nach diesem Szenario mit der höchsten Plausibilität also auch in den kommenden Jahren in erheblichem Umfang zusätzliche Grenzpendler/innen aus seinen Nachbarregionen anziehen. Bei einer schwächeren Produktivitätsentwicklung und höherem BIP-Wachstum könnte der Anstieg der Pendlerzahlen noch höher ausfallen. Der höchste Schätzwert für das Grenzpendeln mit einem Anstieg auf 503.000 bis 2050 entsteht in einem Szenario aus hohem Wirtschaftswachstum und niedrigem Produktivitätsanstieg.
In den Prognosemodellen aus Luxemburg wird jedoch nicht gefragt, ob sich in den Grenzregionen in Belgien, Frankreich und Deutschland in Zukunft überhaupt noch genügend Arbeitskräfte finden lassen, sondern dies wird einfach unterstellt. Viele Erwerbstätige in den Grenzregionen sind jedoch nicht an einer Beschäftigung in Luxemburg interessiert, unter anderem weil ihnen der Zeitaufwand für das Pendeln und der damit einhergehende Verlust an Lebensqualität zu hoch ist. Andere sind zum Beispiel wegen Unvereinbarkeit mit familiären Bedingungen daran gehindert. Man kann davon ausgehen, dass die derzeitigen Grenzpendelnden schon eine Auswahl der mobilsten und flexibelsten Arbeitskräfte der Grenzregionen darstellen. Eine weitere Steigerung ihrer Zahl steht davor vor höheren Hürden und wird nicht mehr so einfach zu realisieren sein wie bisher.57 Sollte es Luxemburg aufgrund dieser Restriktionen nicht gelingen, die gewünschte Personenzahl zu rekrutieren, würde das Wirtschaftswachstum in Luxemburg deutlich ab-gebremst werden.
Karte 2: Grenzgängerströme nach Luxemburg am 31.03.2023 nach Wohnort

Quelle: Geografisches Informationssystem der Großregion GIS-GR
Falls Luxemburg dagegen mit seinen Bemühungen zur Anwerbung zusätzlicher Grenzpendelnder in dem dargestellten Ausmaß erfolgreich sein sollte, hätte dies gravierende negative Folgen für die Nachbarregionen. Denn steigende Grenzpendlerzahlen bedeuten für sie im Gegenzug eine analoge Minderung ihrer verfügbaren Arbeitskräfte und eine entsprechende Anspannung auf ihren Arbeitsmärkten. Diese Folgen werden in der innerluxemburgischen Diskussion weitgehend ausgeblendet.
Legt man eine Entfernung von 80 Kilometern bis zur Stadt Luxemburg als maximale täglich Pendeldistanz zugrunde, dann erhält man einen Einzugsbereich des luxemburgischen Arbeitsmarkts mit einer Bevölkerungszahl von circa 2,25 Millionen (Karte 2), von denen nach Abzug der luxemburgischen Bevölkerung knapp 1,6 Millionen auf die Grenzregionen in den drei Nachbarländern entfallen.58 Hiervon sind etwa 750.000 erwerbstätig. Diese Zahl dürfte in den kommenden 25 Jahren aus demografischen Gründen auf unter 700.000 sinken. Die Zahl der Grenzpendelnden aus diesem engeren Arbeitsmarkteinzugsbereich Luxemburgs liegt derzeit bei 191.000,59 also bei mehr als einem Viertel ihrer Erwerbstätigen. Ein Anstieg auf 381.000 und eventuell noch mehr Grenzpendelnde nach Luxemburg, von denen 320.000 auf den engeren Einzugsbereich entfallen würden, hätte zur Folge, dass in einigen Jahren fast die Hälfte aller Erwerbspersonen in den Grenzregionen nach Luxemburg pendeln würde. Bei einem noch höheren Anstieg auf 503.000 Grenzpendelnde würde ihr Anteil auf über 60 % steigen.
Dies hätte unvermeidlich zur Folge, dass ganzen Wirtschaftszweigen in den Grenzregionen die Existenzgrundlage entzogen würde und große Teile der Daseinsvorsorge in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Handwerk, Verkehr, Energie und Einzelhandel aufgrund fehlenden Personals nur noch schwer aufrechtzuerhalten wären. Hiervon wären auch die Grenzpendelnden selbst betroffen, denn auch sie sind auf funktionierende öffentliche und private Dienstleistungen und auf ein leistungsfähiges Gemeinwesen in ihren Wohnorten angewiesen. Eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung wäre bei einem derartig starken Entzug qualifizierter Arbeitskräfte als wichtigster wirtschaftlicher Ressource nicht mehr möglich. Die Grenzregionen würden in eine fast vollständige wirtschaftliche Abhängigkeit von Luxemburg geraten.
Es ist bemerkenswert, dass diese Auswirkungen bei den Wachstums- und Bevölkerungsprognosen in Luxemburg nicht bedacht werden, aber auch in den Grenzregionen werden sie noch zu selten als Gefahr erkannt. Eine von der Internationalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle der Grenzregion (IBA-OIE) erstellte vergleichende Analyse der Fachkräftestrategien in der Großregion60 stellte zwar fest, dass das Grenzpendeln sowohl in Luxemburg als auch in ihren übrigen Teilen grundsätzlich berücksichtigt wird. Aber darin wird nicht erkannt, welch dramatische Folgen die Prognosen der Grenzpendlerzahlen, die den Planungen staatlicher Stellen in Luxemburg zugrunde liegen, für sie haben werden.61 Nur das in Lothingen ansässige Stadt- und Regionalforschungsinstitut AGAPE hat mit einer Modellrechnung die Auswirkungen der luxemburgischen Grenzpendlerprognosen auf den französischen Teil der Grenzregion quantitativ analysiert und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass Luxemburg dort spätestens ab 2035 nicht mehr seinen Arbeitskräftebedarf voll abdecken kann und bis 2060 die Lücke zwischen luxemburgischen Wünschen und französischen Möglichkeiten die Zahl von 55.000 erreichen wird.62 Die diesbezüglichen Planungen in Luxemburg und in dessen Nachbarregionen sind nicht kompatibel, dies wird bisher aber weder dort noch in Luxemburg hinreichend wahrgenommen und offen diskutiert.
Nicht nur die dargestellten Wachstums- und Bevölkerungsprognosen, sondern auch Strategiepapiere und Entwicklungskonzepte63 und zahlreiche politische Stellungnahmen zur wirtschaftlichen Zukunft Luxemburgs basieren auf der expliziten oder impliziten Annahme, dass sein auf einem starken Finanzsektor beruhendes Wirtschaftsmodell grundsätzlich weiter fortbestehen wird, wenn auch mit etwas abgeschwächter Dynamik. Ein möglicher Bedeutungsverlust wird nicht als Alternativszenario eingeplant. Auch der in den Prognosen ermittelte Bedarf an zusätzlichen Grenzpendler/innen wird nicht infrage gestellt und ihre unbeschränkte Verfügbarkeit wird nicht angezweifelt. Dies ist ein Risiko für Luxemburg selbst, denn bei einem Grenzpendleranteil von schon jetzt fast 50 % aller Beschäftigten ist das Land essenziell auf sie angewiesen und ein anhaltendes Wirtschaftswachstum ist bei stagnierender Produktivität ohne eine weitere Zunahme des Grenzpendelns nicht möglich. Man kommt nicht umhin, darin auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber den Nachbarn zu sehen, da keine Abstimmung bei diesem Thema mit ihnen erfolgt. Grenzpendeln wird als rein individuelle Entscheidung der betroffenen Personen betrachtet und seine Einbettung in das Gemeinwesen der Nachbarländer wird ausgeblendet. Die Grenzregionen sind für Luxemburg offenbar nicht viel mehr als Rekrutierungsgebiete für einen steigenden Arbeitskräftebedarf.
Staatliche Institutionen, Wissenschaft und Medien Luxemburgs betonen zwar immer wieder die Notwendigkeit einer engen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Grenzregionen, auch im Zusammenhang mit dem Grenzpendeln. Es gibt dazu auch konkrete Vorschläge, zum Beispiel vom Conseil Economique et Social, in dem die Sozialpartner vertreten sind.64 Diese beschränken sich jedoch weitgehend auf Maßnahmen, die das Grenzpendeln erleichtern sollen, insbesondere in den Bereichen Ausbildung und Verkehr, und damit im eigenen Interesse Luxemburgs liegen. Ambitioniertere Vorschläge, die zum Beispiel vom Think Tank IDEA entwickelt wurden,65 nehmen auch die Auswirkungen auf die Grenzregionen in den Blick und schlagen Maßnahmen vor, die auf eine partnerschaftliche Entwicklung der gesamten Region unter Einschluss der Grenzregionen abzielen und deren Bedürfnisse und Interessen einbeziehen. Der weitere Anstieg des Grenzpendelns wird jedoch in Luxemburg von niemandem grundsätzlich in Frage gestellt.
Damit ist die Frage nach den Auswirkungen des luxemburgischen Wirtschaftsmodells auf die Region Trier aufgeworfen.
7 – Die Folgen des Luxemburger Wirtschaftsbooms für die Region Trier
Die Analyse des luxemburgischen Wirtschaftsbooms liefert eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum die benachbarte Region Trier eine völlig andere Entwicklung durchlaufen hat und bis heute strukturschwach geblieben ist. Während Luxemburg als souveräner Staat seine Gesetze selbst beschließen und durch unternehmens- und steuerrechtliche Vorteile gezielt Unternehmen aus dem Ausland anwerben kann, besitzt die Region Trier diese „Souveränitätsnische“ nicht. Wirtschafts- und Steuerrecht sind bundeseinheitlich geregelt und werden an gesamtstaatlichen Interessen ausgerichtet, regionale Belange werden diesen untergeordnet. Da Deutschland an neun verschiedene Länder angrenzt, kann es seinen Rechtsrahmen nicht auf die besondere Wettbewerbssituation zu einem Nachbarland allein ausrichten. Das von Luxemburg etablierte Wirtschaftsmodell, das auch ein Abgreifen von Ressourcen der großen Nachbarn beinhaltet, ist zudem für ein großes Land wie Deutschland nicht machbar, weil es keinen noch größeren Nachbarn hat, an dem es dies anwenden könnte.
Der Boom in Luxemburg hat jedoch starke Auswirkungen auf die benachbarte Region Trier, die ihr neben positiven Effekten auch bedeutende Nachteile bringen. Auf der Positivseite stehen die durch das Grenzpendeln in die Region fließenden Einkommen. Negativ wirkt sich aus, dass die wirtschaftliche Dynamik durch das Grenzpendeln stark gehemmt und die finanzielle Handlungsfähigkeit vor allem der Kommunen durch niedrigere Steuereinnahmen geschwächt wird, verbunden mit der Gefahr, dass die Qualität von Infrastruktur und öffentlichen Gütern sinkt. In vieler Hinsicht stellt die Struktur- und Entwicklungsschwäche der Region Trier ein Spiegelbild zur wirtschaftlichen Dynamik Luxemburgs dar. Der Wirtschaftsboom in Luxemburg strahlt nicht auf die Region Trier aus, sondern schwächt ihre Wirtschaftskraft und lässt nur einen Teil ihrer Bewohner an seiner Prosperität partizipieren.
Ein Vergleich der wichtigsten sozioökonomischen Kennzahlen für die Jahre 1995 und 2023 bzw. 202266 verdeutlicht die sehr verhaltene Entwicklung der Region Trier im Vergleich zu dem explosionsartigen Wachstum in Luxemburg. Die Einwohnerzahl der Region Trier nahm zwischen diesen beiden Jahren nur sehr moderat um 7,2 % von 505.400 auf 541.700 zu, was aber ein noch stärkeres Wachstum als im Bundesdurchschnitt (+ 3,1 %) bedeutet. 1995 übertraf die Region Trier mit ihrer Einwohnerzahl Luxemburg noch um fast 100.000, inzwischen ist sie hierbei von Luxemburg überholt worden und liegt jetzt um gut 100.000 darunter. Dies spiegelt sich auch in der Bevölkerungsentwicklung der beiden größten Städte wider. Trier war lange Zeit die größere von beiden, heute zählt die Stadt Luxemburg rd. 20.000 Einwohner/innen mehr als Trier.
Tabelle 2: Sozioökonomische Kennzahlen für Luxemburg und die Region Trier, 1995 und 2022
Luxemburg | Region Trier | |||
1995 | 2022* | 1995 | 2022 | |
Fläche in km2 | 2.586 | 2.586 | 4.926 | 4.926 |
Bevölkerung | 408.600 | 660.800 | 505.375 | 541.700 |
davon ausländische Staatsbürger*innen | 136.850 | 313.400 | 24.600 | 84.900 |
Bevölkerungsdichte (Einwohner/km2) | 158 | 256 | 103 | 111 |
Einwohnerzahl der Hauptstadt | 76.400 | 128.500 | 99.400 | 111.400 |
Erwerbstätige (Inlandskonzept) | 203.200 | 501.400 | 216.600 | 258.700 |
davon: Einpendelnde aus dem Ausland | 56.800 | 223.800 | ||
Auspendelnde ins Ausland | 9.100 | 38.500 | ||
Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Mio. € | 15.200 | 77.500 | 9.500 | 18.500 |
Bruttonationaleinkommen (BNE) in Mio. € | 14.800 | 52.200 | n.v. | n.v. |
Verfügbares Einkommen der priv. Haushalte in Mio. € | 8.000 | 28.900 | 6.625 | 13.782 |
BIP je Einwohner in € | 37.300 | 118.700 | 18.900 | 34.100 |
BIP je Erwerbstätiger in € | 75.100 | 154.600 | 44.100 | 71.400 |
BNE je Einwohner in € | 36.300 | 80.000 | n.v. | n.v. |
Verfügbares Einkommen der priv. Haushalte je Einwohner in € | 19.600 | 43.700 | 13.109 | 26.800 |
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in in € | 37.700** | 70.600 | 22.400** | 33.400 |
Quellen: STATEC Statistiques.lu; Banque Centrale du Luxembourg; Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen.
* Die Daten beziehen sich aus Gründen der Konsistenz auf die Jahre 2022, da insbesondere für die Region Trier keine aktuelleren Angaben vorliegen.
** Daten für 2000, da für die Region Trier keine älteren Daten verfügbar sind.
Bei fast allen ökonomischen Indikatoren hat Luxemburg seinen ohnehin schon bestehenden Vorsprung vor der Region Trier in den letzten 30 Jahren vergrößern können. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner/in war in Luxemburg 1995 etwa doppelt so hoch wie in der Region Trier, jetzt beträgt es das Dreifache. Die Arbeitsproduktivität (BIP pro Erwerbstätiger) war 1995 in Luxemburg um zwei Drittel höher als in der Region Trier, jetzt übertrifft Luxemburg die Region Trier hierbei um mehr als das Doppelte. Im Unterschied zu Luxemburg blieb die Wirtschaftsstruktur in der Region Trier jedoch weitgehend unverändert. Nur die Industrie ist in der Region Trier stärker gewachsen als in Luxemburg, sie hat ihren Anteil an der Bruttowertschöpfung (21,4 % in 2022) und an den Beschäftigten (18,6 %) halten können. Inzwischen ist die Industrie in der Region Trier nicht nur anteilmäßig, sondern auch in absoluten Werten deutlich größer als die Luxemburger Industrie. Neue Wirtschaftszweige, die das Wachstum hätten ankurbeln können, sind in der Region Trier jedoch nicht entstanden, auch nicht im Dienstleistungssektor, dessen Anteile sich kaum verändert haben.
Das Wirtschaftswachstum im Nachbarland bringt der Region Trier kaum zusätzliche Nachfrageimpulse durch Lieferverflechtungen, sondern macht sich fast ausschließlich durch stark steigende Grenzpendlerzahlen bemerkbar. Auf dem Gütermarkt ist die Region Trier offensichtlich weitgehend uninteressant für Luxemburg, denn sonst wäre ihr BIP in gewissem Umfang mit dem luxemburgischen mitgewachsen. Beim BIP-Wachstum blieb die Region Trier sogar hinter dem Bundesdurchschnitt zurück.
Tabelle 3: Zahl der Grenzpendelnden aus den Städten, Kreisen und Verbandsgemeinden der Region Trier nach Luxemburg 2023 und Anteil an ihrer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (18-65 Jahre) in %
Zahl der Grenzpendelnden | Anteil an der Be-völkerung 18-65 | |
Region Trier insgesamt | 38.488 | 11,4 |
VG Konz (Kreis Trier-Saarburg) VG Saarburg-Kell (Kreis Trier-Saarburg) VG Trier-Land (Kreis Trier-Saarburg) VG Südeifel (Eifelkreis Bitburg-Prüm) VG Arzfeld (Eifelkreis Birburg-Prüm ) Alle unmittelbar an LUX angrenzende Verbandsgemeinden | 4.721 4.531 3.292 4.083 1.310 17.937 | 23,8 21,5 24,0 32,3 22,1 24,5 |
Trier, Stadt (TR) Nicht an LUX angrenzende VG’en Eifelkreis Bitburg-Prüm Nicht an LUX angrenzende VG’en Kreis Trier Saarburg Alle nicht unmittelbar an LUX angrenzende Verbands-gemeinden der Kreise BIT und TR-SAB sowie Stadt TR | 8.931 5.393 4.003 18.327 | 11,9 12,0 10,2 11,5 |
Grenzferne Kreise WIL und DAU | 2.224 | 2,1 |
Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank Deutschland – Auspendelnde nach Wirtschaftsbereichen und Geschlecht – Jahr – regionale Tiefe: Gemeinden bzw. Gemeindeverbände (19321-Z-11); eigene Berechnungen.
Die große arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Region Trier für Luxemburg kommt in der hohen und in letzter Zeit stark gestiegenen Zahl der Grenzpendler/innen zum Ausdruck. Sie vervierfachte sich von 9.100 im Jahr 1995 auf 38.500 im Jahr 2023 (Tabelle 3). Damit kommt jeder sechste Grenzpendelnde nach Luxemburg aus der Region Trier. Fast die Hälfte von ihnen (17.900) wohnt in einer der unmittelbar an Luxemburg angrenzenden Verbandsgemeinden an Obermosel, Sauer und Our (Konz, Saarburg-Kell, Trier-Land, Südeifel, Arzfeld). Dort hat rund ein Viertel aller Einwohner/innen im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 65 Jahren einen Arbeitsplatz in Luxemburg, in der Verbandsgemeinde Südeifel ist es sogar ein Drittel. Mit zunehmender Entfernung zur Grenze nimmt das Pendeln nach Luxemburg deutlich ab. In den übrigen Städten und Gemeinden des Eifelkreises Bitburg-Prüm, des Kreises Trier-Saarburg und der Stadt Trier, die nicht unmittelbar an Luxemburg angrenzen, ist der Anteil der Grenzpendelnden an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren mit 11,5 % nur noch halb so hoch wie in den unmittelbaren Grenzgemeinden. Aus den beiden anderen Kreisen der Region (Bernkastel-Wittlich, Vulkaneifel), die nicht unmittelbar an Luxemburg angrenzen, pendeln nur noch wenige Erwerbstätige dorthin. Hier liegt ihr Anteil bei lediglich 2,1 %. Im Durchschnitt der gesamten Region Trier arbeiten 11,4 % aller Einwohner/innen zwischen 18 und 65 in Luxemburg, bezogen auf die Summe der Erwerbstätigen in der Region sind es 13 %.
In diesen Zahlen sind auch Personen enthalten, die von außerhalb der Region stammen und wegen eines Arbeitsplatzes in Luxemburg nach Trier und Umgebung gezogen sind. Oft haben sie in Luxemburg keine passende Wohnung gefunden oder wollen aus familiären oder sprachlichen Gründen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland beibehalten. Wie groß diese Gruppe ist, ist jedoch nicht bekannt. Für die ökonomische Bewertung hat dies nur untergeordnete große Bedeutung. Die Zahl der Grenzpendelnden in die Gegenrichtung, also aus Luxemburg nach Deutschland beziehungsweise in die Region Trier, ist mit nur 180 so gering, dass diese im Weiteren vernachlässigt werden können.
In den vergangenen 30 Jahren nahm die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 65 Jahren in Deutschland stark zu, in der Region Trier noch mehr als im Bundesdurchschnitt. Dort stieg sie zwischen 1995 und 2023 um 6,3 % von 317.000 auf 337.000. Auch die Erwerbsquote als Anteil der Erwerbstätigen an allen Personen im erwerbsfähigen Alter hat weiter zugenommen (von 68 auf 88 %), vor allem weil mehr Frauen erwerbstätig wurden und weil das durchschnittliche Renteneintrittsalter anstieg. Die Zahl der Erwerbstätigen aus der Region Trier nahm demnach seit 1995 um mehr als 71.000 zu, das ist ein Anstieg um fast ein Drittel. Hiervon haben 29.000 eine Tätigkeit als Grenzpendler/in nach Luxemburg aufgenommen, während 42.000 innerhalb der Region Trier Arbeit gefunden haben. Der starke Anstieg der Erwerbspersonenzahl machte es möglich, dass die Region Trier die Zunahme des Grenzpendelns in den vergangenen Jahren gut verkraften konnte und dass es nicht zu einer Verknappung der Arbeitskräfte und zu einer Konkurrenzsituation mit Luxemburg gekommen ist.
Tabelle 4: Erwerbstätige und Grenzpendelnde in der Region Trier 1995 und 2023
1995 | 2023 | Veränderung in % | |
Einwohner/innen im erwerbsfähigen Alter (18-65) | 317.300 | 337.300 | + 6,3 |
In der Region Trier beschäftigte Erwerbstätige | 216.600 | 258.600 | + 19,4 |
Grenzpendelnde nach Luxemburg | 9.100 | 38.500 | +323,1 |
In der Region Trier und Luxemburg beschäftigte Erwerbstätige mit Wohnort in der Region Trier | 225.700 | 297.100 | +31,6 |
Quelle: Regionaldatenbank der Statistischen Ämter von Bund und Länder und eigene Berechnungen.
Dies hat sich auch auf die Arbeitslosenquote in der Region Trier ausgewirkt, die 2023 bei 4,2 % und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, aber auch unter dem luxemburgischen Niveau lag. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm und im Kreis Trier-Saarburg war sie mit 2,8 bzw. 3.1 % noch niedriger.67 Die Sogwirkung Luxemburgs hat also wesentlich zu der günstigen Arbeitsmarktlage in der Region Trier beigetragen. Daraus muss jedoch nicht zwingend geschlossen werden, dass ihre Arbeitslosigkeit wesentlich höher ausgefallen wäre, wenn Luxemburg nicht einen großen Teil der zusätzlichen Erwerbstätigen aufgenommen hätte. Denn die hoch entlohnten Jobangebote aus Luxemburg haben Investoren davon abgehalten, in der Region Trier zu investieren. Ohne die Arbeitskräftenachfrage aus Luxemburg hätten wahrscheinlich mehr Unternehmen in der Region Trier Arbeitsplätze neu geschaffen und erhalten, so dass viele Grenzpendelnde auch dort einen, allerdings schlechter bezahlten Job gefunden hätten.
Wegen der demografischen Entwicklung wird sich der Arbeitsmarkt in der Region Trier in nächster Zeit stark verändern, und zwar in Richtung einer deutlichen Verknappung der Erwerbstätigen. Die Bevölkerungsprognosen bis 2050 gehen davon aus, dass die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Deutschland abnehmen wird, und zwar umso stärker, je geringer die Zuwanderung aus dem Ausland sein wird. Außerdem gibt es nur noch wenig Spielraum zu einem weiteren Anstieg der Erwerbsbeteiligung. Diese Entwicklung zeichnet sich auch in der Region Trier ab. Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamts von Rheinland-Pfalz ist unter Annahme einer moderaten Zuwanderung mit einem Rückgang der Bevölkerung in der Altersgruppe 20-65 in der Region Trier um 30.000 bzw. 9,2 % zwischen 2020 und 2050 zu rechnen.68
Dieser Rückgang muss im Zusammenhang mit dem von Luxemburg prognostizierten Anstieg der Grenzpendlerzahlen bewertet werden. Eine Zunahme der Zahl der Grenzpendler/innen nach Luxemburg bis 2050 auf 381.000 würde bei einem gleichbleibenden Anteil der Region Trier bedeuten, dass dann 65.000 Erwerbstätige aus der Region Trier nach Luxemburg pendeln, von denen 60.000 auf die Stadt Trier und die Kreise Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm entfallen. Da aus den französischen Grenzgebieten schon jetzt ein höherer Anteil der Erwerbstätigen nach Luxemburg pendelt und die belgischen Grenzgebiete sehr dünn besiedelt sind, was deren Spielraum zu einem weiteren Anstieg einschränkt, könnte der Zuwachs aus der Region Trier überproportional hoch ausfallen. Die Zahl der Grenzpendelnden könnte dann auf 70.000 und mehr ansteigen, das wären gut 30.000 mehr als jetzt und liefe fast auf eine Verdopplung hinaus. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Szenario mit einer noch höheren Gesamtzunahme des Grenzpendelns nach Luxemburg eintreten sollte.
Addiert man den Rückgang der Erwerbspersonen aufgrund der demografischen Entwicklung um 30.000 zu dem von Luxemburg prognostizierten Anstieg des Grenzpendelns um 30.000 bis 40.000 hinzu, müsste die Region Trier einen Verlust von über 60.000 Erwerbstätigen verkraften, das ist etwa ein Viertel der jetzigen Beschäftigten. Im Jahr 2050 würden dann nur noch etwa 190.000 bis 200.000 Erwerbstätige für eine Beschäftigung in der Region Trier zur Verfügung stehen, in den beiden grenznahen Kreisen und der Stadt Trier nur noch ca. 120.000. Ein derart starkes Wachstum der Grenzpendlerzahlen gemäß den Prognosen aus Luxemburg würde zu dramatischen Arbeitsmarktengpässen in der Region Trier führen und sie vor eine kaum lösbare Herausforderung stellen.69 Wegen des höheren Lohnniveaus hat Luxemburg in der Konkurrenz um die knappen Arbeitskräfte die eindeutig besseren Karten, so dass die Region Trier das Nachsehen hätte und in großem Umfang nicht besetzte Stellen hinnehmen müsste.
Treffen würde es vor allem die unmittelbar an der Grenze liegenden Verbandsgemeinden, aus denen nach der moderaten Prognosevariante aus Luxemburg künftig rund 40 % aller verfügbaren Erwerbstätigen nach Luxemburg pendeln werden, nach der Maximalvariante sogar über die Hälfte. In der Stadt Trier und den etwas weiter von der Grenze entfernt gelegenen Gemeinden wird ihr Anteil auf 20 bis 30 % steigen. Der ohnehin schon bestehende Fachkräftemangel würde unter diesen Umständen in Trier und seinem Umland dramatische Ausmaße annehmen und dazu führen, dass große Teile der lokalen Daseinsvorsorge, etwa im Handwerk, Bau, Handel, ÖPNV, Bildung und Gesundheits- und Sozialwesen und in sonstigen Nahabsatzbereichen in ihrem Bestand gefährdet würden. Der Region Trier würde eine eigenständige regionale Wirtschaftsentwicklung unmöglich gemacht werden, sie würde vollständig in die wirtschaftliche Abhängigkeit von Luxemburg geraten. Während das Grenzpendeln bisher durch Aufteilung eines wachsenden Erwerbspersonenpotenzials noch eine Win-Win-Situation zwischen Luxemburg und der Region Trier darstellte, ist in Zukunft eine scharfe Konkurrenz mit Verdrängungseffekten zu erwarten.
8 – Hohe Einkommensströme aus Luxemburg, aber geschwächte Trierer Wirtschaftskraft
Der größte Vorteil des Grenzpendelns für die Region Trier besteht in den hohen Einkommenszuflüssen aus Luxemburg. Diese lassen sich zwar nicht direkt messen, es ist aber möglich, sie über die Lohn- und Gehaltszahlungen aus Luxemburg ins Ausland und über den Anteil der Region an allen Grenzpendler/innen nach Luxemburg abzuschätzen. Nach den aktuellsten Daten aus 2022 beliefen sich die von luxemburgischen Arbeitgebern gezahlten Entgelte an ihre im Ausland lebenden Beschäftigten auf 15,2 Mrd. Euro.70 Nach Abzug der hierin enthaltenen Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen von 1,9 Mrd. Euro verbleiben Bruttolohn- und Gehaltszahlungen von 13,3 Mrd. Euro. 17 % aller Einpendelnden nach Luxemburg wohnen in der Region Trier. Die deutschen Arbeitnehmer/innen in Luxemburg verdienen ebenso wie die belgischen mehr als die französischen, so dass ihr Anteil an den ins Ausland gezahlten Bruttolöhnen und -gehältern höher ausfällt und bei 19 % liegt. Dies ergibt einen Zufluss an Bruttolöhnen und -gehältern aus Luxemburg in die Region Trier von 2,5 Mrd. Euro im Jahr.
Hiervon verbleiben die Steuern und Sozialabgaben in Luxemburg. Die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sind niedriger als in Deutschland und belaufen sich auf 12,5 %. Ihnen stehen Leistungsansprüche gegenüber, die jedoch nicht genau quantifizierbar sind und größtenteils erst in späteren Jahren eintreten. Insbesondere aufgrund großzügiger steuerlicher Abzugsmöglichkeiten71 ist auch die effektive Einkommensbesteuerung in Luxemburg trotz vergleichbar hoher Steuersätze niedriger als in Deutschland. Bei einem durchschnittlichen Bruttolohn einer Grenzpendler/in aus Deutschland kann man von einer Gesamtbelastung mit Steuern und Sozialabgaben von etwa 25 % ausgehen. Unter der Annahme, dass dies der durchschnittliche Abgabensatz auf die Löhne und Gehälter der deutschen Grenzpendelnden in Luxemburg ist, verbleiben Nettolohn- und -gehaltszahlungen an die Grenzpendelnden aus der Region in Höhe von 1,875 Mrd. Euro. Hiervon entfallen 805 Mio. Euro auf den Kreis Trier-Saarburg, 435 Mio. Euro auf die Stadt Trier, 525 Mio. Euro auf den Eifelkreis Bitburg-Prüm und 110 Mio. Euro auf die beiden anderen Kreise der Region. Sie stärken dort unmittelbar die private Kaufkraft. Hierin sind die aus Luxemburg bezogenen Leistungen der Rentenversicherung und sonstige finanzielle Sozialleistungen an die Grenzpendler/innen bzw. die ehemals in Luxemburg beschäftigten Rentner/innen, die allerdings nur schwer zu quantifizieren sind, noch nicht enthalten.
Die privaten Haushalte in der Region Trier erzielten 2023 Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 13,8 Mrd. Euro aus Arbeitnehmertätigkeit, Selbständigkeit, Vermögen und Sozialtransfers aus öffentlichen Kassen.72 Die geschätzten Nettoeinkommen aus Grenzpendeltätigkeit in Luxemburg in Höhe von 1,875 Mrd. Euro machen einen Anteil von 14 % hieran aus. Im Kreis Trier-Saarburg und im Eifelkreis Bitburg-Prüm stammen 20 % der Haushaltsnettoeinkommen aus einer Beschäftigung in Luxemburg, in der Stadt Trier sind es 16 % und in den übrigen Kreisen 2,5 %. Vor allem in den grenznahen Gemeinden stärken die Einkommen der Grenzpendelnden aus Luxemburg die private Kaufkraft also erheblich. Der größte Teil davon wird am Wohnort und im Oberzentrum Trier ausgeben. Hiervon profitieren der Einzelhandel, Dienstleistungs- und Handwerksunternehmen in der Region.
Diese Zahlen fallen etwas höher aus als eine Modellrechnung, die das Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Trier im Rahmen eines Interreg-Projekts über die Arbeitsmarkteffekte des Grenzpendelns aus Trier nach Luxemburg mit Daten aus dem Jahr 2014 durchgeführt hatte, sind aber mit ihr kompatibel. Diese gelangte zu einem Einkommenseffekt in Höhe von 160 bis 273 Mio. Euro für die Stadt Trier und von 233 bis 393 Mio. Euro für den Kreis Trier-Saarburg.73 Die Differenz erklärt sich durch den Analysezeitpunkt dieser Studie (2014), zu dem die Zahl der Grenzpendelnden und deren Ein-kommen noch deutlich niedriger waren, und durch Abzüge eines hypothetischen Einkommens, das Grenzpendelnde in der Region Trier alternativ erzielen würden, wenn sie nicht in Luxemburg arbeiten könnten.
Abbildung 11: Verhältnis zwischen Luxemburg und der Region Trier beim BIP und verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte pro Einwohner/in und den Bruttolöhnen und -gehältern pro Arbeitnehmer/in in %

Quellen: STATEC Statistiques.lu. Main Aggregates: three approaches (current prices) (in millions EUR), Wages and salaries by activity (NaceR2) (in millions EUR); Banque Centrale du Luxembourg, Statistical tables 05-06 – Luxembourg non-financial accounts – time series by sector; Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder: Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1992 und 1994 bis 2022, Reihe 2, Kreisergebnisse Band 1; Arbeitnehmerentgelt, Bruttolöhne und -gehälter in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 2000 bis 2021, Reihe 2, Kreisergebnisse Band 2; Einkommen der privaten Haushalte in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1995 bis 2021, Reihe 2, Kreisergebnisse Band 3; eigene Berechnungen.
Die Einkommensströme aus Luxemburg leisten jedoch nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Verringerung des Einkommensabstands zwischen Luxemburg und der Region Trier. Pro Einwohner/in lag das verfügbare Einkommen 2022 in der Region Trier inklusive Einkommenszahlungen aus Luxemburg bei 26.800 Euro. In Luxemburg betrug es 43.700 Euro (siehe Tabelle 1) und übertraf damit die Region Trier um 63 %. Wie Abbildung 11 zeigt, ist diese Relation (rote Kurve) seit ca. 25 Jahren relativ stabil. Bei den Haushaltseinkommen ist der Abstand auch nicht so groß wie beim BIP pro Einwohner, das die Wirtschaftskraft misst und in Luxemburg mehr als dreimal so hoch ist wie in der Region Trier, und auch nicht so groß wie beim Lohn- und Gehaltsniveau, das in Luxemburg etwa doppelt so hoch ist wie in der Region Trier.
Der luxemburgische Wirtschaftsboom diffundiert nur stark eingeschränkt und punktuell über die Staatsgrenze hinweg in die Grenzregionen. Er begünstigt nur einen Teil ihrer Bevölkerung und trägt zu einer wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit bei. Gutverdienende Grenzpendler/innen leben Seite an Seite mit Nachbarn, die sich mit dem niedrigeren Lohn- und Gehaltsniveau der Region Trier begnügen müssen. Dies macht sich besonders auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar, wo die Grenzpendelnden aufgrund ihrer höheren Zahlungsfähigkeit die besseren Chancen im Wettbewerb um die attraktivsten Wohnungen und Grundstücke besitzen. In den grenznahen Gemeinden der Region Trier hat dies in den vergangenen Jahren zu einem im Vergleich zum Bundesdurchschnitt überproportional starken Anstieg der Mieten und der Grundstückspreise geführt.
Dies lässt sich mit den durchschnittlichen Kaufwerten für Bauland belegen, die die Statistischen Ämter von Bund und Ländern jährlich veröffentlichen. Die Grundstückspreise haben in den letzten Jahren generell stark angezogen, in der Region Trier fiel der Preisanstieg für einen Quadratmeter Bauland jedoch weit stärker aus als im Bundesdurchschnitt. 1995 lagen die Grundstückspreise in der dünn besiedelten Region Trier mit durchschnittlich 14 Euro pro Quadratmeter Bauland (über alle Nutzungszwecke hinweg) noch bei 40 % des Bundesdurchschnitts. Bis 2023 waren sie mit 76 Euro auf 60 % angestiegen. Besonders stark fiel der Anstieg der Grundstückspreise in der Stadt Trier aus, dort nahmen sie in den letzten 30 Jahren doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt zu. Im Kreis Trier-Saarburg war der Zuwachs um die Hälfte höher. Die Nähe zu Luxemburg und die steigende Zahl gutverdienender Grenzpendler/innen hat dort einen überproportionalen Anstieg der Bodenpreise bewirkt, der auch auf die Mieten durchgeschlagen ist.74 Dies ist ein „Luxemburg-Effekt“, was daran zu erkennen ist, dass die Bodenpreise in den grenzfernen Kreisen Bernkastel-Wittlich und Vulkaneifel im Gegensatz zu den grenznahen Kreisen nur unwesentlich stärker angestiegen sind als im übrigen Bundesgebiet (von 34 % des Bundesdurchschnitts im Jahr 1995 und 37 % im Jahr 2023). Dort wohnen zu wenig Grenzpendelnde, um mit ihren hohen Einkommen die Bodenpreise nach oben treiben zu können.
Negativ betroffen sind hiervon die Bewohnerinnen der grenznahen Gebiete, die keine hohen Einkommen aus Luxemburg beziehen, aber die gleichen überproportional starken Steigerungen der Bodenpreise und Mieten hinnehmen müssen. Sie sind die Verliererinnen dieses Wettbewerbs. Da die Grenzpendelnden überdies in Deutschland nicht besteuert werden und die Wohngemeinden demnach von ihnen keine Steuereinnahmen zur Finanzierung der Infrastruktur erhalten, liegt hierin sozialer Sprengstoff. Mittelbare Profiteure der Grundstückspreisentwicklung sind allerdings auch die Grund- und Wohnungseigentümer/innen der grenznahen Gemeinden, die höhere Mieten und höhere Erlöse aus Grundstücksverkäufen erzielen können.
Während die Einkommen der privaten Haushalte in der Region Trier durch das Grenzpendeln nach Luxemburg gestärkt werden, leidet ihre Wirtschaftskraft. Beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ist die Region Trier in den vergangenen 30 Jahren nicht nur hinter Luxemburg, sondern auch hinter der im Vergleich dazu ohnehin schon verhaltenen Entwicklung im übrigen Bundesgebiet zurückgeblieben (Abbildung 12). Zwischen 1995 und 2022 wuchs die Wirtschaft der Region insgesamt um 33,3 %, das sind im Jahresdurchschnitt 1,2 %. Im gesamten Bundesgebiet ist das Bruttoinlandsprodukt über diesen Zeitraum hinweg dagegen real um 40,7 % und im Jahresdurchschnitt um 1,5 % gewachsen. Das Wachstum war damit im Durchschnitt der vergangenen knapp 30 Jahre 0,3 % niedriger als im übrigen Bundesgebiet und es ist über diesen Zeitraum hinweg in der Region Trier ein kumulierter Rückstand von 7,4 % entstanden.
Abbildung 12: Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in der Region Trier und Deutschland insgesamt 1995-2022, Index 1995=100

Quellen: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder: Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1992 und 1994 bis 2022, Reihe 2, Kreisergebnisse Band 1; eigene Berechnungen
In Abbildung 12 sind zusätzlich die Wachstumsraten für die grenznahen Kreise Trier-Saarburg, Bitburg-Prüm die die kreisfreie Stadt Trier (gestrichelte Linie) und die grenz-fernen Kreise Bernkastel-Wittlich und Vulkaneifel (gepunktete Linie) separat dargestellt. Während die Wirtschaft in den grenzfernen Kreisen, in denen nur wenige Grenzpendler wohnen, fast im Gleichschritt mit dem Bundesgebiet wuchs, war der Rückstand in den grenznahen Teilen der Region zur Entwicklung im übrigen Bundesgebiet noch größer als im regionalen Durchschnitt. Zwischen 1995 und 2022 belief sich das Wachstum dort nur auf 31,0 % über den gesamten Zeitraum bzw. 1,1 % im Jahresdurchschnitt. Damit vergrößerte sich ihr Rückstand zum Bund um fast 10 %. Der größte Teil davon ist erst in den letzten 10 bis 15 Jahren entstanden, die Wachstumsabschwächung in den grenznahen Teilen der Region hat sich im zeitlichen Verlauf also erheblich beschleunigt. Die sehr unterschiedliche Entwicklung zwischen den grenznahen und grenzfernen Kreis ist ein starkes Indiz für die wachstumshemmende Wirkung des Grenzpendelns in den Städten und Gemeinden entlang der Grenze zu Luxemburg. Die Grenzpendelnden, von denen sehr viele gut ausgebildet sind, erhöhen das luxemburgische Bruttoinlandsprodukt und tragen nicht (mehr) zur Wertschöpfung in ihrer heimischen Region bei.
Abbildung 13: Bruttoinlandsprodukt (BIP) und verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner/in in % des Bundes, 1995-2022

Quellen: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder: Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1992 und 1994 bis 2022, Reihe 2, Kreisergebnisse Band 1; Einkommen der privaten Haushalte in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1995 bis 2021, Reihe 2, Kreisergebnisse Band 3; eigene Berechnungen.
Durch die sehr unterschiedliche Entwicklung bei den Einkommen und dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ist es zu einer starken Spreizung zwischen dem durchschnittlichen materiellen Wohlstand und der Wirtschaftskraft in der Region Trier gekommen. Abbildung 13 zeigt die Position der Region Trier in Relation zum Bundesdurchschnitt bei den verfügbaren Nettoeinkommen pro Einwohner/in einerseits und dem Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner/in andererseits. Bei den verfügbaren Einkommen und damit beim privaten materiellen Wohlstand konnte die strukturschwache Region Trier ihren einstmaligen Rückstand zum übrigen Bundesgebiet dank der Einkommenszuflüsse aus Luxemburg fast vollständig beseitigen (wenn auch der Rückstand zu Luxemburg immer noch groß ist). 1995 lagen die Haushaltsnettoeinkommen der Region noch bei 91 % des Bundesdurchschnitts, 2023 waren sie auf 98 % herangerückt. 2009 hatte die Region Trier den Bundesdurchschnitt bereits mit 104 % übertroffen, musste zwischenzeitlich aber einen leichten Rückgang hinnehmen und nähert sich dem Bundesdurchschnitt seit 2015 wieder an. Diese Verbesserung kam jedoch allein den Grenzpendelnden und ihren Familien zugute, die in der Region Beschäftigten und die Bezieher/innen von Sozialtransfers und Kapitaleinkommen haben daran nicht partizipiert.
Bei der Wirtschaftskraft fällt die Region Trier hingegen, wie schon Abbildung 12 gezeigt hat, seit vielen Jahren kontinuierlich zurück. 1995 lag sie noch bei 82 % des Bundesdurchschnitts, bis 2022 war sie auf 74 % abgesunken. Auch in Abbildung 13 ist die unterschiedliche Entwicklung zwischen den grenznahen und grenzfernen Teilen der Region ersichtlich. Der Rückgang ist auf die unmittelbar an Luxemburg angrenzenden Kreise, Städte und Gemeinden beschränkt. Hier ging das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner/in von 84 % des Bundesdurchschnitts im Jahr 1995 auf 72 % im Jahr 2022 zurück. In den beiden grenzfernen Teilen mit nur wenigen Grenzpendelnden ist diese Relation mit 77 % stabil geblieben.
Das vor allem entlang der Grenze zu Luxemburg feststellbare unterdurchschnittliche Wachstum der vergangenen Jahre steht in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem starken Anstieg des Grenzpendelns. Die zusätzlichen 30.000 Grenzpendelnden aus der Region Trier ins Nachbarland seit 1995, die rund 10 % aller Erwerbstätigen der Region ausmachen, fehlen dem Trierer Arbeitsmarkt und den Unternehmen. Diese ziehen sich mehr und mehr aus der Region zurück und unterlassen Investitionen. Zwar stieg der durchschnittliche private Wohlstand in der Region Trier durch die gut bezahlten Jobs im nahen Luxemburg, gleichzeitig wird ihr aber ein erheblicher Teil ihrer ökonomischen Ressourcen entzogen und die endogene Wirtschaftskraft wird hierdurch nachhaltig geschwächt. In der Region Trier werden weniger Güter hergestellt und weniger Dienstleistungen erbracht als mit ihrem Arbeitskräftepotenzial möglich wäre. Da die Region Trier fast Vollbeschäftigung aufweist, unterscheidet sich ihre Situation von den französischen Grenzgebieten, wo in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche industrielle Arbeitsplätze verloren gingen und die Arbeitskräftenachfrage aus Luxemburg auf deutliche Unterbeschäftigung trifft.
Die geschwächte Wirtschaftskraft könnte sich als fatal erweisen, wenn sich die Arbeitsnachfrage aus Luxemburg einmal abschwächen sollte. Die Region Trier hat keinen Einfluss auf das luxemburgische Wirtschaftsmodell, sondern muss dieses als gegeben hinnehmen. Sollte dieses scheitern oder sich seine Dynamik spürbar abschwächen und damit auch der Bedarf an Grenzpendelnden zurückgehen, wäre die Region Trier schlecht vorbereitet. Denn einmal weggefallene Arbeitsplätze oder unterlassene Investitionen lassen sich aufgrund der pfadabhängigen Entwicklung nicht leicht wieder herstellen oder nachholen. Die Region Trier würde sich dann in einer Sackgasse befinden, aus der es keinen einfachen Ausweg gibt. In Studien, die nur den statischen Einkommenseffekt des Grenzpendelns betrachten, werden diese Folgewirkungen auf die wirtschaftliche Dynamik oft übersehen.75
Die Stadt Trier leidet unter dieser Entwicklung besonders stark, auch wenn der überwiegende Teil der Grenzpendelnden in ihrem Umland wohnt. Das Bruttoinlandsprodukt ist in der Stadt Trier zwischen 1995 und 2002 nur um 12 % gewachsen, im Jahresdurchschnitt war dies eine Wachstumsrate von nur 0,4 %. Zugleich ist ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt der gesamten Region von 35 auf 28 % gesunken. Während die Stadt Luxemburg zusammen mit wenigen Umlandgemeinden die wirtschaftliche Dynamik des Landes trägt und trotz ihrer relativ geringen Einwohnerzahl als europäische Metropole Anerkennung findet, wird Trier als Oberzentrum der Region zunehmend geschwächt. Zwar ist eine Tendenz zur Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten aus den Kernstädten in ihr Umland in vielen Regionen festzustellen, in Trier ist diese Entwicklung jedoch besonders stark ausgeprägt. Die Stadt Trier gerät mehr und mehr in den Sog der dynamischeren Nachbarstadt Luxemburg und droht ihre oberzentrale Funktion zu verlieren. Während es für die Gemeinden an der Obermosel oder der Sauer keinen großen Unterschied bedeutet, wenn Luxemburg zu ihrem Wirtschafts- und Arbeitsmarktzentrum wird und Trier den Rang abläuft, so hat dies doch gravierende nachteilige Folgen für die Stadt Trier selbst und mittelbar für die Region insgesamt.
Abbildung 14: Gewerbeanmeldungen pro 1000 Einwohner/innen in Deutschland, den grenznahen und den grenzfernen Kreisen der Region Trier, 1998-2023

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank Deutschland – 52311 Gewerbeanzeigenstatistik; eigene Berechnungen
Die hemmende Wirkung des luxemburgischen Finanzbooms auf die wirtschaftliche Dynamik der Region Trier lässt sich auch an unterdurchschnittlichen Gewerbeanmeldungen ablesen. Abbildung 14 zeigt, dass in der Region Trier pro Kopf weniger Unternehmen neu gegründet werden als im Bundesdurchschnitt und dass dieser Effekt wiederum in den grenznahen Gebieten von Trier und Umgebung stärker ausgeprägt ist als in den bei-den grenzfernen Kreisen Bernkastel-Wittlich und Vulkaneifel. Die Neugründung von Unternehmen ist seit 2004 in ganz Deutschland rückläufig (von über 11 pro 1000 Einwohner/in um ca. 2004 auf jetzt nur noch knapp über 8). In den an Luxemburg angrenzenden Gebieten war der Rückgang von ca. 9 auf nur noch 6 bis 7 Gründungen pro 1000 Einwohner/innen besonders stark. Lukrative Jobangebote in der luxemburgischen Finanzwirtschaft und den mit ihr verflochtenen Dienstleistungsbranchen halten vor allem die dynamischsten und qualifiziertesten Arbeitskräfte von der Gründung eines eigenen Unternehmens ab. Dies schwächt ebenfalls die wirtschaftliche Dynamik der Region und erschwert das Entstehen neuer Wirtschaftszweige.
Lange Zeit profitierte der Trierer Einzelhandel von Verbraucherinnen und Verbrauchern aus Luxemburg, die es wegen des breiten Angebots und günstiger Preise dorthin zum Wochenend-Shopping zog. Die Stadt Trier und die Region insgesamt fielen dadurch in den Einzelhandelsstatistiken mit weit überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Umsätzen in Relation zu ihren verfügbaren Einkommen auf. Dies ist durch den hohen Umsatzanteil regionsexterner, insbesondere luxemburgischer Kundinnen und Kunden leicht zu erklären. Diese einstmals starke Position im Einzelhandel hat die Region Trier jedoch weitgehend eingebüßt. Die amtliche Statistik liefert seit einiger Zeit nur noch sehr eingeschränkt regionale Daten zum Einzelhandel. Aus ihnen lässt sich dennoch eine geschwundene Bedeutung Triers als Einzelhandelsstandort für Luxemburg ablesen. 2014 übertraf die Region Trier den Bundesdurchschnitt bei den Einzelhandelsumsätzen pro Einwohner/in um 38 %, im Jahr 2019, für das das Statistische Bundesamt letztmalig die regionalen Einzelhandelsumsätze auswies, betrug ihr Vorsprung nur noch 6 %. Während die Einzelhandelsumsätze im Bundesgebiet zwischen diesen beiden Jahren noch um 4 % gestiegen waren, musste die Region Trier einen Rückgang um 12 % hinnehmen.76 Die Einzel-handelskund/innen aus Luxemburg bleiben also in letzter Zeit aus, auch weil im Großherzogtum attraktive Einzelhandelsflächen neu entstanden sind. Die Region Trier kann sich nicht darauf verlassen, dass sie hierüber künftig noch nennenswert von der hohen Kaufkraft der luxemburgischen Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren wird.
Auch das Handwerk, die Bauwirtschaft und die übrigen Dienstleistungsbranchen der Region Trier spüren den luxemburgischen Wirtschaftsboom kaum durch steigende Nachfrage. Zwar wäre es grundsätzlich plausibel, wenn die luxemburgischen Privathaushalte, Unternehmen und der Staat wegen des hohen Lohn- und Preisniveaus in Luxemburg vermehrt Aufträge in die angrenzenden ausländischen Regionen vergeben würden. Luxemburgische Unternehmen könnten auch den einheimischen Markt bedienen, indem sie Niederlassungen in den Grenzregionen errichten, statt Pendler/innen mit hohen Löhnen ins Land zu holen. Ein solcher Effekt lässt sich jedoch aus den Daten der amtlichen Statistik nicht ablesen, denn ihre Wertschöpfung wäre dann im Bruttoinlandsprodukt und der Bruttowertschöpfung der jeweiligen Wirtschaftszweige der Grenzregionen und damit auch der Region Trier enthalten. Diese weisen jedoch keine überproportionalen Steigerungen auf, so dass sie dies nicht belegen können.
Mit seinen hohen Löhnen und Gehältern greift Luxemburg stattdessen die besten Talente aus der Region Trier ab, die vielfach an der Universität oder der Hochschule Trier ausgebildet wurden. Sie stehen nicht mehr für die wirtschaftliche Entwicklung der Region zur Verfügung. Die steigenden Einkommen aus Luxemburg können sich als Wohlstandsillusion erweisen, wenn der Boom der luxemburgischen Finanzwirtschaft einmal zum Er-liegen kommt. Die Region Trier verfügt dann nicht über eine eigene dynamische und resiliente Wirtschaft, die stabilisierend wirken könnte. Sie würde dann auf ein Wohlstandsniveau zurückfallen, das eher ihrem Niveau beim BIP pro Kopf als bei den verfüg-baren Einkommen entspricht und niedriger ist, als wenn es den Boom der luxemburgischen Finanzwirtschaft nie gegeben hätte.
Auch der für Großbritannien festgestellte und für Luxemburg angenommene politökonomische Effekt des „finance curse“ ist eine Gefahr für die Region Trier. Die fast 40.000 Grenzpendler/innen und ihre Angehörigen sind eine politische relevante Wählergruppe, die die politischen Entscheidungsträger/innen der Region von Maßnahmen abhalten könnten, die ihren Interessen zuwiderlaufen, auch wenn sie der Region insgesamt nützen. Die Region könnte sich auf den Einkommen aus Luxemburg ausruhen und die Stärkung ihrer endogenen Wirtschaftskraft vernachlässigen. Was aber für die Grenzpendelnden gut ist, muss nicht zwangsläufig auch dem Wohl der ganzen Region dienen. Dies schlägt sich auch in einer deutlichen Schwächung der Steuerkraft vor allem der grenznahen Gemeinden nieder.
9 – Leere Kassen der Trierer Kommunen und gefährdete Daseinsvorsorge
Das grenzüberschreitende Pendeln nach Luxemburg verringert die Steuerkraft der Grenzkreise und -gemeinden, mindert deren öffentliche Ausgaben und schwächt die kommunale Daseinsvorsorge. Nach dem bestehenden deutsch-luxemburgischen Doppelbesteuerungsabkommen verbleibt die Einkommensteuer der Grenzpendelnden in voller Höhe in Luxemburg. Für die deutschen Wohnortgemeinden hat dies zur Folge, dass ihnen der Anteil von 15 % an den von den Grenzpendelnden gezahlten Einkommen-steuern vorenthalten wird, der anderen Gemeinden mit hohem Auspendleranteil im Umland großer Städte in Deutschland zusteht. In den Gemeinden unmittelbar an der luxemburgischen Grenze mit einem Grenzpendleranteil von bis zu einem Drittel entsteht hierdurch ein großes Loch in den kommunalen Kassen. Wegen der starken Arbeitsmarktkonkurrenz mit Luxemburg fehlen den Grenzgemeinden außerdem ertragsstarke gewerbliche Unternehmen, so dass ihnen auch Gewerbesteuereinnahmen entgehen. Diese beiden Steuern sind die wichtigsten kommunalen Einnahmequellen.77 Da auch der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer von der Beschäftigtenzahl und dem Gewerbesteueraufkommen abhängt, macht sich das Grenzpendeln hierbei ebenfalls negativ bemerkbar. Nur die Grundsteuereinnahmen werden durch das Grenzpendeln nicht beeinträchtigt. Die durch das Grenzpendeln verursachte niedrige Steuerkraft der Grenzgemeinden wird durch Schlüssel- und Zweckzuweisungen im Rahmen des von den Ländern vorgenommen kommunalen Finanzausgleichs teilweise kompensiert.
Die Höhe der durch das Grenzpendeln verursachten Steuerausfälle lässt sich nur schwer abschätzen und auch nicht aus den in Luxemburg gezahlten Steuern herleiten, denn erstens beruhen diese auf dem vom deutschen abweichenden luxemburgischen Steuerrecht, so dass eine Neuberechnung nach deutschem Steuerrecht erfolgen müsste. Zweitens müsste ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werden, das die Grenzpendelnden in Deutschland erzielen würden. Dieses ist jedoch nicht bekannt. Die Steuerausfälle lassen sich daher nur durch einen groben Vergleich mit der durchschnittlichen Steuerkraft deutscher Kommunen abschätzen.
Die Statistischen Ämter von Bund und Länder erheben für alle Gemeinden die Steuereinnahmekraft nach einem standardisierten Verfahren. In sie fließen die kommunalen Anteile an der Einkommens- und Umsatzsteuer und die mit dem bundesdurchschnittlichen Hebesatz gewichteten Einnahmen aus der Grund- und Gewerbesteuer ein. Die Region Trier weist insgesamt über alle Steuerquellen hinweg eine unterdurchschnittliche Steuereinnahmekraft von nur 68 % des Bundesdurchschnitts auf (Abbildung 15). Dies kann nicht überraschen, denn die Steuerkraft einer Region ist von ihrer Wirtschaftskraft bzw. ihrem Bruttoinlandsprodukt abhängig, bei dem die Region Trier einen ähnlich hohen Rückstand aufweist. Die Steuerkraftschwäche ist bei allen Steuerquellen festzustellen, am besten schneidet die Region Trier noch bei der Grundsteuer mit 77 % ab. Bei der Gewerbesteuer ist ihre Steuereinnahmekraft mit nur 62 % des Bundesdurchschnitts besonders gering.
Abbildung 15: Steuereinnahmekraft der Region Trier nach Grenznähe in % des Bundesdurchschnitts, 2022

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank Deutschland – 71213 IST-Aufkommen, Grundbeträge, Hebesätze, Realsteueraufbringungskraft, Gewerbesteuerumlage, Gewerbesteuer netto, Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer und Steuereinnahmekraft – Jahressumme; eigene Berechnungen
Die Steuereinnahmekraft ist in den fünf unmittelbar an Luxemburg angrenzenden Verbandsgemeinden noch deutlich niedriger als in den übrigen Teilen der Region. Über alle Steuerarten hinweg liegt sie dort bei nur 46 % des Bundesdurchschnitts, bei der Gewerbesteuer sogar nur bei 32 %. Dass die Steuerkraft in den Grenzgemeinden mit dem höchsten Grenzpendleranteil derart niedrig ist, ist ein starker Beleg für die negativen Auswirkungen des Grenzpendelns auf die kommunalen Finanzen. Das Fehlen von Steuereinnahmen eines Viertel aller Erwerbstätigen, die noch dazu überdurchschnittlich hohe Einkommen erzielen, und geringe Gewerbesteuereinnahmen reißen tiefe Löcher in die Haushalte dieser Gemeinden. Die Steuerkraft der beiden grenzfernen Kreise Bernkastel-Wittlich und Vulkaneifel und ihrer Städte und Gemeinden, in denen nur wenige Grenzpendler/innen wohnen, liegt dagegen über dem Durchschnitt der Region. Vor allem bei der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer, also exakt bei denjenigen Steuern, die am stärksten vom Grenzpendeln nach Luxemburg betroffen sind, übertreffen sie die grenznahen Kreise, Städte und Gemeinde sehr deutlich. Dies legt den Schluss nahe, dass das Grenzpendeln eine maßgebliche Ursache für die Steuerkraftschwäche der grenznahen Gemeinden darstellt.
Abbildung 16: Kommunale Einnahmen pro Einwohner/in der grenznahen und grenzfernen Kreise und deutschen Flächenländer in Euro, Jahresdurchschnitt 2018-2023

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Deutschland 71717-Z-04: Verwaltungsform der Gemeinden und Gemeindeverbände, Bevölkerung am 30.6. und Einzahlungen.
Die Hoheit der kommunalen Haushalte über die Gewerbesteuer und ihre Beteiligung an der Einkommensteuer werden regelmäßig damit begründet, dass sie einen Anreiz für eine wirtschaftsfreundliche Kommunalpolitik schaffen. Im Falle der Grenzgemeinden zu Luxemburg greift dieses Argument jedoch nicht, denn ihre Steuerkraftschwäche hat nichts mit geringer Wirtschaftsfreundlichkeit zu tun und liegt außerhalb der Gestaltungs-macht der betroffenen Kommunen.
Ohne finanzielle Kompensation durch den kommunalen Finanzausgleich wären die Grenzgemeinden nicht in der Lage, ihren gesetzlichen Leistungspflichten nachzukommen und eine grundlegende Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Für darüberhinausgehende freiwillige Leistungen und Investitionen besitzen sie kaum Spielraum. Die niedrige Steuerkraft wird in begrenztem Umfang durch Finanzzuweisungen von Bund und Land ausgeglichen. Aber auch diese lagen in den grenznahen Kreisen Trier-Saarburg, Bitburg-Prüm und der Stadt Trier78 mit 1.496 Euro im Durchschnitt der Jahre 2018-2023 nur geringfügig über dem Durchschnitt der deutschen Flächenländer, die auf 1.412 Euro kamen. Sie konnten daher die Mindereinnahmen bei den kommunalen Steuern nur sehr eingeschränkt ausgleichen. Ihre kommunalen Gesamteinnahmen beliefen sich nur auf 3.460 Euro pro Einwohner/in, das sind 90,6 % des Durchschnitts aller deutschen Flächenländer, die auf 3.818 Euro kamen (Abbildung 16). Die beiden grenzfernen Kreise nahmen mit 3.825 Euro sogar geringfügig mehr ein, was wiederum den Effekt des Grenzpendelns auf die kommunalen Finanzen bestätigt.
Abbildung 17: Kommunale Ausgaben pro Einwohner/in der grenznahen und grenzfernen Kreise und deutschen Flächenländer in Euro, Jahresdurchschnitt 2018-2023

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank Deutschland 71717-Z-05: Verwaltungsform der Gemeinden und Gemeindeverbände, Bevölkerung am 30.6. und Auszahlungen.
Die Ausgaben der Gemeinden sind größtenteils durch gesetzliche Verpflichtungen vorgegeben, dennoch tätigen sie in den grenznahen Gebieten niedrigere Ausgaben. Im Durchschnitt der Jahre 2018-2023 gaben sie pro Kopf mit 3.584 Euro 6 % weniger aus als im Bundesdurchschnitt, der bei 3.820 Euro lag. Die notwendigen Einschränkungen betreffen die freiwilligen kommunalen Leistungen, für die die Grenzkreise und -gemein-den nur geringen Spielraum besitzen.
Unter den dargestellten Umständen bleibt den grenznahen Gemeinden keine andere Wahl als eine stärkere Schuldenfinanzierung. Die Städte und Gemeinden der Region Trier sind deutlich höher verschuldet als im Bundesdurchschnitt und sie haben seit 2010 auch wesentlich mehr neue Schulden aufgenommen. Der durchschnittliche Schuldenstand der deutschen Städte und Gemeinden ist dagegen seit mehreren Jahren nicht mehr weitergewachsen. Wie Tabelle 5 zeigt, weisen wiederum die grenznahen Kommunen einen besonders hohen Schuldenstand auf und mussten mehr neue Schulden aufnehmen. Der Schuldenstand pro Einwohner/in der Kommunen in der Region Trier liegt bei 3.673 Euro und ist damit mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt, wo er bei 1.577 Euro liegt. In den grenznahen Kreisen ist er mit 4.209 Euro fast dreimal so hoch. Während die kommunalen Schulden pro Einwohner/in in den grenznahen Teilen der Region Trier seit 2010 um fast 40 % und in den grenzfernen Teilen um 20 % zunahmen, stiegen sie in den deutschen Städten und Gemeinden durchschnittlich nur um nominal 3,5 %, was aufgrund der Preisentwicklung einen realen Rückgang bedeutet.
Tabelle 5: Schuldenstand der Gemeinden und Veränderung 2010-2022
Schuldenstand der Gemeinden in Euro pro Einwohner/in | Veränderung des Schul-denstandes 2010 – 2022 | |||
2010 | 2022 | in Euro | in % | |
Deutschland (nur Flächenstaaten) | 1.519 | 1.577 | + 58 | + 3,8 |
Rheinland-Pfalz | 2.630 | 3.065 | + 435 | + 16,5 |
Stadt Trier Kreis Bernkastel-Wittlich Eifelkreis Bitburg-Prüm Kreis Vulkaneifel Kreis Trier-Saarburg | 5.564 1.903 1.966 2.520 1.917 | 6.566 2.563 3.344 2.549 3.071 | + 1.002 + 660 + 1.378 + 29 + 1.154 | + 18,0 + 34,7 + 70,1 + 1,2 + 60,2 |
Grenznahe Kreise TR, BIT, SAB Grenzferne Kreise WIL, DAU Region Trier insgesamt | 3.047 2.124 2.738 | 4.209 2.558 3.672 | + 1.162 + 434 + 934 | + 38,1 + 20,4 + 34,1 |
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank Deutschland – 71327-01-05-4 Schulden der Kernhaushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände
Die meisten neuen Schulden mit einem Anstieg von 70 bzw. 60 % haben die Städte und Gemeinden des Eifelkreises Bitburg-Prüm und des Kreises Trier-Saarburg aufgenommen, also diejenigen Kommunen in der Region mit den höchsten Grenzpendleranteilen. In absoluten Beträgen nahmen die Schulden pro Kopf in der Stadt Trier genauso stark zu, nur war diese auch vorher schon sehr hoch verschuldet, so dass der prozentuale Zuwachs mit 18 % weniger stark ausfiel.
Es ergibt sich damit ein eindeutiger Zusammenhang: Fehlende Einkommensteuerzahlungen der Grenzpendelnden und damit einhergehende niedrige Gewerbesteuereinnahmen führen zu hohen Einnahmeausfällen in den Grenzgemeinden, die durch den kommunalen Finanzausgleich nur sehr eingeschränkt kompensiert werden. Die Kreise, Städte und Gemeinden an der Grenze zu Luxemburg haben damit eine doppelte Last zu tragen. Sie leiden nicht nur unter der allgemeinen kommunalen Finanznot, sondern sie müssen zusätzliche Ausfälle durch die hohen Grenzpendleranteile verkraften. Den Grenzgemeinden fehlen die finanziellen Mittel, um ihre Daseinsvorsorge und kommunale Infrastruktur auf hohem Niveau aufrechterhalten und ausbauen zu können. Dies zwingt sie zu steigender Schuldenaufnahme, was aber wegen des inzwischen erreichten hohen Schuldenstandes zunehmend erschwert wird. Ein weiterer Anstieg des Grenzpendelns wird die betroffenen Gemeinden vor unlösbare finanzielle Probleme stellen.
Zieht man Bilanz über die ökonomischen Effekte, die das boomende Luxemburg auf seine westliche Nachbarregion ausübt, dann gelangt man zu einem sehr zwiespältigen Ergebnis. Hohen privaten Einkommen einer wachsenden, aber zahlenmäßig begrenzten Bevölkerungsgruppe und einer niedrigen Arbeitslosigkeit auf der einen Seite stehen starke Einbußen bei den Steuereinnahmen, geringere kommunale Ausgaben für öffentliche Güter und Daseinsvorsorge, gestiegene Mieten und Bodenpreise und eine deutliche Schwächung der endogenen Wirtschaftskraft auf der anderen Seite gegenüber. Der Wirtschaftsboom in Luxemburg diffundiert zudem nur partiell in die Grenzregionen hinein und bewirkt dort eine zunehmende soziale Spaltung. Die Region Trier droht mehr und mehr, zum Hinterland Luxemburgs zu werden und ihre wirtschaftliche Selbständigkeit zu verlieren. Luxemburg nutzt gerne als „free rider“ die qualifizierten Arbeitskräfte der Region, entzieht ihr damit aber wichtige ökonomische Ressourcen und schwächt ihre Steuerkraft. Gleichzeitig drückt es sich vor einer Beteiligung an den Ausbildungskosten und sonstiger öffentlicher Aufgaben zugunsten der Grenzpendelnden in seiner Nachbarregion.
In einer vergleichbaren innerstaatlichen Stadt-Umland- oder Zentrum-Peripherie-Beziehung mit ähnlichen Sogeffekten wie zwischen Luxemburg und der Region Trier würde ein auftretendes fiskalisches Gefälle durch den kommunalen Einkommensteueranteil abgemildert, der an die Wohnortgemeinden fließt. Während die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU die nationalen Grenzen für die Erwerbstätigkeit faktisch aufgehoben hat, gelten sie für die staatlichen und kommunalen Haushalte unvermindert fort. Die Staatsgrenze befreit Luxemburg von der Verpflichtung zum finanziellen Ausgleich der Lasten, die die Region Trier und die übrigen Grenzregionen durch das Pendeln zu tragen haben.
Darüber hinaus entsteht hierdurch eine soziale Spaltung zwischen den wohlhabenden Grenzpendler/innen und dem übrigen Teil der Bevölkerung. Die Schwächung der kommunalen Finanzen führt dazu, dass privater Reichtum und öffentliche Armut nebeneinander existieren. Zu dieser sozialen Spaltung tritt eine räumliche Spaltung hinzu, die entlang der Staatsgrenze verläuft und in einer deutlich geschwächten Daseinsvorsorge, vernachlässigter Infrastruktur und eingeschränkten öffentlichen Dienstleistungen in den Nachbarregionen Luxemburgs zum Ausdruck kommt. Die Vorteile der Nähe zu Luxemburg in Form hoher Einkommenszuflüsse sind nur partieller Natur, sie sind auf einen selektiven Teil der Bevölkerung beschränkt.
Besonders kritisch wirkt sich dies auf die Stadt Trier aus, die in ihrer oberzentralen Funktion stark geschwächt wird. Mit einer Entfernung von nur 12 Kilometer zur luxemburgischen Grenze und 45 Kilometer zur Stadt Luxemburg ist Trier die einzige Großstadt in deren unmittelbarem Pendelbereich. Die in etwa gleich große französischen Stadt Metz ist schon deutlich weiter von Luxemburg entfernt und weist nur noch etwa halb so viele Grenzpendelnde nach Luxemburg auf, so dass sie mit Trier nur eingeschränkt vergleichbar ist. Im Schatten der wohlhabenden Stadt Luxemburg fällt Trier mit seiner deutlich schwächeren Finanzkraft immer mehr zurück. Für sie wird es zunehmend schwerer, leistungsstarke Unternehmen zu binden oder neu zu gewinnen, die Infrastruktur auf hohem Niveau zu halten und die Lebensqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Dies bedeutet eine Schwächung für die gesamte Region Trier, die über keine weitere größere Stadt mit urbaner Qualität verfügt. Schon länger beobachten Außenstehende, dass die Stadt Trier ihr Potenzial, zu dem auch ihre einzigartigen antiken Stätten und kulturellen Einrichtungen gehören, nicht voll ausschöpft. Daran hat auch die wirtschaftliche Schwächung durch den Sog Luxemburgs einen Anteil.
10 – Geringe politische Handlungsfähigkeit der Region Trier im Verhältnis zu Luxemburg
In der Region Trier werden öffentliche Debatten über die wirtschaftlichen Beziehungen zu Luxemburg meist nur oberflächlich und eher allgemein geführt. In den Medien und politischen Äußerungen werden oft nur generell positive Effekte benannt und die große Bedeutung offener Grenzen in einem zusammenwachsenden Europa betont. Wenn es konkreter wird, stehen Einzelaspekte des Grenzpendelns wie die steuerliche Berücksichtigung des Arbeitens im Home-Office, Forderungen nach einem finanziellen Ausgleich für Steuerzahlungen in Luxemburg oder die Auswirkungen auf den Trierer Wohnungsmarkt im Vordergrund. In den luxemburgischen Medien und der Politik kommen die grenz-überschreitenden Wirtschafts- und Arbeitsmarktbeziehungen dagegen häufiger zur Sprache. Dies ist auch kaum zu vermeiden, weil die Grenzpendelnden fast die Hälfte aller Arbeitskräfte stellen und aus der Wirtschaft des Landes nicht mehr wegzudenken sind. Auch in den französischen und belgischen Grenzregionen hat es den Anschein, dass dieses Thema intensiver analysiert und diskutiert wird.79
Luxemburg hat der Region Trier hierbei zwei wesentliche Dinge voraus: Als Nationalstaat verfügt es über eine eigene Regierung und ein Parlament sowie über zahlreiche finanziell gut ausgestattete Behörden und Institutionen, während die Region Trier von Berlin bzw. Mainz aus regiert wird und kaum in der Lage ist, ihre Interessen selbst zu vertreten. Die luxemburgischen Regierungsstellen, Medien und die Öffentlichkeit können außerdem auf ein dichtes Netz von wissenschaftlichen Instituten und Think Tanks mit umfangreicher wissenschaftlich fundierter Expertise zu den grenzüberschreitenden ökonomischen und sozialen Verflechtungen zurückgreifen. Die Region Trier hat dem wenig entgegenzusetzen.
Besonders gravierend wirkt sich aus, dass die Region Trier keinen eigenen politisch legitimierten Repräsentanten und kein offizielles Gremium besitzt, das ihre Interessen gegenüber dem Nachbarland wirksam vertreten kann. Seit Abschaffung der Bezirksregierungen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2000 hat die Region Trier auch keinen Regierungspräsidenten mehr, der als ihr politisches Sprachrohr fungieren und annähernd auf Augenhöhe mit der luxemburgischen Regierung verhandeln könnte. Während die luxemburgischen Ministerien über Mitarbeiterstäbe verfügen, die umfangreiche fachliche Expertise und Kompetenzen besitzen und durch die Mitwirkung in europäischen und inter-nationalen Gremien einen privilegierten Zugang zu Informationen haben und mit ihnen gut vernetzt sind, fehlen diese in der Region Trier. Mit ihren Kommunalverwaltungen, nachgeordneten Behörden und den Kammerorganisationen kann sie nicht auf gleichem Level mit Luxemburg mithalten. Die Ministerien im Bund und im Land Rheinland-Pfalz sind zu weit von den spezifischen Problemen der Grenzregionen entfernt und zudem auch den Belangen anderer Regionen verpflichtet, so dass sie diesen Mangel nicht ausgleichen können. Zur Artikulation gemeinsamer regionaler Belange haben Kammern, Kommunen und mehrere Unternehmen aus der Region den Verein „Initiative Region Trier“ gegründet. Dieser verfügt aber über keinerlei personelle und finanzielle Ressourcen, um auch operativ tätig zu werden. Außerdem besitzt er keine politische Legitimation für Verhandlungen mit der luxemburgischen Regierung. Dies führt zu einer gewissen Sprachlosigkeit der Region Trier, die die Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber dem Nachbarland erheblich erschwert. Die Region Trier ist aufgrund dieser Situation auch nur sehr begrenzt in der Lage, mit eigenen Stellungnahmen auf Planungen aus Luxemburg zu reagieren, die Auswirkungen auf sie haben.
Diese Situation wird verschärft durch geringe wissenschaftliche Expertise in der Region Trier zu den ökonomischen und sozialen Fragen der grenzüberschreitenden Beziehungen. Luxemburg verfügt mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut LISER, dem Statistikamt STATEC, das neben der Erhebung und Aufbereitung statistischer Daten auch wissenschaftliche Analysen erstellt, und dem von Wirtschaftsverbänden getragenen Think Tank IDEA über mehrere Forschungseinrichtungen, die regelmäßig die wirtschaftliche Entwicklung Luxemburgs auf hohem fachlichem Niveau analysieren und Strategien und Handlungskonzepte entwickeln. Aufgrund der starken Verflechtungen mit den Grenzregionen und letztlich auch der Abhängigkeit des Landes von den Grenzpendelnden werden diese hierbei immer mitanalysiert, allerdings meistens aus einer luxemburgischen Perspektive. In der Region Trier existiert dagegen kein vergleichbares Forschungsinstitut, das sich mit allgemeinen ökonomischen oder speziellen regionalwissenschaftlichen Analysen befasst.
Die Universität Luxemburg hat in ihrer Abteilung Geografie und Raumplanung einen Forschungsschwerpunkt zur Entwicklung von Grenzregionen aufgebaut. Die Universität Trier stellte hingegen einen bis vor einigen Jahren bestehenden Studien- und Forschungsschwerpunkt Stadt- und Regionalplanung im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wieder ein. Auch aus dem vorwiegend mit Geograf/innen besetzten Fachbereich Raum- und Umweltwissenschaften sind keine regionalwissenschaftlichen Analysen zu den ökonomischen und sozialen Verflechtungen zwischen Luxemburg und der Region Trier bekannt. Es fehlt in der Region Trier somit an wissenschaftlich fundierter Expertise über die wirtschaftlichen Beziehungen zu Luxemburg als Grundlage für politische Handlungskonzepte und Maßnahmen. Unter diesen Bedingungen wundert es nicht, dass in der Region Trier vergleichbare Entwicklungsszenarien und Strategien, wie sie aus Luxemburg bekannt sind, fehlen.
Generell scheint die in der „Großregion“ verwendete wissenschaftliche Expertise zur regionalen Zusammenarbeit vorwiegend aus Luxemburg und aus Frankreich zu stammen. Ein in Metz und Esch-sur-Alzette ansässiges „Institut de la Grande Région“ (IGR),80 das aus dem 1971 im Saarland zur Förderung der Zusammenarbeit im Saar-Lor-Lux-Raum gegründeten „Institut für regionalpolitische Zusammenarbeit in innergemeinschaftlichen Grenzräumen“ hervorging, liefert durch Veranstaltungen und Publikationen Impulse zur Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der „Großregion“. Bei Ihm dominiert nicht nur die französische Sprache, sondern auch eine französische und luxemburgische Sichtweise. Unter Federführung des geografischen Fachbereichs der Universität Luxemburg haben mehrere Universitäten aus der Großregion das „European Center for Competence and Knowledge in Border Studies“ (UniGR-Center for Border Studies)81 als grenzüberschreitendes Kooperationsprojekt gegründet, das sich mit Grenzfragen nicht nur in der Großregion, sondern auch darüber hinaus befasst. In beiden Projekten sind zwar Partner aus der Region Trier vertreten, aber nicht erkennbar in einer aktiven Rolle. Wichtige Denkanstöße liefert außerdem das Lothringen ansässige Stadt- und Regionalforschungsinstitut AGAPE.82 Aus Deutschland kommt nur wissenschaftlicher Input durch die in Saarbrücken angesiedelte „Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle – Observatoire Interrégionale du Marché de l’Emploi“ (IBA-OIE), die von der „Großregion“ als offizielles Beratungsgremium über Fragen des grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes eingerichtet wurde.83 Deren Federführung liegt bei dem mit der Arbeitskammer des Saarlandes eng verbundenen Info-Institut, das zugleich den gesamten deutschen Grenzraum und damit auch die Region Trier hierin mit vertritt.
Die grenzüberschreitende „Großregion“ eignet sich in ihrer derzeitigen Konstruktion nur bedingt zur Lösung von Problemen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Luxemburg und der Region Trier, insbesondere weil ihr Gebiet weit darüber hinausreicht und Städte und Teilregionen einschließt, die nur wenige Bezüge zu Luxemburg und seinen Grenzregionen aufweisen. Ihr gehören das Großherzogtum Luxemburg, die Wallonie, die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien, die ehemalige französische Region Lorraine mit drei Departments und die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland mit ihrem gesamten Territorium mit insgesamt 11,6 Millionen Einwohner/innen an. Zwar bildet Luxemburg zusammen mit seinem grenzüberschreitenden Pendeleinzugsbereich den geografischen Kern dieses Gebiets und es versteht sich gemeinsam mit diesem als Metropolregion und als wirtschaftliches Zentrum des Gesamtraumes. Zur „Großregion“ gehören aber auch Städte mit einer deutlich höheren Einwohnerzahl als die Stadt Luxemburg wie Mainz, Saarbrücken, Ludwigshafen, Lüttich oder Charleroi. Sie haben nur schwache Verbindungen zu Luxemburg und betrachten es nicht als ihr Zentrum. Außerdem sind bedeutende Randbereiche der „Großregion“ auf andere, weit größere Metropolregionen wie Brüssel, Köln-Bonn, Rhein-Main und Rhein-Neckar ausgerichtet.
Im Einzugsbereich des luxemburgischen Arbeitsmarktes lebt mit ca. 2,25 Millionen Einwohner/innen nur ein Fünftel der Bevölkerung der gesamten „Großregion“. Diese ist damit aufgrund ihres räumlichen Maßstabs und ihres Zuschnitts als Plattform zur Abstimmung über die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Luxemburg und seinen Grenzregionen wenig geeignet. Die weite Abgrenzung ist nur durch das politische Bestreben zu verstehen, die Regierungsinstanzen des souveränen Großherzogtums Luxemburg mit Landes- und Regionalregierungen zusammenzubringen, die ihnen protokollarisch halbwegs ebenbürtig sind. Für die stärker lokalen Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind diese jedoch zu weit entfernt, auch räumlich. Die Region Trier wird von der zuständigen Landesregierung in Rheinland-Pfalz vertreten, die dabei auch die übrigen Teile des Landes mit nur schwachen Verbindungen zu Luxemburg im Blick haben muss. Die spezifischen Belange der Region Trier in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit werden dadurch nicht adäquat vertreten.
Aus der wirtschaftlichen Stärke entsteht durch diese institutionellen Besonderheiten auch eine politische Dominanz Luxemburgs. Mit seinen enormen finanziellen Ressourcen, seiner umfassenden administrativen Kapazität und seinen exklusiven politischen Zugängen ist das Großherzogtum den übrigen Akteuren in der Großregion in der politischen Gestaltungsfähigkeit weit überlegen. Es scheint, dass Luxemburg, das zwei Jahr-hunderte lang eingezwängt zwischen übergroßen und gelegentlich übergriffigen Nachbarländern unter vielen Mühen und Erduldung großen Leids seine nationale Unabhängigkeit verteidigt hat, jetzt dazu übergegangen ist, seine Nachbarregionen zu dominieren, die aufgrund der peripheren Lage in ihrem jeweiligen Nationalstaat nur wenig Unterstützung in ihren Hauptstädten finden. Damit nutzt es die Privilegien aus seiner „Souveränitätsnische“ auch im Verhältnis zu seinen unmittelbar benachbarten Grenzregionen aus, obwohl es auf sie beim Auf- und weiteren Ausbau seines Wirtschaftsmodells mehr und mehr angewiesen ist.
11 – Überlegungen zu einer partnerschaftlichen und ausgewogenen Entwicklung Luxemburgs und seiner Grenzregionen
Luxemburg hat in den vergangenen Jahrzehnten einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, der mit vollem Recht trotz anhaltender Kritik an seiner Steuerpolitik hohe Anerkennung auch in den Nachbarländern erfährt. Diesen Erfolg hat es jedoch nicht allein und aus eigener Kraft erzielt, sondern daran haben auch die Arbeitskräfte aus den Grenzregionen der Nachbarländer ihren Anteil, die täglich nach Luxemburg pendeln und dort in-zwischen fast die Hälfte aller Beschäftigten stellen. Wachstum ist in Luxemburg schon seit einigen Jahren nur möglich, weil das Land ständig mehr Arbeitskräfte aus den Grenzregionen und Zugewanderte beschäftigt. Auch in den nächsten Jahren wird Luxemburg nur weiterwachsen und sein Wirtschaftsmodell aufrechterhalten können, wenn es auf eine steigende Zahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte aus den Nachbarländern zurückgreifen kann. Der Wirtschaftsboom in Luxemburg ist daher auch eine Gemeinschaftsleistung mit seinen Nachbarregionen. Luxemburg ist mit seinem Wirtschaftsmodell von der Mitwirkung seiner Grenzregionen abhängig.
Die Nachhaltigkeit des luxemburgischen Wirtschaftsmodells ist jedoch gefährdet. Erstens ist es nicht mehr so leicht, durch unternehmens- und steuerrechtliche Sonderregelungen Kapital aus dem Ausland anzuziehen. Zweitens aber, und das wird zunehmend wichtiger, wird das Erwerbspersonenpotenzial der Grenzregionen durch die demografische Entwicklung in den nächsten Jahren immer kleiner und setzt dem Wachstum Grenzen. Luxemburg ist dadurch mehr als bisher darauf angewiesen, eng mit den Nachbarländern und -regionen zu kooperieren. Im Alleingang wird es Luxemburg immer schwerer fallen, die für sein Wachstum benötigten Ressourcen aus dem Ausland zu gewinnen. Die bisherige passive Hinnahme des Grenzpendelns kann in Widerstand umschlagen, wenn Luxemburg dies mit seinem hohen Lohnniveau ohne Rücksicht auf die Situation in den Nachbarländern durchdrücken will. Ökonomische Integrationsprozesse verlaufen selten reibungslos und konfliktfrei ab, wenn deren Gewinne und Verluste einseitig verteilt sind.
Der wirtschaftliche Erfolg Luxemburgs ist aber auch eine große Chance für die Grenzregionen, die diese noch zu wenig erkennen und für ihre Interessen nutzen. Durch bessere grenzüberschreitende Abstimmung und intensivere Kooperation kann es gelingen, eine Win-Win-Situation herbeizuführen, die zugleich Luxemburg die Beibehaltung und Fortführung seines Wirtschaftsmodells und den Grenzregionen eine umfassende Teilhabe daran ermöglicht und eine faire Verteilung der Kosten und Nutzen gewährt.
Luxemburg bildet mit seinen Grenzregionen die europäische Kernregion schlechthin. In ihr treffen vier der sechs Gründungsstaaten der EU zusammen, sie hat mit Robert Schuman den Ideengeber und Gründungsvater der EU hervorgebracht und war mit den Schengener Abkommen Pionier bei der Schaffung offener Grenzen in Europa. Nirgendwo sonst ist die europäische Integrationsidee so selbstverständlich in den Köpfen und Herzen der Menschen verankert wie dort. Unter diesen Voraussetzungen sollte es möglich sein, eine grenzüberschreitende und solidarische Regionalentwicklung zu betreiben, die die bestehenden nationalen Grenzen transzendiert. In diesem Geiste sind die nachfolgenden Anregungen zu einem partnerschaftlichen Modell für eine ausgewogene Gesamtentwicklung Luxemburg und seiner Grenzregionen zu verstehen.
Dabei müssen sich alle Beteiligten bewusst sein, dass die derzeitige Situation diesen Ansprüchen nicht gerecht wird. Innerhalb der Region und zwischen Luxemburg und seinen Grenzregionen bestehen diverse Spaltungen, die ihre Ursache in den nationalen Grenzen und in einem fortbestehenden, an nationalen Interessen orientierten Denken in den vier beteiligten Ländern haben. Von diesen Spaltungen sind eine soziale und eine territoriale von besonderer Bedeutung. Sozial ist die Region gespalten, weil ein Teil ihrer Bewohner/innen vom Wirtschaftsboom in Luxemburg profitiert, dieser an einem anderen Teil aber vorbeigeht und dabei auch Verlierer schafft. Zu den Gewinnern zählt fast die gesamte Bevölkerung Luxemburgs durch die sehr guten Erwerbsbedingungen und durch großzügige soziale Leistungen, mit der Einschränkung, dass es auch in Luxemburg durch die aufgetretene Wohnungsnot Verlierer gibt. Zu den Gewinnern gehören außerdem die Pendlerinnen und Pendler aus den Grenzregionen nach Luxemburg mit ihren Familien, die ebenfalls die guten Erwerbsmöglichkeiten in Luxemburg nutzen und zugleich von den niedrigeren Lebenshaltungskosten in den Grenzregionen profitieren. Nicht zu den Gewinnern gehören die Bewohner/innen der Grenzregionen, die nicht nach Luxemburg pendeln können oder wollen, sich mit dem eingeschränkten Angebot an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen infolge der durch das Grenzpendeln reduzierten Steuerkraft ihrer Wohngemeinden begnügen und die Nachteile der geschwächten regionalen Wirtschaftskraft hinnehmen müssen. Auch die Opfer des starken Anstiegs der Mieten und Grundstückspreise in den Grenzregionen verlieren durch den Wirtschaftsboom in Luxemburg.
Eine zweite Spaltung der grenzüberschreitenden Region ist territorialer Art und verläuft entlang der luxemburgischen Staatsgrenze. Auf luxemburgischem Staatsgebiet existiert eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur mit öffentlichen Dienstleistungen, die deutlich besser sind als jenseits seiner Außengrenze. Die hohen Steuereinnahmen versetzen die luxemburgische Regierung in die Lage, weit mehr in Infrastruktur und Daseinsvorsorge zu investieren als ihre Nachbarn. Die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes in der EU hat zwar die Grenzen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie für den Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr weitgehend abgebaut, wenn auch noch nicht ganz abgeschafft. Die Finanz- und die Sozialpolitik sind aber nicht vergemeinschaftet worden, sondern befinden sich weiterhin in nationaler Zuständigkeit.
Dies führt zu einer Schieflage in Luxemburgs Grenzregionen. Viele ihrer qualifizierten Arbeitskräfte nehmen die Vorteile der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch zum Nutzen Luxemburgs in Anspruch, während die Städte und Gemeinden jenseits der luxemburgischen Grenzen mit deren finanz- und sozialpolitischen Folgen allein gelassen werden. Auch von ihren nationalen und regionalen Regierungen erhalten sie keinen Ausgleich, weil sie diese nicht einmal als Problem wahrnehmen. Die in nationaler Hoheit verbliebene Steuerpolitik führt dazu, dass selbst im Kernraum der EU die nationalen Grenzen durch gravierende Steuerkraftunterschiede politisch, ökonomisch und sozial ungeschmälert fortwirken. Auch die europäische Kohäsionspolitik, die die Unterschiede in den Lebensbedingungen der Regionen verringern soll, ist blind für diese spezielle Situation.
Wenn das Potenzial einer engeren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Luxemburg und seinen Grenzregionen ausgeschöpft werden soll, müssen alle Beteiligten Änderungen in ihrer Einstellung und Praxis vornehmen. Luxemburg sollte vor allem verstehen, dass es eine angemessene Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Arbeitskräfte seiner Nachbarn und für deren Ausbildung und die von ihnen genutzte Infrastruktur erbringen sollte. Es reicht nicht aus, nur die Arbeitskräfte der Grenzregionen zu entlohnen, sondern Luxemburg steht auch in der Verantwortung gegenüber den Städten und Gemeinden, in denen diese leben. Der Erfolg seines Wirtschaftsmodells kann nicht nur an seinen eigenen ökonomischen Kennziffern gemessen werden, sondern diese müssen sich auf die Entwicklung der Gesamtregion beziehen. Mit der Absorption von jetzt schon 228.000 und künftig eventuell noch mehr Beschäftigten aus den Grenzregionen hat Luxemburg implizit anerkannt, dass die Region nur als Gesamtheit funktionieren kann. Es beeinflusst durch sein Eingreifen in die benachbarten Regionen massiv deren wirtschaftliche Entwicklung und trägt damit große Verantwortung, der es bisher nicht hinreichend gerecht wird.
Dies bedeutet auch, dass Luxemburg sich dem Ziel verschreiben sollte, die vorhandenen Spaltungen abzubauen. Dies hat zur Konsequenz, dass bei allen Planungen in den Bereichen Raumordnung, Infrastruktur, Verkehr, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik immer von der Gesamtregion her gedacht werden sollte. Ziele und Maßnahmen zu deren Umsetzung sollten gemeinsam mit den Grenzregionen aufgestellt und entwickelt werden. In einem derart intensiv verflochtenen Arbeitsmarkt kann sich Luxemburg keine Alleingänge leisten. Wenn man die innenpolitische Diskussion in Luxemburg verfolgt, dann gewinnt man jedoch den Eindruck, dass es bis dahin noch ein sehr weiter Weg ist und dass dem in Luxemburg viele Tabus im Wege stehen.
Luxemburg profitiert wie kaum ein anderes Land von der europäischen Integration. Der Binnenmarkt hat erst den Zufluss von ausländischem Kapital und den Export von Finanzdienstleistungen ermöglicht und damit die wichtigste Voraussetzung für das Entstehen seines Finanzsektors geschaffen. Die Einführung des Euro hat ihm weiteren Schwung verliehen. Auch ein grenzüberschreitender Arbeitsmarkt wäre ohne die durch den Binnenmarkt entstandene Arbeitnehmerfreizügigkeit zumindest in dem jetzigen Ausmaß schwer vorstellbar. Die Grenzregionen haben dagegen nicht in gleichem Maße wie Luxemburg vom Binnenmarkt und der Währungsunion profitiert, sie müssen sogar eine Schwächung ihrer endogenen Wirtschaftskraft hinnehmen. Eine weitere Steigerung der Grenzpendlerzahlen würde Luxemburg einen weit größeren Nutzen bringen, den Grenzregionen dagegen erhebliche zusätzliche Kosten auferlegen.
Für die Grenzregionen empfiehlt es sich, die eigenen wirtschafts- und regionalpolitischen Ziele und Maßnahmen stärker an einer Partizipation am luxemburgischen Entwicklungsmodell auszurichten. Sie sollten darauf abstellen, dass möglichst viele Entwicklungsimpulse aus Luxemburg in ihre Regionen hinein diffundieren, ohne dabei das eigene Profil aufzugeben. Die regionale Gesamtplanung sollte die Stärken der unterschiedlichen Städte, Gemeinden und Teilregionen berücksichtigen und fördern. Dies könnte für die Stadt Trier die aktive Entwicklung zu einem überregionalen Zentrum für Kultur, Tourismus und Dienstleistungen in arbeitsteiliger Kooperation mit der Stadt Luxemburg bedeuten.
Dazu sollten die Grenzregionen ihre Analyse- und Planungskapazitäten ausbauen und vor allem Beteiligungsstrukturen entwickeln, die ihnen eine effektive Abstimmung mit den luxemburgischen Partnern ermöglichen. Dies erfordert die Mitwirkung und Unterstützung der jeweiligen nationalen, regionalen und Landesregierungen. Diese dürfen dabei nicht stellvertretend für die regionalen Akteure handeln, sondern sollten ihnen Rechtssicherheit für eigenverantwortliches Agieren verschaffen. Die vom südlichen Brüsseler Umland bis zur Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Region reichende „Großregion“ ist als Handlungsraum hierfür viel zu groß und daher ungeeignet. Hilfreicher wäre es, neue Kooperationsstrukturen im engeren Arbeitsmarkteinzugsbereich Luxemburgs aufzubauen, die in etwa den in Karte 2 dargestellten Radius abbilden.84
Entscheidend für eine kohärente Gesamtentwicklung dieser als Arbeitsmarkteinzugsbereich Luxemburgs definierten grenzüberschreitenden Gesamtregion sind gemeinsam vereinbarte inhaltliche Strategien, Handlungskonzepte und Maßnahmen. Ein Wachstumsziel sollte für die Gesamtregion definiert werden, das eine ausgewogene Entwicklung und gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilregionen anstrebt. Wenn dieses Ziel verfehlt wird, sollte entweder ein Mechanismus zur Umverteilung finanzieller Ressourcen eingeführt werden oder es sollten Anreize geschaffen werden, damit die Unter-nehmen und Arbeitsplätze innerhalb des Arbeitsmarkteinzugsbereichs anders verteilt werden. Die Infrastruktur sollte in der gesamten Region möglichst gleich gut ausgebaut werden und für alle Einwohner/innen gleichermaßen zugänglich sein. Auch zur Minimierung von Pendeldistanzen und -zeiten, zur Entlastung der Verkehrsinfrastrukturen und zur Verringerung von CO2-Emissionen sollte eine möglichst dezentrale und wohnortnahe Verteilung der Arbeitsplätze angestrebt werden. Bestehende soziale Spaltungen innerhalb der Gesamtregion und zwischen den Teilregionen sollten abgebaut werden. Grundlage sollte eine Entwicklungsstrategie für die Gesamtregion bilden, die übergreifende Ziele für diese bestimmt und anhand gemeinschaftlich festgelegter Erfolgskriterien evaluiert wird.
Hierfür stehen grundsätzlich zwei Alternativen zur Verfügung. Die erste ist ein finanzieller Ausgleichsmechanismus, über den Luxemburg die Aufwendungen seiner Grenzregionen für die Ausbildung seiner Grenzpendler/innen und die Bereitstellung von ihnen benötigten Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen entschädigt.85 Dies käme einem Finanzausgleich nahe, wie er innerhalb der meisten Nationalstaaten zwischen Gebietseinheiten mit intensiven Pendelverflechtungen existiert. Besser wäre es, wenn Luxemburg gemeinsam mit seinen Nachbarregionen eine gemeinsam regionale Entwicklungspolitik auf partnerschaftlicher Basis betreiben würde, die den vorstehenden Grundsätzen entspricht und finanzielle Kompensationen überflüssig macht. Diese könnte aus bilateral zwischen einzelnen Staaten und Regionen oder multilateral in der gesamten grenzüberschreitenden Region verabredeten Projekten bestehen.86 Noch besser wäre es aber, eine gemeinsame Infrastruktur- und Entwicklungsagentur oder einen grenzüberschreitenden Zweckverband zu gründen, dem öffentliche Aufgaben zur gemeinsamen Durchführung übertragen werden. Dafür würden sich die folgenden Aufgaben und Projekte eignen:87
1. Gemeinsame Entwicklung und Erschließung von Gewerbegebieten mit dem Ziel einer stärker dekonzentrierten und über die Gesamtregion gestreuten Verteilung von Arbeitsplätzen. Dazu gehört auch die Unterstützung von Unternehmen bei der Suche nach den für sie optimalen Standorten unabhängig vom jeweiligen Land. Ziel sollte dabei sein, die Arbeitsplätze näher an die Wohnorte der Beschäftigten heranzubringen und die Pendeldistanzen im Interesse einer Entlastung der Verkehrswege und der Minimierung der CO2-Emissionen zu verringern. Hierfür dürften primär Industrie-, Bau-, Handwerks-, Verkehrs-, IT-, Großhandels- und technische Dienstleistungsun-ternehmen in Frage kommen, für die es keinen Unterschied macht, ob sie von Luxemburg, Belgien, Frankreich oder Deutschland aus tätig sind. Unternehmen der Finanzwirtschaft dürften dagegen wegen der besonderen unternehmens- und steuerrechtlichen Bedingungen kein Interesse an einem anderen als einem luxemburgischen Standort haben.
2. Gemeinsame Entwicklung von Wohnbauflächen in Verbindung mit der Anwerbung von Arbeitskräften aus anderen Ländern und Regionen. Wenn die Grenzregionen kaum noch Potenzial für zusätzliche Pendler/innen nach Luxemburg bieten, kann dieses seinen Arbeitskräftebedarf nur durch Zuwanderungen decken, die aber neuen Wohnflächenbedarf erzeugen und die Wohnungsknappheit verstärken. Die Grenzregionen haben derzeit wenig Interesse, diese Zuwanderungen aufzunehmen und Wohnflächen für sie auszuweisen, wenn sie ihre kommunale Infrastruktur in Anspruch nehmen, die Einkommensteuer aber nach Luxemburg abführen. Dies könnte sich ändern, wenn Luxemburg die Finanzierung ihrer Planungs- und Infrastrukturkosten übernimmt. Luxemburg würde hierdurch der Zugang zu benötigten Arbeitskräften ermöglicht, ohne dass es für sie zusätzlichen Wohnraum schaffen muss, die Grenzgemeinden würden bei ihren kommunalen Ausgaben entlastet. Für die Grenzregionen hätte dies den weiteren Vorteil, dass der zusätzliche Arbeitskräftebedarf Luxemburgs durch Zuwanderungen aus anderen Ländern und Regionen gedeckt würde und nicht allein auf Kosten ihres eigenen, aus demografischen Gründen schrumpfenden Erwerbspersonenpotenzials ginge.
3. Gemeinsam getragene und finanzierte Hochschulen und berufliche Ausbildungseinrichtungen. Diese sollten sich am Bedarf der Gesamtregion orientieren und könnten zum Beispiel einen finanzwirtschaftlichen Schwerpunkt haben. Ihre Standorte sollten aber dezentral über die gesamte Region verteilt werden und an bestehenden Einrichtungen anknüpfen. Eine Mitfinanzierung durch Luxemburg würde dem Land einen Einfluss auf die Schwerpunktsetzung ermöglichen und damit zur Fachkräftesicherung im Finanzsektor beitragen und zugleich dem Vorwurf begegnen, dass sich Luxemburg die Ausbildung seiner Arbeitskräfte von den Nachbarn bezahlen lässt. Ein Beispiel könnte die Gründung einer Business School mit dem Schwerpunkt Finanzwesen zählen, für die sich Trier wegen der bestehenden wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Fakultäten seiner Universität und seiner Hochschule als Standort anbieten würde.
4. Gemeinsam betriebene Innovationsförderung. Die Steigerung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit erfordert sowohl in Luxemburg als auch in seinen Grenzregionen eine wirtschaftliche Diversifizierung durch Etablierung neuer Technologien. Dies erfordert mehr Spezialisierung und economies of scale als es Luxemburg und den drei Grenzregionen einzeln möglich ist. Eine Kooperation der Universitäten und Forschungseinrichtungen, großer Unternehmen und der Kammern und Wirtschaftsorganisationen in der Gesamtregion kann dem mehr Gewicht verleihen.
5. Ähnliches gilt für die Förderung von Gründungen und Startups. Der luxemburgische Finanzsektor ist ein idealer Finanzierungspartner, nicht nur für luxemburgische Gründungen, sondern auch für solche aus den Grenzregionen. Die Kooperation mit luxemburgischen Unternehmen würde Gründer/innen aus den Grenzregionen gute Geschäftsperspektiven bieten.
6. Kooperation beim Aufbau einer zirkulären Wirtschaft. Luxemburg hat ambitionierte Ziele für die Etablierung einer zirkulären Wirtschaft aufgestellt und Expertise auf diesem Gebiet gesammelt, die den Nachbarregionen voraus sind. Dazu wird jedoch eine breiter diversifizierte Industrie benötigt, als sie in Luxemburg vorhanden ist. Eine Zusammenarbeit mit den Nachbarn und deren nach Branchen breiter gefächerten Industrie brächte mehr Potenzial für eine erfolgreiche Umsetzung und würde das Konzept auf eine breitere Grundlage stellen. Luxemburg brächte seinen konzeptionellen Vorsprung ein, die Grenzregionen könnten die Vernetzung mit den Industrien ihrer jeweiligen Nationalstaaten übernehmen.
7. Gemeinsamer Ausbau und Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs. Die starken Pendelbewegungen innerhalb des luxemburgischen Arbeitsmarkteinzugsbereichs und die bestehende Überlastung der Verkehrswege erfordern einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Eine Integration der Systeme in der Gesamtregion wäre dazu hilfreich. Es spricht viel dafür, das bestehende luxemburgische Verkehrsnetz auf die Grenzregionen auszuweiten und dortige öffentliche Verkehrsangebote in dieses zu integrieren. Die luxemburgische Eisenbahngesellschaft CFL käme als Betreiber in Frage.
8. Gemeinsamer Ausbau von Logistikstandorten und -systemen. Luxemburg hat den Ausbau des Logistiksektors zu einem Entwicklungsschwerpunkt erklärt. Abgesehen vom Luftverkehr ist bei den übrigen Verkehrssparten Straße, Schiene und Binnenschifffahrt allein schon wegen der Trassenführung eine enge Zusammenarbeit mit den Grenzregionen unverzichtbar. Diese haben eigene Logistikstandorte und -entwicklungsschwerpunkte, die in der Gesamtregion vernetzt werden könnten. Auch eine gemeinsame Trägerschaft von Logistikstandorten wäre denkbar.
9. Gemeinsame Trägerschaft, Betrieb und Vermarktung von regional und überregional bedeutsamen Kultureinrichtungen wie Museen, Theater und Konzerthäuser. Dies würde das kulturelle Zusammenwachsen der Region über die nationalen und Sprachgrenzen hinweg fördern, brächte aber auch betriebswirtschaftliche Vorteile durch bessere Vermarktung und Verwaltung. In dieses Konzept könnten auch die UNESCO-Weltkulturerbestätten in Trier und die sonstigen römischen Bauwerke und Denkmäler in der Umgebung einbezogen werden. Dadurch könnte die kulturelle und historische Bedeutung der Gesamtregion als ihr gemeinsames Erbe international aufgewertet und bekannter gemacht werden.
10. Gemeinsame Standort- und Investorenwerbung. Luxemburg betreibt mit Luxembourg Trade & Invest eine eigene Standort- und Investorenwerbung im Ausland. Diese könnte auch die Grenzregionen in ihre Aktivitäten mit ihrem eigenen wirtschaftlichen Profil einbeziehen und für die Gesamtregion werben.
Als Rechtsgrundlage für einen solchen grenzüberschreitenden Zweckverband kommt die EVTZ-Verordnung der EU88 in Betracht, die grenzüberschreitende Zusammenschlüsse nationaler und regionaler Gebietskörperschaften regelt. Die Finanzierung sollte nach Leistungsfähigkeit, das heißt nach dem jeweiligen BIP der angeschlossenen Regionen, auf die vier Länder aufgeteilt werden. Gegenfinanzierung wäre durch Wegfall der Aufgaben in nationaler Verantwortung möglich. Aufgrund der komplizierten Finanzierungsregelungen in den vier beteiligten Staaten wäre die Mitwirkung der jeweiligen nationalen und regionalen Regierungen bei der Gründung erforderlich. Hierfür müssten sie einen Staatsvertrag abschließen. Entscheidungen über Leistungsangebote und deren Finanzierung sollten durch einen zu bildenden Rat in politischer Besetzung getroffen werden, in dem die vier Länder entsprechend der Bevölkerungszahl ihrer beteiligten Gebiete vertreten sind. Denkbar wäre auch eine Direktwahl der politischen Repräsentant/innen. Die Leitung sollte ebenfalls politisch besetzt werden und alle vier Länder gleichberechtigt berücksichtigen.
Luxemburg müsste wegen seines überdurchschnittlich hohen BIP pro Kopf einen höheren Finanzierungsanteil als die Grenzregionen übernehmen. Dies wäre gerechtfertigt und läge auch in der Natur des Vorschlags, weil das luxemburgische BIP den Beitrag der Grenzpendelnden bereits enthält und deren Einkommensteuer von Luxemburg vereinnahmt wird. Ihre in Luxemburg gezahlte Einkommensteuer würde auf diese Weise in einen gemeinsamen Topf des Gesamtraumes einfließen und mittelbar auch ihrem Wohnort zugutekommen, so dass deren steuerliche Benachteiligung damit aufgehoben oder zumindest abgemildert würde. Die Forderung nach einer steuerlichen Kompensation der Wohngemeinden der Grenzpendelnden aus Frankreich und Deutschland würde dadurch hinfällig. Die Kompensationszahlungen Luxemburgs an Belgien könnten verrechnet werden.
Mit diesem Modell würden Luxemburg und seine drei Nachbarländer eine Art Europäische Union auf kommunaler und regionaler Ebene schaffen beziehungsweise in seinen Grenzregionen kleinmaßstäblich reproduzieren. Die europäische Einigungsidee würde an der Nahtstelle zwischen vier der sechs EU-Gründungsmitglieder für den Alltag ihrer Bevölkerung konkretisiert und es würde eine neue Qualität des grenzüberschreitenden Zusammenarbeitens entstehen. Dabei würde die Souveränität der Nationalstaaten in hoheitlichen und außenpolitischen Fragen gewahrt bleiben. Analog zur EU würde diese Agentur bzw. Zweckverband die Entwicklungsziele des Gesamtraumes zur Arbeitsgrundlage machen, für dessen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sorgen und unfairen Wettbewerb verhindern.
Dieser Vorschlag geht deutlich über die bisher vorgebrachten Ideen und Konzepte zur politischen und finanziellen Organisation des Zusammenlebens in dem aus Luxemburg und seinen Grenzregionen bestehenden Lebensraum hinaus. Er entspricht auch nicht dem derzeitigen politischen Willen und dem Bewusstsein der luxemburgischen Regierung und der Mitglieder der Abgeordnetenkammer des Landes, die von einer nationalen Wahrnehmung und Interessenlage beherrscht sind. Es erscheint aber notwendig, in diese Richtung zu denken, um Interessenkonflikte, die sich mit den benachbarten Grenzregionen abzeichnen, zu vermeiden. Der Vorschlag ist auch keine unrealistischere Utopie als die Gründung der EU vor rund 70 Jahren. Eine Region, aus der ihr Gründervater Robert Schuman hervorgegangen ist, sollte auch über Persönlichkeiten verfügen, die ein regionales Abbild seines großen europäischen Einigungswerks hervorbringen können.
Die Region Trier sollte zur besseren Interessenwahrnehmung ihre regionalökonomische und finanzwissenschaftliche Expertise ausbauen. Dazu käme zum Beispiel die Gründung eines Instituts an der Universität oder ein außeruniversitärer Think Tank zur Unterstützung ihrer regionalen Entscheidungsträger/innen in Frage. Es sollte auf Augenhöhe mit den luxemburgischen, französischen und belgischen Pendants konzeptionelle Inputs einbringen. Denkbar wäre auch die Gründung eines Gremiums, in dem die beteiligten Kreise, Städte und Gemeinden der Region, die Kammern und Verbände institutionalisiert kooperieren und ihre Interessen festlegen.
Eine auf die Gesamtregion ausgerichtete Regionalpolitik und eine Dekonzentration von Arbeitsplätzen brächte einen echten Mehrwert für alle Beteiligten und es ließen sich für alle Seiten unproduktive Verteilungskonflikte vermeiden. Luxemburg hätte weiterhin Zugang zum Arbeitsmarkt seiner Grenzregionen und zu unterstützenden Dienstleistungen für seine Finanzwirtschaft. Damit könnte es sein auf Finanzdienstleistungen beruhendes Wirtschaftsmodell fortsetzen, auch wenn weniger Arbeitskräfte täglich nach Luxemburg pendeln müssten. Die Grenzregionen würden durch ihre Nähe zu Luxemburg wirtschaftlich gestärkt und es würde nicht nur ein Ausschnitt ihrer Bevölkerung durch hohe private Einkommen profitieren. Die sozialen und ökonomischen Spaltungen innerhalb des Gesamtraumes könnten auf diese Weise abgeschwächt oder ganz aufgehoben werden.
12 – Fazit: Mehr Segen oder mehr Fluch?
Die auf seinem Finanzsektor beruhende wirtschaftliche Dynamik Luxemburgs ist für die Region Trier Segen und Fluch zugleich. Segensreich ist das Angebot gut bezahlter Arbeitsplätze für rund 40.000 Menschen aus der Region Trier und die Einkommen, die hierdurch in die Region fließen. Die segensreiche Wirkung ist aber auf die Grenzpendelnden und ihre Familien beschränkt und sie könnte sich auch als nur vorübergehend erweisen. Denn das luxemburgische Wirtschaftsmodell ist nicht in jeder Hinsicht nachhaltig und zukunftsfest, sondern davon abhängig, dass Luxemburg ausländischen Investoren auch weiterhin unternehmens- und steuerrechtliche Vergünstigungen bieten kann. Die Absorption eines erheblichen Teils der qualifiziertesten Arbeitskräfte, die die wichtigste Ressource der Region Trier darstellen, geht jedoch auf Kosten ihrer Wirtschaftskraft und behindert eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung. Dies könnte fatale Folgen haben, wenn der Boom in Luxemburg einmal enden sollte. Außerdem trägt das Grenzpendeln nach Luxemburg maßgeblich zur Austrocknung der Finanzkraft der grenznahen Städte und Gemeinden bei und gefährdet damit die Daseinsvorsorge und die Qualität der kommunalen Infrastruktur. Ein weiterer Anstieg der Grenzpendlerzahlen würde die Nachteile verschärfen und könnte eine Abwärtsspirale in der Region Trier und in den übrigen Grenzregionen Luxemburgs auslösen. Von dieser könnte sie sich nur schwer erholen.
Die Kombination positiver und negativer Effekte bewirkt außerdem eine soziale und wirtschaftliche Spaltung innerhalb der Region Trier sowie an der Grenze zum Nachbarland. Gutverdienende Grenzpendelnde wohnen Seite an Seite mit Nachbarn, die diesseits der Grenze beschäftigt sind und dort deutlich niedrigere Einkommen erzielen. Die hohen Einkommen der Grenzpendelnden treiben die Mieten und Grundstückspreise auch für die nicht in Luxemburg beschäftigten Einwohner/innen in die Höhe und verringern damit die Budgets aller Einwohner/innen. Die Staatsgrenze bildet eine markante räumliche Trennlinie in infrastruktureller und sozialökonomischer Hinsicht. Auf luxemburgischer Seite bestehen Standards bei öffentlichen Dienstleistungen und Infrastrukturangeboten, von denen die Kreise, Städte und Gemeinden auf deutscher Seite nur träumen können. Trotz offener Grenzen ist Europa in dieser Hinsicht in seinem Kernraum mehr getrennt worden als zusammengewachsen. In der Region Trier führt dies auch dazu, dass privater Reichtum und öffentliche Armut nebeneinander existieren.
Die Region Trier sollte alle Bemühungen daransetzen, stärker und umfassender am luxemburgischen Wirtschaftsboom zu partizipieren. Dies sollte auch im ureigenen luxemburgischen Interesse liegen, denn es ist zur Beibehaltung und weiteren Steigerung des Grenzpendelns auf die Zusammenarbeit mit seinen Nachbarregionen angewiesen. Die gesamte, sich über vier Staaten erstreckende Region sollte ein Interesse daran haben, ihre Entwicklung partnerschaftlich und an gemeinsam gesteckten Zielen zu orientieren und die entstandenen und sich verstärkenden Spaltungen abzubauen. Auf Dauer wird die Region nur gemeinsam gewinnen können, Segen und Fluch können nicht lange konfliktfrei nebeneinander bestehen. Dazu muss Luxemburg wahrscheinlich stärker umdenken als seine Nachbarn. Dies ist aber unvermeidlich, wenn das Ausbrechen offener Konflikte vermieden werden soll. Für Europa wäre es ein positives Signal, wenn seine Kernregion zu einem solcherart gemeinsamen und partnerschaftlichen Handeln zum Nutzen aller Beteiligten finden würde. Dies wäre ganz sicher auch im Sinne Robert Schumans.
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STATEC Statistiques.lu: Luxembourgish undertakings for collective investment. https://lustat.statec.lu/vis?lc=en&pg=0&fs[0]=Topics%2C1%7CEnterprises%23D%23%7CFinancial%20activities%23D9%23&fc=Topics&df[ds]=ds-release&df[id]=DF_D7300&df[ag]=LU1&df[vs]=1.0&pd=2015%2C2023&dq=.A
STATEC Statistiques.lu: Natural and migratory movements of the population.
STATEC. Statistiques.lu: Population by nationalities in detail on 1st January
STATEC Institut national de la statistique et des études économiques (2024): Rapport travail et cohesion sociale. Analyses 03-24. https://statistiques.public.lu/fr/publications/series/analyses/2024/analyses-03-24.html
STATEC Statistiques.lu: Main Aggregates: three approaches (current prices) (in millions EUR)
STATEC Statistiques.lu: Total employment by activity (NaceR2) (in 1 000 persons).
STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER: Regionaldatenbank Deutschland – 61511 Kaufwerte für Bauland. https://www.regionalstatistik.de/genesis/online?operation=statistic&levelindex=0&levelid=1729701736967&code=61511#abreadcrumb
STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER: Regionaldatenbank Deutschland 13211-02 – Arbeitslose nach ausgewählten Personengruppen sowie Arbeitslosenquoten – Jahresdurchschnitt – (ab 2009)
https://www.regionalstatistik.de/genesis/online?operation=statistic&levelindex=0&levelid=1739375016551&code=13211#abreadcrumb
STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER: Regionaldatenbank Deutschland – 71231-01 IST-Aufkommen, Grundbeträge, Hebesätze, Realsteueraufbringungskraft, Gewerbesteuerumlage, Gewerbesteuer netto, Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer und Steuereinnahmekraft.
https://www.regionalstatistik.de/genesis/online?operation=statistic&levelindex=0&levelid=1739375016551&code=71231#abreadcrumb
STATISTISCHES BUNDESAMT (2020): Jahresstatistik im Handel – 45341-0103 Umsatz, Arbeits-stätten, Verkaufsfläche im Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen): Regierungsbezirke, Jahre.
https://www-genesis.destatis.de/datenbank/online/statistic/45341/table/45341-0103
STATISTISCHES LANDESAMT RHEINLAND-PFALZ (2022), Demografischer Wandel in Rheinland-Pfalz Sechste regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung (Basisjahr 2020). Statistische Analysen No. 61, Bad Ems. https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/RPHeft_derivate_00007648/61_Demografischer_Wandel.pdf
WISSENSCHAFTLICHE DINSTE DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS (2022): Arten und Besteuerung von Investmentfonds in Luxemburg, Frankreich und Irland. Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 058/22. https://www.bundestag.de/resource/blob/905698/ba7522145eaa834ae28a0482dbe7ec75/WD-4-058-22-pdf-data.pdf
WURTH, M. (2023): Pourra-t-on poursuivre le développement économique et démographique soutenue sans ré´formes? In: Face au Grands Défits. Recueils d’IDEA, Septembre 2023, pp. 67-83.
https://www.fondation-idea.lu/2023/09/07/recueil-didea-face-aux-grands-defis/
ZAHLEN, P. (2012): L’évolution économique globale du Luxembourg sur la longue durée. STATEC.
- So zum Beispiel SCHULLER, G. (2002): Tendances et perspectives. Des déterminants du développement économique du Luxembourg. Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur, 221 (November 2002). ↩︎
- Bei den nachfolgenden statistischen Darstellungen und Analysen werden Daten des luxemburgischen Staistikamtes STATEC, der luxemburgischen Zentralbank, des Statischen Bundesamtes, der Regionaldatenbank der Statistischen Ämter von Bund und Ländern, des Arbeitskreises Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder und der AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission verwendet. ↩︎
- Die Region Trier wird hier definiert durch die kreisfreie Stadt Trier und die Kreise Bernkastel-Wittlich, Eifelkreis Bitburg-Prüm, Vulkaneifel und Trier-Saarburg. Sie ist weitgehend identisch mit dem im Jahr 2000 aufgelösten Regierungsbezirk Trier in den Grenzen seit 1946, mit den Grenzen der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer Trier. Trotz Auflösung der Regierungsbezirke in Rheinland-Pfalz hat sich in der Region mit diesen Grenzen eine hohe Identität erhalten, die auch mit der Funktion der Stadt Trier als unbestrittenes Oberzentrum für die gesamte verbunden ist. ↩︎
- SCHACKMANN-FALLIS, K.-P. (1985): Externe Abhängigkeit und regionale Entwicklung. Forschung Raum und Gesellschaft e.V., Mannheim. ↩︎
- Das luxemburgische Holdinggesetz kam auf Betreiben von ARBED, des großen luxemburgischen Stahlunternehmens zustande, das sich hierdurch vor einer drohenden feindlichen Übernahme schützen wollte. Luxemburgische Politiker erkannten aber schon in den 1930er Jahren, dass sich hiermit internationale Unternehmen und große Privatvermögen nach Luxemburg locken ließen. Die Begründungen dafür hören sich wie eine Blaupause zur Gründung einer Offshore-Steueroase an. Luxemburg gelang es dadurch, schon vor dem 2. Weltkrieg umfangreiche Kompetenzen auf diesem Gebiet aufzubauen, an die man nach dem 2. Weltkrieg anknüpfen konnte. Siehe dazu CALABRESE, M., MAJERUS, B. (2023): Archaeology of a Treasure Island: Actors and Practices of Holding Companies in Luxembourg (1929–1940). Contemporary European History, August 2023. https://www.cambridge.org/core/journals/contemporary-european-history/article/archaeology-of-a-treasure-island-actors-and-practices-of-holding-companies-in-luxembourg-19291940/C425D2D9D2569A1C2A869148FA428932#fn83 ↩︎
- ZAHLEN, P. (2012): L’évolution économique globale du Luxembourg sur la longue durée. STATEC. ↩︎
- Siehe dazu zum Beispiel RUBEN, M.-E. (2024): Stimuler la Productivité au Luxembourg: c’est possible mais personne ne sais vraiment comment y arriver. IDEA Document de travail No. 27 (Septembre 2024). https://www.fondation-idea.lu/2024/09/26/document-de-travail-n27-stimuler-la-productivite-au-luxembourg-cest-possible-mais-personne-ne-sait-vraiment-comment-y-arriver/ ↩︎
- STATEC Statistiques.lu: Natural and migratory movements of the population. Eigene Berechnungen. ↩︎
- STATEC. Statistiques.lu: Population by nationalities in detail on 1st January ↩︎
- CHAUVEL, L., LE BIHAN, E., CARUSO, G., FERRO, Y., SCHIEL, K., PIGERON-PIROTH, I., DOCQUIER, F. (2021): Education level of the Luxembourg population. Sustained, contrasting growth depending on origin, RP 1st results 2021 N°15; PIGERON-PIROTH, I., WILLE, C., (2019): Le travail frontalier au Luxembourg. Eléments de contexte et de portrait statistique, in: Les travailleurs frontaliers au Luxembourg et en Suisse. Emploi, Quotidien et Perceptions. Borders in perspective – UniGR-CBS Cahier Thématique 2/2019.
https://statistiques.public.lu/dam-assets/recensement/publication-15/docs/15-03-en.pdf ↩︎ - STATEC. Statistiques.lu: Domestic payroll employment by citizenship and country of residence ↩︎
- STATEC. Statistiques.lu (2024): L’Impact des frontaliers dans la balance des paiements en 2022. Regards No. 03, 01/2024. https://statistiques.public.lu/dam-assets/catalogue-publications/regards/2024/regards-frontaliers-120124-03.pdf ↩︎
- STATEC Institut national de la statistique et des études économiques (2024): Rapport travail et cohesion sociale. Analyses 03-24. https://statistiques.public.lu/fr/publications/series/analyses/2024/analyses-03-24.html ↩︎
- STATEC. Statistiques.lu (2024): L’Impact des frontaliers dans la balance des paiements en 2022. Regards No. 03, 01/2024. https://statistiques.public.lu/dam-assets/catalogue-publications/regards/2024/regards-frontaliers-120124-03.pdf ↩︎
- STATEC Statistiques.lu: Main Aggregates: three approaches (current prices) (in millions EUR); eigene Berechnungen. ↩︎
- BANQUE CENTRALE DU LUXEMBOURG: Number and geographic origin of credit institutions established in Luxembourg. https://www.bcl.lu/en/statistics/series_statistiques_luxembourg/11_credit_institutions/index.html ↩︎
- STATEC Statistiques.lu: Total employment by activity (NaceR2) (in 1 000 persons). Siehe auch NIVET, J.B. (2024): La place financière, une multispécialiste en quête de leadership. Fondation idea, Série de Décryptage No. 35, Juillet 2024.
https://www.fondation-idea.lu/2024/07/24/serie-de-decryptages-la-place-financiere-une-multispecialiste-en-quete-de-leadership/ ↩︎ - BANQUE CENTRALE DU LUXEMBOURG, Statistical tables: 14-02 Employment in the professionals of the financial sector; 15-01 Employment in the management companies. https://www.bcl.lu/en/statistics/series_statistiques_luxembourg/14_pfs/index.html
https://www.bcl.lu/en/statistics/series_statistiques_luxembourg/15_manag_co/index.html ↩︎ - STATEC Statistiques.lu: Liste des principaux employeurs au Luxembourg au 1er janvier 2024. https://statistiques.public.lu/dam-assets/catalogue-publications/principaux-employeurs/2024/liste-principaux-employeurs-branche-2024.pdf ↩︎
- STATEC Statistiques.lu: Detailed annual current and capital account of Luxembourg (in millions of euros ; BPM6 methodology). ↩︎
- STATEC Institut national de la statistique et des études économiques (2024): Rapport travail et cohesion sociale. Analyses 03-24. https://statistiques.public.lu/fr/publications/series/analyses/2024/analyses-03-24.html ↩︎
- CALABRESE, M., MAJERUS, B., (2023): Archaeology of a Treasure Island: Actors and Practices of Holding Companies in Luxembourg (1929–1940). Contemporary European History, August 2023. https://www.cambridge.org/core/journals/contemporary-european-history/article/archaeology-of-a-treasure-island-actors-and-practices-of-holding-companies-in-luxembourg-19291940/C425D2D9D2569A1C2A869148FA428932#fn83 ↩︎
- INTERNATIONAL CONSORTIUM OF INVESTIGATIVE JOURNALISTS ICIJ (2014): Leaked Documents Expose Global Companies’ Secret Tax Deals in Luxembourg, November 5, 2014. https://www.icij.org/investigations/luxembourg-leaks/leaked-documents-expose-global-companies-secret-tax-deals-luxembourg/ ↩︎
- REGISTRE DE COMMERCE ET DES SOCIÉTÉS: Nombre total d’entités immatriculées au RCS (classées par forme juridique) https://www.lbr.lu/mjrcs/jsp/webapp/static/mjrcs/de/mjrcs/pdf/1_entites_immatriculees_au_rcs.pdf?time=1729879617731 ↩︎
- DE MOOJ, R., PRIHARDINI, P., PFLUGBEIL, A., STAVREV, E., (2020): International Taxation and Luxembourg‘s Economy. IMF Working Paper 20/64. ↩︎
- WISSENSCHAFTLICHE DINSTE DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS (2022): Arten und Besteuerung von Investmentfonds in Luxemburg, Frankreich und Irland. Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 058/22. https://www.bundestag.de/resource/blob/905698/ba7522145eaa834ae28a0482dbe7ec75/WD-4-058-22-pdf-data.pdf ↩︎
- Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl.) L 375/3. ↩︎
- STATEC Statistiques.lu: Luxembourgish undertakings for collective investment. https://lustat.statec.lu/vis?lc=en&pg=0&fs[0]=Topics%2C1%7CEnterprises%23D%23%7CFinancial%20activities%23D9%23&fc=Topics&df[ds]=ds-release&df[id]=DF_D7300&df[ag]=LU1&df[vs]=1.0&pd=2015%2C2023&dq=.A ↩︎
- Das gesamte Vermögen, das luxemburgische Haushalte in Investmentfonds angelegt haben, beträgt nach Berechnungen der Europäischen Zentralbank ca. 3,4 Mrd. Euro. Dies sind weniger als 0,1 % aller in Luxemburg verwalteter Investmentfondsanteile. Schon allein deshalb müssen diese Anlagen weit überwiegend aus dem Ausland stammen.
https://data.ecb.europa.eu/data/datasets/DWA?dataset%5B0%5D=Distributional%20Wealth%20Accounts%20%28DWA%29&filterSequence=dataset&advFilterDataset%5B0%5D=Distributional%20Wealth%20Accounts%20%28DWA%29 ↩︎ - DAAMGARD, J., ELKJAER, T., JOHANNESEN, N: (2019): What Is Real and What Is Not in the
Global FDI Network? IMF Working Paper WP/19/274. https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2019/12/11/what-is-real-and-what-is-not-in-the-global-fdi-network ↩︎ - Die Europäische Kommission hatte 2014 versucht, ein von Amazon mit den luxemburgischen Finanzbehörden vereinbartes aggressives Steuermodell über das EU-Beihilfenkontrollrecht auszuhebeln. Sie beanstandete überhöhte Zahlungen für die Nutzung von Lizenzen, Patenten und Markenrechten durch eine in Luxemburg steuerpflichtige Betriebsgesellschaften an eine andere Gesellschaft von Amazon, die die Rechte hierauf besitzt und nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA in Luxemburg nicht steuerpflichtig ist. Die Europäische Kommission sah darin eine nicht erlaubte Subvention in Höhe von 250 Mio. Euro und legte dem luxemburgischen Staat in einer förmlichen Entscheidung im Jahr 2017 auf, diese von Amazon zurückzufordern. Nach Klagen sowohl von Amazon als auch des luxemburgischen Staats vor dem Europäischen Gerichtshof hob dieser die Entscheidung im Jahr 2021 jedoch wieder auf, weil Luxemburg sein nationales Steuerrecht angewandt hatte und die Unternehmensbesteuerung nicht durch europäisches Recht geregelt ist. Siehe dazu auch PHILIPS, R., PYLE, J., PALAN, R., (2021): The Amazon Method. How to Take Advantage of the International State System to Avoid Paying Tax. Brussels 2021. ↩︎
- LEDERMAN, L. (2024): The Untold Tale of a Tax Rulings Haven. Stanford Journal of Law, Business & Finance 1 (2024), Indiana Legal Studies Research Paper. https://ssrn.com/abstract=4722847 ↩︎
- EUROPEAN COMMISSION: AMECO Database, 8.1 – Net capital stock at market prices. ↩︎
- Eigene Berechnungen auf der Basis von BANQUE CENTRALE DU LUXEMBOURG: Geographic breakdown of the Direct investment positions according to Extended directionnal principle – Statistical tables 09-07. ↩︎
- EU TAX OBSERVATORY (2024): Atlas of the Offshore World. https://atlas-offshore.world/country/LUX ↩︎
- BANQUE CENTRALE DU LUXEMBOURG: Geographic Breakdown of the Direct Investment Positions According to Extended Directional Principles – Statistical tables 09.07. ↩︎
- Shedding Light on Big Secrets in Tiny Luxembourg. OCCRP – Organized Crime and Corruption Reporting, Team OpenLux 2021. https://www.occrp.org/en/project/openlux/shedding-light-on-big-secrets-in-tiny-luxembourg ↩︎
- DE MOOJ, R., PRIHARDINI, P., PFLUGBEIL, A., STAVREV, E. (2020): International Taxation and Luxembourg‘s Economy. IMF Working Paper 20/64. ↩︎
- STATEC Statistiques.lu: Taxes And Social Contributions (detailed view) – Total General Government
https://lustat.statec.lu/vis?lc=en&pg=0&fs[0]=Topics%2C1%7CTotal%20economy%20and%20prices%23E%23%7CPublic%20finances%23E3%23&fc=Topics&df[ds]=ds-release&df[id]=DF_E3310&df[ag]=LU1&df[vs]=1.2&pd=2015%2C2023&dq=A. ↩︎ - DE MOOJ, R., PRIHARDINI, P., PFLUGBEIL, A., STAVREV, E. (2020): International Taxation and Luxembourg‘s Economy. IMF Working Paper 20/64. ↩︎
- KOCH, N. (2024): Äddi Tanktourismus? – Les effets potentiels, Fondation idea, Décryptage N° 30, Mars 2024.https://www.fondation-idea.lu/wp-content/uploads/sites/2/2024/03/Fondation-IDEA_-Decryptage-30_-Tanktourismus.pdf ↩︎
- BANQUE CENTRALE DU LUXEMBOURG: Luxembourg non-financial accounts – presentation by year– Statistical tables 05.07. ↩︎
- Der luxemburgische Wirtschafts- und Sozialrat (Conseil Economique et Social) bemerkt in einem Bericht zur grenzüberschreitenden Entwicklung ein, dass der luxemburgische Staat hohe Belastungen für die Zukunft durch Rentenansprüche der Grenzpendelnden vor sich herschiebt, die er erst in einigen Jahren bedienen muss. Dies ist jedoch ein allgemeines Problem der Rentenversicherung, für das die Grenzpendelnden nicht verantwortlich gemacht werden können. Sie haben mit ihren Einkommensteuerzahlungen einen hinreichenden Vorsorgebeitrag geleistet.
CONSEIL ECONOMIQUE ET SOCIAL (2022): Für eine kohärente Entwicklung der grenzüberschreitenden Metropole Luxemburgs in der Großregion, Luxemburg, 29.04.2022. https://ces.public.lu/content/dam/ces/fr/avis/themes-europeens/stellungnahme-koherente-grenzberschreitende-kooperation-in-der-grossregion-2022.pdf ↩︎ - Ebenda. ↩︎
- Grenzgängerarbeit zum Wohle der Grenzgemeinden und ihrer Einwohner:innen. Resolution deutscher und französischer Parlamentarierinnen und Bürgermeister (Erstunterzeichnende: Martine Etienne, Caroline Fiat, Charlotte Leduc, André Casoni, Dominique Gros, Verena Hubertz, Emily Vontz, Lena Verner, Wolfram Leibe), 2023. https://verena-hubertz.de/wp-content/uploads/2023/02/DE_Gastbeitrag.pdf ↩︎
- BOUCHET, M. (2024): Les dépenses publiques au Luxembourg : Everest ou Kneiff ? Fondation idea, Document de travail N°25, Juin 2024. https://www.fondation-idea.lu/2024/06/12/document-de-travail-n25-les-depenses-publiques-au-luxembourg-everest-ou-kneiff/ ↩︎
- Nach dem von der luxemburgischen Statistikbehörde STATEC verfassten Bericht über Arbeit und soziale Kohäsion ist die Hälfte aller Beschäftigten mit luxemburgischer Staatsbürgerschaft in der öffentlichen Verwaltung, im Bildungssektor und im Gesundheits- und Sozialwesen tätig. Siehe STATEC Institut national de la statistique et des études économiques (2024): Rapport travail et cohesion sociale. Analyses 03-24. https://statistiques.public.lu/fr/publications/series/analyses/2024/analyses-03-24.html ↩︎
- BOUCHET, M. (2024): Pensions: au pied du mur ! Fondation idea, Document de travail N°28, Novembre 2024. https://www.fondation-idea.lu/2024/12/11/document-de-travail-n28-pensions-au-pied-du-mur/ ↩︎
- Siehe dazu die Ausführungen der Ministerin für Gesundheit und soziale Sicherheit, Martine Deprez, in einem Interview mit der Zeitung „d’Lëtzebuerger Land“ am 05.01.2024.
https://gouvernement.lu/de/actualites/toutes_actualites/interviews/2024/01-janvier/05-deprez-letzebuerger-land.html ↩︎ - Eine der wenigen Ausnahmen sind die Publikationen des Think Tanks IDEA, überblicksartig zum Beispiel in: BOUCHET, M., DIEDERICH, R., HEIN, V. (2023): Une vision territoriale pour le Luxembourg Fir eng kohärent Entwécklung vum Land. Partie 1/4 Etat des lieux : les évolutions territoriales du Luxembourg. https://www.fondation-idea.lu/wp-content/uploads/sites/2/2023/02/Fondation-IDEA-Vision-territoriale-CH1-Etat-des-lieux.pdf ↩︎
- MINISTÈRE DE L’ÉCONOMIE (2023): VISION ECO2050 L’avenir de l’économie luxembourgeoise à l’horizon 2050, Luxembourg. https://luxstrategie.gouvernement.lu/dam-assets/documents/eco2050/rapport-vision-eco2050.pdf ↩︎
- HEINTZ, G. (2019): Zwänge eines kleinen Staates im Bereich des Steuersystems und der Steuereinkünfte. Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur, 394 (April 2019). ↩︎
- SHAXSON, N. (2019): The Finance Curse. How global finance is making us all poorer, London. ↩︎
- HAAS, T., PELTIER, F. (2017): Projections macroéconomiques et démographiques de long terme: 2017-2060, STATEC Bulletin No. 3 https://statistiques.public.lu/en/publications/series/bulletin-statec/2017/bulletin-03-17.html. ↩︎
- INSPECTION GÉNÉRALE DE LA SÉCURITÉ IGSS (2022): Bilan technique du regime general d’assurance pension – 2022. Luxembourg 2022. https://igss.gouvernement.lu/dam-assets/publications/bilans-pensions/bilan-technique-pensions-2022.pdf ↩︎
- BOUCHET, M., DIEDERICH, R., HEIN, V. (2023): Une vision territoriale pour le Luxembourg Fir eng kohärent Entwécklung vum Land. Partie 2/4 Scénario de développement économique et démographique à l’horizon 2050. https://www.fondation-idea.lu/wp-content/uploads/sites/2/2023/02/Fondation-IDEA-Vision-territoriale-CH2.-Scenario-economique-et-demographique.pdf ↩︎
- Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Papiers wurde in Deutschland die Wiedereinführung dauerhafter Grenzkontrollen an allen Außengrenzen diskutiert. Ob es dazu kommen wird und auch ob die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof einen solchen Verstoß gegen Europarecht hinnehmen würden, war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Die Umsetzung dieser Vorschläge würde das Grenzpendeln insgesamt erheblich erschweren und könnte eine weitere Steigerung unrealistisch machen. ↩︎
- Der Einzugsbereich des luxemburgischen Arbeitsmarkts umfasst in Deutschland den Eifelkreis Bitburg-Prüm, den Kreis Trier-Saarburg, den Kreis Merzig-Wadern und die Stadt Trier, in Frankreich die Arrondissements Thionville, Val-de-Briey und Metz und in Belgien die Arrondissements Arlon, Virton, Bastogne und Neufchateau sowie die Deutschsprachige Gemeinschaft. Der Anteil der Grenzpendelnden nach Luxemburg an den Beschäftigten liegt in allen Teilgebieten über 5 %. ↩︎
- Die übrigen ca. 36.000 Grenzpendler/innen nach Luxemburg wohnen in noch weiter entfernt gelegenen Regionen. ↩︎
- INTERNATIONALE ARBEITSMARKTBEOBACHTUNGSSTELLE – OBSERVATOIRE INTERRÉGIONAL DU MARCHÉ DE L’EMPLOI IBA-OIE (2024): Die Arbeitsmarktsituation in der Großregion 14. Bericht der Interregionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle an den 19. Gipfel der Exekutiven der Großregion – Vergleichende Analyse der Fachkräftestrategien in der Großregion. Saarbrücken Mai 2024. https://www.iba-oie.eu/fileadmin/user_upload/IBA-OIE/Publikationen/IBA-Berichte/2024/240718_DE_FK-Strategien_FINAL.pdf ↩︎
- Eine der wenigen Äußerungen, die dieses Problem erkannt und offen ausgesprochen haben, stammt von Aurélien Biscaut, Genrelsekretär der in Paris ansässigen Mission Opérationelle Transfrontalière (MIT). BISCAUT, A. (2023): Est-il utopique de mettre en œuvre un projet de territoire dans l‘agglomération transfrontalière du Luxembourg? In: Face au Grands Défits. Recueils d’IDEA, Septembre 2023. https://www.fondation-idea.lu/2023/09/07/recueil-didea-face-aux-grands-defis/ ↩︎
- SCHMITZ, J, VOLLOT, M. (2023): Grand Luxembourg: un modèle de dèveloppement intenable qui appelle de profondes réformes, In: Face au Grands Défits. Recueils d’IDEA, Septembre 2023. https://www.fondation-idea.lu/2023/09/07/recueil-didea-face-aux-grands-defis/ ↩︎
- Beispiele dafür sind das 2023 beschlossene Raumordnungsprogramm 2035 für Luxemburg (PDAT – Programme directeur d’amènagement du territoire) und eine auf Initiative des Wirtschaftsministeriums erstellte Strategie für die Wirtschaft Luxemburgs „Vision ECO2050 – L’avenir de l’économie luxembourgeoise à l’horizon 2050“). Letzteres diskutiert zwar ein Szenario „Circularité bio-régionale“ mit einer Einwohnerzahl, die am unteren Rand der in Tabelle 1 dargestellten Prognosen liegt. Dieses beruht aber auf einer globalen Wachstumsabschwächung und ist unabhängig von der Entwicklung des luxemburgischen Finanzsektors.
https://amenagement-territoire.public.lu/content/dam/amenagement_territoire/fr/strategies_territoriales/pdat-2023/annexes/pdat-programme-directeur-damnagement-du-territoire-4072023.pdf
https://luxstrategie.gouvernement.lu/dam-assets/documents/eco2050/rapport-vision-eco2050.pdf ↩︎ - CONSEIL ÉCONOMIQUE ET SOCIAL (2022): Für eine kohärente Entwicklung der grenzüberschreitenden Metropole Luxemburgs in der Großregion, Luxemburg 2022. https://ces.public.lu/content/dam/ces/fr/avis/themes-europeens/stellungnahme-koherente-grenzberschreitende-kooperation-in-der-grossregion-2022.pdf ↩︎
- HEIN, V. (2019): Gemeinsame Entwicklung in der grenzüberschreitenden Metropolregion Luxemburgs – hin zu einem tragfähigeren Modell? idea – Arbeitsdokument Nr. 13 November 2019. https://www.fondation-idea.lu/wp-content/uploads/sites/2/2020/01/IDEA_AD_Nr.13_Gemeinsame_Entwicklung_in_der_Metropolregion_Luxemburgs.pdf ↩︎
- Statistische Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden für die Kreise und kreisfreien Städte mit erheblicher Zeitverzögerung veröffentlicht. Da die Daten für das BIP, Löhne und Gehälter, verfügbare Einkommen und Beschäftigung in der Region Trier nur bis 2022 vorliegen, wird dieses Jahr auch für Luxemburg als Vergleichsbasis herangezogen. Insgesamt ist die Datenlage für die Region Trier deutlich schlechter als für Luxemburg. Siehe Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder. https://www.statistikportal.de/de/vgrdl/publikationen ↩︎
- STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER: Regionaldatenbank Deutschland 13211-02 – Arbeitslose nach ausgewählten Personengruppen sowie Arbeitslosenquoten – Jahresdurchschnitt – (ab 2009) ↩︎
- STATISTISCHES LANDESAMT RHEINLAND-PFALZ (2022), Demografischer Wandel in Rheinland-Pfalz Sechste regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung (Basisjahr 2020). Statistische Analysen No. 61, Bad Ems. https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/RPHeft_derivate_00007648/61_Demografischer_Wandel.pdf ↩︎
- Dieses Problem ist in einer Studie des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Trier zwar grundsätzlich erkannt, aber nicht in aller Konsequenz zu Ende gedacht worden. ARNOLD, D., KLUG, A., OTTO, A. (2020): Fachkräftesituation in der Region Trier. Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Trier, Stadt-Fokus 12/2020. https://www.trier.de/File/stadtfokus-die-fachkraeftesituation-in-der-region-trier.pdf ↩︎
- BANQUE CENTRALE DU LUXEMBOURG: Luxembourg non-financial accounts – presentation by year. Statistical tables 05.07. ↩︎
- In Luxemburg können Steuerpflichtige unter anderem Hypothekenzinsen auf das Eigenheim von der Einkommensteuer absetzen. Für die Berechnung der Steuern und Sozialabgaben der Grenzpendelnden stehen einfach zu verwendende Online-Tools zur Verfügung, z.B. https://www.diegrenzgaenger.lu/gehaltsrechner/ ↩︎
- ARBEITSKREIS VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNGEN DER LÄNDER (2023): Einkommen der privaten Haushalte in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1995 bis 2021, Reihe 2, Kreisergebnisse Band 3 ↩︎
- ARNOLD, D. in Zusammenhang mit WEINAND, J. (2020): Die Region Trier und der Luxemburger Arbeitsmarkt: Zusammenfassende Analyseergebnisse aus dem Projekt Task Force Grenzgänger 2.0. Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Trier, Stadt-Fokus 07/2020. https://www.trier.de/File/stadtfokus-luxemburger-arbeitsmarkt-und-region-trier.pdf ↩︎
- STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER: Regionaldatenbank Deutschland – 61511 Kaufwerte für Bauland. https://www.regionalstatistik.de/genesis/online?operation=statistic&levelindex=0&levelid=1729701736967&code=61511#abreadcrumb ↩︎
- Das gilt zum Beispiel für die Modellrechnung des Amtes für Statistik und Stadtforschung der Stadt Trier. ARNOLD, D. in Zusammenhang mit WEINAND, J. (2020): Die Region Trier und der Luxemburger Arbeitsmarkt: Zusammenfassende Analyseergebnisse aus dem Projekt Task Force Grenzgänger 2.0. Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Trier, Stadt-Fokus 07/2020.
https://www.trier.de/File/stadtfokus-luxemburger-arbeitsmarkt-und-region-trier.pdf ↩︎ - STATISTISCHES BUNDESAMT (2020): Jahresstatistik im Handel – 45341-0103 Umsatz, Arbeitsstätten, Verkaufsfläche im Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen): Regierungsbezirke, Jahre. ↩︎
- Die wichtigste Steuerquelle der Kommunen sind die Gewerbesteuer und der kommunale Anteil von 15 % an der Einkommensteuer bzw. 12 % an der Kapitalertragssteuer. Weitere bedeutende steuerliche Einnahmequellen sind die Grundsteuer und ein kommunaler Anteil von 2,2 % an der Umsatzsteuer. Hinzu kommen Einnahmen aus Gebühren und Beiträgen und einigen kleineren Kommunalsteuern. Die Steuerkraft der Gemeinden wird über standardisierte Indikatoren gemessen, die die Effekte der unterschiedlichen Hebesätze bei Grund- und Gewerbesteuern neutralisieren. Eine hohe Steuerkraft entsteht durch ertragsstarke Unternehmen und hohe steuerpflichtige Einkommen der Bürgerinnen und Bürger. ↩︎
- Da ein großer Teil der kommunalen Einnahmen und Ausgaben von den Kreisverwaltungen getätigt wird und deren Verteilung auf die Verbandsgemeinden nicht aufgeschlüsselt werden kann, muss hierbei von einer Differenzierung zwischen den fünf unmittelbar an der luxemburgischen Grenze liegenden Verbandsgemeinden und den übrigen Städten und Gemeinden der beiden Kreise abgesehen werden. Die Kreise Trier-Saarburg, Bitburg-Prüm und die Stadt Trier werden daher bei dieser Betrachtung zusammengefasst. ↩︎
- Beispiele für Studien aus Frankreich und Belgien sind CLÉMENT, F. (2021) Les relations entre l’Ostbelgien, la Wallonie et le Grand-Duché: vers un «Grand Luxembourg»?. Les cahiérs de la Grande Région, #4, Mai 2021, und SILLON LORRAIN (2023): Èvolution du marché de l’emploi dans la Grande Région Transfrontalière et ses impacts, Février 2023. ↩︎
- https://institut-gr.eu/ ↩︎
- https://www.uni.lu/fhse-en/research-projects/unigr-cbs-european-center-of-competence-and-knowledge-in-border-studies-unigr-center-for-border-studies/ ↩︎
- https://www.agape-lorrainenord.eu/ ↩︎
- https://www.iba-oie.eu/ibaoie-kompakt/ueber-uns ↩︎
- Idealerweise würde ein Kooperationsverbund gebildet, dem das Großherzogtum Luxemburg, auf deutscher Seite die Kreise Trier-Saarburg, Bitburg-Prüm, Merzig-Wadern und die kreisfreie Stadt Trier, in Frankreich die Arrondissements Thionville, Val-de-Briey und Metz und in Belgien die Arrondissements Arlon, Virton, Bastogne und Neufchateau sowie die Deutschsprachige Gemeinschaft angehören. Hierfür sollte ein einfach zu kommunizierender Name gefunden werden, mit dem sich alle Teilgebieten identifizieren können. Die in Luxemburg hierfür gelegentlich verwendeten Bezeichnungen „Groß-Luxemburg“ oder „Metropolregion Luxemburg“ erfüllen diese Anforderungen nicht, da sich die an Luxemburg angrenzenden Regionen zumindest in Frankreich und Deutschland nicht als Teil Luxemburgs verstehen und gesehen werden wollen. Das neu zu schaffende regionale Gebilde könnte auch nach einer Persönlichkeit aus der Region benannt werden, die die europäische Einigungsidee in besonderer Weise verkörpert, zum Beispiel „Robert-Schuman-Region“. ↩︎
- Dies entspricht der Forderung französischer und deutscher Bürgermeister und Abgeordneten in einer Resolution aus dem Jahr 2023: Grenzgängerarbeit zum Wohle der Grenzgemeinden und ihrer Einwohner:innen. Resolution deutscher und französischer Parlamentarierinnen und Bürgermeister (Erstunterzeichnende: Martine Etienne, Caroline Fiat, Charlotte Leduc, André Casoni, Dominique Gros, Verena Hubertz, Emily Vontz, Lena Verner, Wolfram Leibe), 2023. https://verena-hubertz.de/wp-content/uploads/2023/02/DE_Gastbeitrag.pdf ↩︎
- Eine ähnliche Idee ist zu finden in WURTH, M. (2023): Pourra-t-on poursuivre le développement économique et démographique soutenue sans réformes? In: Face au Grands Défits. Recueils d’IDEA, Septembre 2023. Darin wird jedoch bilateralen Vereinbarungen zwischen Luxemburg und seinen einzelnen Nachbarländern Vorzug gegeben. https://www.fondation-idea.lu/2023/09/07/recueil-didea-face-aux-grands-defis/ ↩︎
- Einige Ideen hierfür finden sich auch in einem Bericht des INSTITUT DE LA GRANDE RÉGION (IGR) vom 30. Oktober 2022: Regard sur les relations entre les territoires dans l’aire métropolitaine de Luxembourg. https://institut-gr.eu/2022/10/30/regard-sur-les-relations-entre-les-territoires-dans-laire-metropolitaine-de-luxembourg/ ↩︎
- Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1302/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) im Hinblick auf Präzisierungen, Vereinfachungen und Verbesserungen im Zusammenhang mit der Gründung und Arbeitsweise solcher Verbünde. ↩︎