Die rätselhafte Investitionslücke Nordrhein-Westfalens

Zu niedrige Investitionen machen den wirtschaftspolitischen Akteuren und Expertinnen in Deutschland schon seit längerem große Sorgen. Private und staatliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, in den Wohnungsbau, in Maschinen, Anlagen und IT-Ausrüstungen auf technologischem Spitzenniveau und in moderne Verkehrssysteme bilden den Kapitalstock eines Landes und bestimmen gemeinsam mit dem Faktor Arbeit dessen wirtschaftlichen Wohlstand. Um diesen Wohlstand für die Zukunft zu sichern und weiter auszubauen, müssen jetzt die notwendigen Investitionen getätigt werden. Dies gilt vor allem für die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft, die nur mit einem deutlichen Anstieg der Investitionen gelingen kann.

Davon ist das einstige Kohle- und Energieland Nordrhein-Westfalen (NRW) in besonderem Maße betroffen, denn es muss zahlreiche fossile Kraftwerke ersetzen und seine bedeutende energieintensive Grundstoffindustrie umrüsten. Der Klimaschutz erfordert in NRW also eine besonders starke Steigerung der Investitionen. Die Ausgangsbedingungen sind dafür jedoch schwieriger als anderswo, denn NRW hat seine Investitionen in den vergangenen Jahren noch mehr vernachlässigt als andere Länder. Die Investitionsquote als Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt in NRW seit langem deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. NRW steht damit vor einer doppelten Herausforderung: Es muss erstens die ohnehin schon sehr niedrige Investitionsquote stark steigern, um seinen wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern, und es muss zweitens überproportional hohe Klimaschutzinvestitionen tätigen, um sich von der Abhängigkeit von fossilen Energien zu lösen.

Das Vorkommen von Stein- und Braunkohle hatte NRW zu einem Zentrum der fossilen Stromerzeugung gemacht. Wegen der hohen Kraftwerkskapazitäten und der Verfügbarkeit von Kokskohle war das Land bisher auch ein bevorzugter Standort für die Stahlerzeugung, die Chemische Industrie und andere energieintensive Wirtschaftszweige. Der zeitlich vorgezogene Ausstieg aus der Kohleverstromung verstärkt den Druck auf die Energiewirtschaft und die betroffenen Industrieunternehmen, schneller klimaneutrale Alternativen zu entwickeln. Hierzu sind erhebliche Investitionen notwendig, unter anderem für Windräder, Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, die Wärmedämmung von Altbauten, den Ausbau der Bahninfrastruktur, Elektrofahrzeuge, Ladestationen, Stromverteilnetze, Wasserstofferzeugung und nicht zuletzt klimaneutrale Produktionsverfahren in den Grundstoffindustrien wie etwa Direktreduktionsanlagen zur Erzeugung von „grünem“ Stahl. Ein Teil davon ersetzt nur abgeschriebene Anlagen auf fossiler Energiebasis durch klimaneutrale Investitionen. Ein nicht geringer Teil kommt aber „on top“ hinzu, auch weil klimaneutrale Lösungen meistens teurer sind als die konventionellen Investitionen, die sie ersetzen.

Die Bruttoanlageinvestitionen als Summe aller Investitionen in Hoch- und Tiefbauten, Maschinen, Anlagen, IT-Ausrüstungen, Fahrzeuge sowie immaterielle Anlagen wie Software, Patente, Lizenzen und Urheberrechte (neue Anlagen) beliefen sich 2020 in NRW auf 121,4 Mrd. Euro, das ist ein Anteil von 17,2 % des BIP.[1] In den übrigen westdeutschen Bundesländern lag die Investitionsquote im selben Jahr mit 24,2 % deutlich darüber. Bei einer gleich hohen Investitionsquote wie in den übrigen Westländern würden sich die Bruttoanlageinvestitionen in NRW auf 171,1 Mrd. Euro belaufen, das sind 49,5 Mrd. Euro mehr als tatsächlich aufgewendet wurden. Diese Differenz kann als strukturelle Investitionslücke NRWs verstanden werden, zu der die zusätzlich notwendigen Investitionen für den Klimaschutz hinzuaddiert werden müssen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft IW hat in einer Studie[2] im Jahr 2022 einen jährlichen Investitionsbedarf in Höhe von ca. 50 Mrd. Euro für die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft in NRW errechnet. Der größere Teil davon ist als Ersatzinvestitionen für abgeschriebene klimaschädliche Anlagen zu verstehen, es wird aber auch ein echter Mehrbedarf für den Klimaschutz von ca. 5 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Aufgrund der zwischenzeitlich beschlossenen beschleunigten klimaneutralen Transformation, insbesondere aufgrund der eingetretenen Rohstoffpreissteigerungen und des notwendigen Abbaus der Energieabhängigkeit von Russland, hat der Direktor des IW, Michael Hüther, die Schätzung des Gesamtbedarfs für klimaschutzbedingte Investitionen auf jährlich 65 bis 79 Mrd. Euro angehoben.[3] Legt man den Mittelwert von 72 Mrd. Euro zugrunde, kommen also unter jetzigen Bedingungen noch einmal 22 Mrd. Euro hinzu.

Die viel diskutierten Kosten des Klimaschutzes drücken sich vornehmlich in dieser erhöhten Investitionsrechnung aus. Addiert man die ohnehin schon bestehende strukturelle Investitionslücke hinzu, kommt man auf einen zusätzlichen Bedarf an privaten und staatlichen Investitionen von gut 70 Mrd. Euro pro Jahr. Wenn NRW seinen Investitionsrückstand aufholen und zugleich die notwendigen zusätzlichen Investitionen in die klimaneutrale Transformation tätigen will, benötigt es jährliche Bruttoanlageinvestitionen in einer Größenordnung von ca. 190 bis 200 Mrd. Euro. Dies entspräche einer Investitionsquote am BIP von etwa 26 bis 27 %. Die derzeitige Investitionsquote von 17,2 % müsste dazu um ca. 9 Prozentpunkte angehoben werden. Dies erfordert mehr als nur einen Kraftakt, ist aber nicht völlig unrealistisch, wenn man bedenkt, dass die übrigen westdeutschen Länder jetzt schon eine Investitionsquote etwa 24 % aufweisen und dieser Wert auch von vielen OECD-Ländern erreicht wird. Wie in diesem Beitrag gezeigt wird, sind die dafür notwendigen volkswirtschaftlichen Ressourcen grundsätzlich vorhanden. Es kommt darauf an, diese zu mobilisieren und die Finanz- und Kapitalmärkte dazu besser aufzustellen.

Die jetzige Investitionsquote reicht bei weitem nicht aus, um den wirtschaftlichen Wohlstand des Landes dauerhaft zu sichern und klimaneutral auszugestalten. NRW liegt damit am unteren Rand der OECD-Länder, etwa gleichauf mit Italien und Großbritannien, nur noch unterboten von Griechenland. Es hat den Anschein, dass diese harten ökonomischen Fakten noch nicht im Bewusstsein von Landespolitik, Wirtschaft und Medien angekommen sind. In der Selbstwahrnehmung ist NRW immer noch das wirtschaftsstärkste deutsche Bundesland, das zwar mit großen Strukturproblemen zu kämpfen hat, diese aber im Großen und Ganzen gut bewältigt. Im Koalitionsvertrag zur Bildung einer Landesregierung haben die Regierungspartner CDU und Grüne das Ziel aufgestellt, dass Nordrhein-Westfalen „zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas“ und „einer der innovativsten, nachhaltigsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsstandorte in Europa“ wird.[4] Dazu werden hohe Investitionen in den Klimaschutz angekündigt. Aber die bestehende Investitionslücke wird darin nicht explizit thematisiert und es ist nicht ersichtlich, dass der Handlungsbedarf in seinem ganzen Ausmaß erkannt und verstanden wurde. Wenn NRW diese doppelte Herausforderung bewältigen will, nämlich klimaschutzpolitische Avantgarde sein und zugleich den Erhalt und weiteren Ausbau des wirtschaftlichen Wohlstands bewältigen zu wollen, reicht ein inkrementeller Anstieg der Investitionsquote nicht aus. NRW muss sich dazu in neue Dimensionen vorwagen.

Seit vielen Jahren beunruhigend schwache Investitionstätigkeit in allen Sektoren der Wirtschaft Nordrhein-Westfalens

Die nachfolgende Analyse der Investitionstätigkeit in NRW stützt sich, soweit nicht anders angegeben, auf Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder, insbesondere auf die Statistik der Anlageinvestitionen und des Anlagevermögens.[5] Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Investitionsquoten in NRW (blau) und in den übrigen neun westdeutschen Ländern (rot) von 1970 bis 2020. Die ostdeutschen Länder werden bei den folgenden Analyseschritten ausgeklammert, weil für sie vor 1991 keine vergleichbaren Daten vorliegen und weil der öffentlich geförderte Bau- und Investitionsboom nach der Wiedervereinigung und das anschließende Abflachen einen Vergleich ihrer Investitionsdaten mit den westdeutschen sehr erschwert.

Abbildung 1: Investitionsquoten in NRW und Westdeutschland ohne NRW (Bruttoanlageinvestitionen in % des BIP), 1970-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023; Dies. (2007): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder. Rückrechnungen 1970 bis 1991 – Arbeitstabellen. Ergebnisse der Revision 2005, Stuttgart 2007.

Während der zurückliegenden fünf Jahrzehnte sank die Investitionsquote in NRW (blau) in Wellen von rund 21 % des BIP zu Beginn der 1970er Jahre auf etwa 17 % ab ca. 2005 und verharrt seither auf diesem niedrigen Niveau. Erst seit ca. 2016 zeigt sie wieder eine leicht ansteigende Tendenz. NRW lag während des gesamten Zeitraums hinter den übrigen neun westdeutschen Bundesländern (rot) und der Rückstand vergrößerte sich tendenziell im zeitlichen Verlauf auf inzwischen ca. sieben Prozentpunkte. Im Unterschied zu NRW steigt die Investitionsquote in den übrigen Westländern seit einigen Jahren erneut. Das Niveau der 1980er und 1990er Jahre ist dort bereits wieder erreicht, während NRW davon noch weit entfernt ist.

Eine Differenzierung zwischen Bauinvestitionen einerseits und den Ausrüstungs- und immateriellen Investitionen andererseits nimmt die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder erst seit 1991 vor. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Investitionen in Ausrüstungsgüter wie Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge sowie in immaterielle Wirtschaftsgüter wie Software, Patente, Lizenzen und Markenrechte, die diese in einer Kategorie zusammenfasst. Während ihr BIP-Anteil in NRW von einem Ausgangsniveau von ca. 10 % Anfang der 1990er Jahre auf aktuell etwa 9,5 % leicht zurückgegangen ist, stieg er in den übrigen westdeutschen Ländern von gut 11 % auf jetzt über 12 %. Ausrüstungsinvestitionen schwanken konjunkturbedingt sehr stark und weisen auf der Zeitachse einen wellenförmigen Verlauf auf. Erkennbar ist eine starke Delle Mitte der 1990er Jahre, als viele Unternehmen hohe Investitionen in Ostdeutschland zu Lasten ihrer westdeutschen Standorte tätigten. Der Rückstand NRWs auf die übrigen westdeutschen Länder hat sich bei den Ausrüstungs- und immateriellen Investitionen im zeitlichen Verlauf von einem Prozentpunkt Anfang der 1990er Jahre auf inzwischen fast drei Prozentpunkte vergrößert. Der Anstieg der Ausrüstungs- und immateriellen Investitionen ist vor allem auf hohe Beschaffungen des Dienstleistungssektors, u.a. von IT-Anlagen, Software und Fahrzeugen zurückzuführen. Dort stiegen sie auch in NRW, während das Produzierende Gewerbe seine Investitionen im zeitlichen Verlauf stark zurückführte.

Abbildung 2: Investitionsquoten in NRW und Westdeutschland ohne NRW in % des BIP (Bruttoausrüstungen und immaterielle Anlage), 1991-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023.

Die Bauinvestitionen unterscheiden sich von den übrigen Investitionen sowohl in NRW als auch in den übrigen Teilen Westdeutschlands im Wesentlichen durch einen U-förmigen Verlauf, wobei der Wiederanstieg des BIP-Anteils der Bauinvestitionen in NRW erst 2012 und damit deutlich später als in den anderen Ländern einsetzte und bisher viel schwächer geblieben ist.

Abbildung 3: Investitionsquoten in NRW und Westdeutschland ohne NRW (Bruttobauinvestitionen in % des BIP), 1991-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023.

Ein Großteil der Investitionen dient dem Ersatz abgeschriebener Altanlagen. Nur wenn die Bruttoanlageinvestitionen die Abschreibungen übersteigen, kann sich der Kapitalstock vergrößern und Wachstum herbeiführen. Die Nettoanlageinvestitionen lassen sich als Differenz zwischen Bruttoanlageinvestitionen und Abschreibungen errechnen.[6] Abbildung 4 enthält wieder die Ergebnisse für NRW und die übrigen neun westdeutschen Bundesländer. Bemerkenswert ist, dass die Nettoinvestitionen seit ca. 2003 in NRW nur noch knapp über der Nullmarke. Die Bruttoinvestitionen reichten in den vergangenen Jahren gerade eben mal aus, um den Wertverlust der bestehenden Anlagen auszugleichen. Wenn es unter diesen Umständen zu echten Neuinvestitionen gekommen ist, dann müssen bestehende Gebäude, Infrastrukturen, Maschinen und Anlagen verfallen oder nicht mehr vollständig repariert oder ersetzt worden sein.

Abbildung 4: Nettoanlageinvestitionen (Bruttoanlageinvestitionen abzüglich Abschreibungen) in NRW und Westdeutschland ohne NRW in % des BIP, 1991-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023.

In den übrigen Bundesländern sanken die Nettoanlageinvestitionen ebenfalls bis ca. 2010, unterschritten aber nur in wenigen Jahren die Marke von 3 % des BIP und zeigten zuletzt wieder eine spürbar ansteigende Tendenz.

Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf den Kapitalstock, der alle in der Vergangenheit getätigten und produktiv nutzbaren Investitionen über ihre gesamte Lebensdauer kumulativ erfasst. Dabei wird zwischen Brutto- und Nettoanlagevermögen unterschieden. Während beim Bruttoanlagevermögen die Investitionsgüter mit ihrem Neuwert bewertet werden, erfolgt beim Nettoanlagevermögen eine Minderung um die seit dem Investitionszeitpunkt aufgelaufenen Abschreibungen. Das Nettoanlagevermögen berücksichtigt das Alter und die Abnutzung der Investitionsgüter und zeichnet damit ein realistischeres Bild vom Kapitalstock.

Das Bruttoanlagevermögen belief sich im Jahr 2020 in NRW auf 3.863 Mrd. Euro, das Nettoanlagevermögen auf 2.023 Mrd. Euro. Zum Zwecke der Vergleichbarkeit mit den übrigen neun westdeutschen Ländern wurde in Abbildung 5 ein Index des preisbereinigten Nettoanlagevermögens mit dem Jahr 1970 als Basisjahr (1970=100) gebildet.

Abbildung 5: Index des Kapitalstocks (Nettoanlagevermögen) in NRW und Westdeutschland ohne NRW 1970-2020, preisbereinigt, 1970=100

 Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2022): Anlagevermögen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2019, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 4 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023; Dies. (2007): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder. Rückrechnungen 1970 bis 1991 – Arbeitstabellen. Ergebnisse der Revision 2005, Stuttgart 2007.

Der preisbereinigte Kapitalstock steigerte seinen Indexwert in NRW von 100 im Jahr 1970 auf 197 im Jahr 2020. Damit hat sich der Wert der Ausrüstungsgüter und Bauten in NRW im letzten halben Jahrhundert real in etwa verdoppelt. Bemerkenswert ist, dass sich der Anstieg im Laufe der Zeit kontinuierlich abgeflacht hat und seit etwa 2008 stagniert. Dies ist die Folge der sehr niedrigen Nettoinvestitionen in den vergangenen 10 Jahren, die nur knapp über der Nullmarke lagen. In den übrigen westdeutschen Ländern wuchs der Kapitalstock im gleichen Zeitraum auf etwa das Zweieinhalbfache und damit deutlich stärker als in NRW. Der Rückstand NRWs auf die übrigen Bundesländer war bis etwa zum Jahr 2000 noch sehr moderat, erst in den vergangenen 20 Jahren hat sich die Schere stärker ausgeweitet.

Aufgrund der oftmals langen Lebensdauer von Investitionsgütern baut sich ein Kapitalstock nur sehr langsam auf und bleibt über einen langen Zeitraum sehr stabil. Die unterbliebenen Investitionen der vergangenen fünf Jahrzehnte in NRW stellen damit eine schwere Belastung für die wirtschaftliche Zukunft des Landes dar, die kurzfristig eine nachhaltige Verbesserung so gut wie unmöglich macht.

Die nordrhein-westfälische Wirtschaft weist seit längerem auch eine signifikant niedrigere Kapitalintensität als Verhältnis zwischen Kapitalstock und Bruttoinlandsprodukt auf, d.h. das Bruttoinlandsprodukt wird mit einem geringeren Kapitaleinsatz als in den anderen Teilen des Landes erwirtschaftet. In NRW beträgt die Kapitalintensität aktuell bei Verwendung des Nettoanlagevermögens 2,9 und bei Verwendung des Bruttoanlagevermögens, also ohne Absetzung von Abschreibungen, 5,6. In den übrigen westdeutschen Ländern liegen die entsprechenden Werte mit 3,6 bzw. 6,6 deutlich darüber. Dies überrascht wegen des hohen Anteils der Grundstoffindustrien im Verarbeitenden Gewerbe in NRW, die allgemein als besonders kapitalintensiv gelten, so dass dort oft eine höhere Kapitalintensität angenommen wird.

Die über lange Zeit schwache Investitionstätigkeit in NRW schlägt sich auch in einem niedrigen Modernitätsgrad des Kapitalstocks nieder, für den seit 1991 Länderdaten veröffentlicht werden. Dieser wird als Index gebildet, indem das Netto- zum Bruttoanlagevermögen ins Verhältnis gesetzt wird. Ein hoher Abschreibungsanteil am bestehenden Anlagevermögen und ein überdurchschnittliches Alter der Bauten und Produktionsanlagen bewirken einen niedrigen Modernitätsgrad. 

Abbildung 6: Modernitätsgrad des Kapitalstocks in NRW, Deutschland insgesamt und Ostdeutschland, 1991-2020

 Quelle: Statistische Ämter der Länder (2023): Anlagevermögen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2019, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 4 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023.

Abbildung 6 bildet den Modernitätsgrad in NRW, Deutschland insgesamt und den ostdeutschen Ländern (einschließlich Berlin) ab, Daten für die neun westdeutschen Bundesländer ohne NRW als Ganzes werden in der Anlagevermögensstatistik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder nicht angezeigt. Aufgrund der bisherigen Analysen überrascht es nicht, dass der Modernitätsgrad des Kapitalstocks ist in NRW niedriger als im Bundesdurchschnitt war und seit 1990 wie im Bundesgebiet insgesamt kontinuierlich gesunken ist. In Ostdeutschland führte der staatlich geförderte Investitionsboom der 1990er Jahre zunächst noch zu einem Anstieg des Modernitätsgrades. Seit 1998 fällt er auch dort sehr stark, ist aber immer noch höher als im Bundesdurchschnitt.

Deutschland produziert zunehmend mit veralteten und in die Jahre gekommenen Anlagen und vernachlässigt die Modernisierung seiner Infrastruktur und seines Wohnungsbestandes. In NRW ist der Kapitalstock noch mehr veraltet als in den anderen Bundesländern. Die Klagen über marode Brücken, verfallende Straßen und Bahngleise, vernachlässigte Schulgebäude, Funklöcher und fehlende Glasfaserabdeckung finden in diesen Zahlen ihren Ausdruck. Auch die Industrie verwendet zunehmend alte und abgeschriebene Maschinen, die sich nicht mehr auf dem Stand der Technik befinden und nicht von der neuesten Software gesteuert werden. Durch die schwache Investitionstätigkeit fällt das Land auch technologisch zurück und die Produktivität stagniert. Sinkende und dauerhaft niedrige Investitionen gefährden die Zukunftsfähigkeit der Industrie. Mit alten und abgeschriebenen Anlagen und Gebäuden lässt sich noch eine Weile produzieren und kurzfristig kann es sogar rentabel sein, auf Investitionen zu verzichten, weil dadurch Kapitalkosten eingespart werden. Aber mittel- bis langfristig entsteht großer Schaden, der erst bemerkt wird, wenn es für eine Kurskorrektur zu spät ist.

NRW hat also unabhängig von dem hohen Investitionsbedarf für die klimaschutzbedingte Transformation ein veritables Investitionsproblem, das die wirtschaftliche Zukunft und den Wohlstand des Landes gefährdet.

Zu niedrige Investitionsquoten sind in allen Sektoren in NRW, im Produzierenden Gewerbe aber erst seit 1990

Die Investitionsschwäche NRWs betrifft alle Anlageformen und alle Wirtschaftsbereiche gleichermaßen, aber das war nicht immer so. Abbildung 7 zeigt den Anteil der Bruttoanlageinvestitionen im Produzierenden Gewerbe am BIP seit 1970. Bemerkenswert ist, dass der industrielle Sektor in NRW noch bis etwa 1990 genauso viel investierte wie in den übrigen westdeutschen Ländern. Während die Investitionsquote der Industrie außerhalb von NRW über diese gesamten 50 Jahre, von einigen Ausreißern abgesehen, mit Anteilen am BIP zwischen 5 und 6 % weitgehend stabil blieb und seit rd. 10 Jahren wieder leicht steigt, ist sie in NRW seit 1990 kontinuierlich auf Anteile von +/- 4 % des BIP gesunken. Die Industrie und das sonstige Produzierende Gewerbe der anderen westdeutschen Länder investiert gegenüber NRW um die Hälfte mehr in neue Produktionsanlagen.

Abbildung 7: Investitionsquoten des Produzierenden Gewerbes in NRW und Westdeutschland ohne NRW (Bruttoanlageinvestitionen des Produzierenden Gewerbes in % des BIP), 1970-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023; Dies. (2007): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder. Rückrechnungen 1970 bis 1991 – Arbeitstabellen. Ergebnisse der Revision 2005, Stuttgart 2007.

Darin zeigt sich, dass die in NRW bedeutsamen Grundstoffindustrien mit ihren sehr langfristigen Investitionszyklen ihre letzten großen Investitionen in den 1970er und 1980er Jahren getätigt haben. Seither haben sie diese nur notdürftig modernisiert und produzieren immer noch mit ihnen. Auch Anteilsverluste der kapitalintensiven Grundstoffindustrien dürften dazu beigetragen haben. Außerdem ist der Investitionsboom der deutschen Automobilindustrie in den letzten Jahren weitgehend spurlos an NRW vorbeigegangen. Das erstmalige Auftreten der Schere zwischen NRW und den übrigen Ländern kurz nach dem Fall der Mauer deutet darauf hin, dass die NRW-Unternehmen Neuinvestitionen auch in stärkerem Maße als andere nach Ostdeutschland und später nach Mittel- und Osteuropa und China verlagert haben könnten.

Etwa drei Viertel der gesamten Bruttoanlageinvestitionen entfallen auf den Dienstleistungssektor. Darin miterfasst sind auch die staatlichen Infrastrukturinvestitionen und Investitionen in selbstgenutzte und vermietete Wohnungen. Dieser zeigt ein etwas anderes Bild (Abbildung 8), wenngleich die Investitionsschwäche NRWs hier ebenfalls gut sichtbar ist. NRW hatte während des gesamten Zeitraums seit 1970 eine niedrigere Investitionsquote im Dienstleistungssektor als die übrigen westlichen Bundesländer. In den 1970er Jahren war der Rückstand besonders hoch. Er verringerte sich bis ca. 2000, aber nicht, weil die Investitionen in NRW anzogen, sondern weil sie sich in den übrigen Bundesländern abschwächten. Anschließend wurde die Lücke wieder größer und beträgt heute ca. 4,5 % des BIP. Die Trendlinie für NRW zeigt einen kontinuierlichen Rückgang der Investitionen in den Dienstleistungen, eine Trendumkehr ist im Unterschied zu den übrigen westlichen Ländern noch nicht zu erkennen.

Abbildung 8: Investitionsquoten des Dienstleistungssektors in NRW und Westdeutschland ohne NRW (Bruttoanlageinvestitionen der Dienstleistungssektors in % des BIP), 1970-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023; Dies. (2007): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder. Rückrechnungen 1970 bis 1991 – Arbeitstabellen. Ergebnisse der Revision 2005, Stuttgart 2007.

Eine nach Bundesländern differenzierte Analyse der Wohnungsbauinvestitionen ist mit den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht möglich. Diese lassen sich nur grob aus den Bauinvestitionen des Sektors „Grundstücks- und Wohnungswesen“ herleiten, der seit 1995 als Teilbereich des Dienstleistungssektors separat ausgewiesen wird. Neben den Investitionen privater Haushalte in selbstgenutzte und vermietete Immobilien enthält er auch die sonstigen Investitionen gewerblicher Immobilienunternehmen, z.B. in Bürogebäude und Einkaufszentren. Im Jahr 2020 stellten sie mit 240 Mrd. Euro fast ein Drittel der Gesamtinvestitionen von 764 Mrd. Euro. Mit 92 Mrd. Euro entfällt der kleinere Teil davon auf Neubauten,[7] der größere Teil geht in Modernisierungs- und Erhaltungsinvestitionen, zu denen auch Maßnahmen zum Energiesparen und Klimaschutz wie Wärmedämmung und die Installation von Photovoltaikanlagen zählen.

Abbildung 9: Investitionsquoten des Sektors „Grundstücks- und Wohnungswesen“ in NRW und Westdeutschland ohne NRW (Bauinvestitionen in % des BIP), 1995-2020


Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023.

Die von diesem Segment getätigten Bauinvestitionen zeigten in NRW und in den übrigen westdeutschen Ländern zwischen 1995 und 2020 (Abbildung 9) ähnliche Entwicklungstendenzen wie im Dienstleistungssektor insgesamt, was aber auch wegen seines hohen Anteils an diesem nicht überraschen kann. Die Investitionsausgaben für den Wohnungsbau und sonstige gewerbliche Mietobjekte lagen in NRW vor 2000 noch bei 5 bis 6 % des BIP, gingen dann auf Werte von ca. 4,5 % zurück und erholten sich bis heute nicht. In den übrigen West-Ländern gingen sie ebenfalls bis 2005 zurück, allerdings ausgehend von einem höheren Ausgangsniveau, und stiegen zuletzt wieder kräftig auf Anteile von 7 bis 8 % des BIP an. Ein schwacher Wohnungsbau und geringere Investitionen in gewerbliche Immobilien sind damit für fast die Hälfte des gesamten Investitionsrückstandes NRWs verantwortlich. Hierzu hat auch beigetragen, dass die Wohnbevölkerung in NRW weniger stark gewachsen ist als in den übrigen westdeutschen Ländern und der Bedarf an Wohnungsneubauten dementsprechend geringer ausfiel. Ein anderer Faktor dürften niedrigere Investitionen in die Wohnungsmodernisierung sein, was auf einen größeren Nachholbedarf bei der energetischen Sanierung im Altbaubestand hindeutet.

Von besonderem Interesse sind die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen, nicht nur wegen ihrer Bedeutung für die Daseinsvorsorge in den Regionen, Städten und Gemeinden, sondern auch weil sie eine Anreiz- und Signalfunktion für private Investitionen ausüben. Bundesweit beliefen sie sich 2022 auf 103 Mrd. Euro, das ist ein Anteil von 11,8 % aller Bruttoinvestitionen. Hiervon entfielen je 31 Mrd. Euro auf den Bund und die Länder, 40 Mrd. Euro auf die Kommunen und 1 Mrd. Euro auf die Sozialversicherungen.[8] Weder die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder noch eine andere Datenquelle weist diese aber differenziert nach Ländern aus. Daher müssen sie für das Land NRW aus anderen Quellen hergeleitet und grob geschätzt werden.

Das Land NRW und seine Kommunen tätigen ihre Investitionen fast vollständig im Land selbst. Bezogen auf das BIP investierten sie weniger als die übrigen Länder bzw. die Kommunen außerhalb von NRW. Der Anteil der Investitionsausgaben am Landeshaushalt von NRW lag in den vergangenen Jahren regelmäßig bei ca. 2 %, das waren weniger als 2 Mrd. Euro. Im Durchschnitt der Länder lagen die Investitionsanteile zwischen 3,5 und 4 %.[9]

Die quantitativ sehr bedeutsamen Bauinvestitionen der Kommunen werden regelmäßig vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung erhoben und in dessen Inkar-Datenbank veröffentlicht.[10] Sie umfassen vor allem Ausgaben für Schulbauten, innerstädtische Verkehrswege, Grünanlagen, Soziales, Kultur, Jugend und Sport. Im Bundesdurchschnitt betrugen die kommunalen Investitionen 2020 pro Kopf 405 Euro. NRW lag mit 279 Euro deutlich darunter, während die bayerischen (686 Euro), niedersächsischen (503 Euro) und baden-württembergischen Kommunen (495 Euro) wesentlich mehr in ihre Infrastruktur investierten. NRW lag hierbei auch in den meisten Jahren unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Länder. Die hohe Verschuldung vieler nordrhein-westfälischer Städte und Gemeinden und ihre überproportionale Betroffenheit durch verpflichtende Sozialleistungen lässt ihnen nicht viel Spielraum für Investitionen, die in der Regel nicht zu den gesetzlichen Pflichtaufgaben zählen und daher von Sparmaßnahmen immer zuerst betroffen sind.

Eine systematische und umfassende Aufschlüsselung der Investitionsausgaben des Bundes auf die Länder existiert nicht. Hinweise hierauf lassen sich jedoch aus Berichten verschiedener Ministerien entnehmen. Über die größten Investitionsbudgets verfügen das Verteidigungs- und das Verkehrsministerium mit Investitionsausgaben von je etwa 10 Mrd. Euro pro Jahr,[11] zusammen sind das etwa zwei Drittel aller Investitionen des Bundes. Wenn sich die Investitionen des Verteidigungsministeriums in etwa proportional zu den Bundeswehrstandorten und den dort stationierten Soldaten auf die Länder verteilen, dann entfällt bei 20.500 Soldaten[12] (bundesweit insgesamt 180.000) ein Anteil von 11 % auf NRW. Dies würde ein Investitionsvolumen von 1,1 Mrd. Euro bedeuten.[13] Die Anteile der Länder an den Verkehrsinvestitionen des Bundes lassen sich grob aus dem Verkehrsinvestitionsbericht der Bundesregierung herleiten. Beim Bundesfernstraßenbau lag der Anteil NRWs im Jahr 2020 bei 17 %.[14] Für den Schienenverkehr sind keine länderscharfen Anteile veröffentlicht. Da sich die großen Bahnprojekte überwiegend in Süd- und Ostdeutschland befinden, dürfte der Anteil NRWs hieran deutlich niedriger als beim Straßenbau sein. Daraus muss man schlussfolgern, dass NRW einen wesentlich niedrigeren Anteil an den gesamten Investitionsausgaben des Bundes erhält als seiner Bevölkerungszahl oder seinem BIP (je ca. 21 %) entspricht. Er dürfte bei etwa 4 Mrd. Euro pro Jahr liegen. Zusammen mit den Investitionen des Landes (2 Mrd. Euro) und der Kommunen (4 bis 5 Mrd. Euro) ergibt dies geschätzte staatliche Investitionen von 10 bis 11 Mrd. Euro im Jahr. Dies sind etwa 9 % der Gesamtinvestitionen und 1,5 % des BIP von NRW. Der Anteil der staatlichen Investitionen an den Gesamtinvestitionen liegt in NRW also unter dem ohnehin schon niedrigen Niveau der übrigen Bundesländer.

Abbildung 10: Investitionsquoten der Infrastruktursektoren in NRW und Westdeutschland ohne NRW (Bruttobauinvestitionen in % des BIP), 1995-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023.

Eine grobe Abschätzung der Infrastrukturinvestitionen lässt sich auch aus den Bauinvestitionen in den Sektoren „Energie, Wasser, Abwasser, Abfall“, „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation“ sowie „Öffentliche Dienste, Erziehung, Gesundheit“ herleiten, die die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder ausweist. Diese umfassen auch private Investitionen. Da aber öffentliche Infrastrukturinvestitionen in Bereichen wie Abwasser, Abfallwirtschaft, Verkehr und dem Gesundheitswesen zunehmend auch durch private Unternehmen getätigt werden, erscheint dies hinnehmbar.

Die Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in Abbildung 10 passen zu den vorherigen Schätzungen der staatlichen Investitionen. Sie zeigen einen Anteil von knapp 3 % des BIP in NRW Ende der 1990er Jahre, der anschließend auf unter 2 % zurückging und zuletzt wieder auf 2,5 % anstieg. Wenn man einen Anteil von einem Prozentpunkt privater Investitionen hierin unterstellt, dann wären die verbleibenden 1,5 % die vorhin schon geschätzten reinen staatlichen Investitionen. Hierin bestätigt sich, dass in den übrigen Ländern ein durchweg um einen Prozentpunkt höherer Anteil ihres BIP für staatliche Infrastrukturinvestitionen verwendet wird.

Abbildung 11: Investitionsquoten (Bruttoanlageinvestitionen in % des BIP) in NRW, den Regierungsbezirken in NRW und Westdeutschland ohne NRW, 2000-2020 

Quelle: Eigene Berechnungen nach IT.NRW (2023): Bruttoanlageninvestitionen, darunter neue Anlagen nach Abschnitten und Zusammenfassungen (7) der WZ 2008 – Regierungsbezirke – Jahr.

Vielfach wird die Investitionsschwäche in NRW auf die besonderen Probleme der strukturschwachen Regionen des Landes, insbesondere des Ruhrgebiets, zurückgeführt. Seit 2000 leitet der Landesbetrieb IT.NRW Investitionsdaten für die fünf Regierungsbezirke des Landes aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder her. Diese bestätigen aber nicht die These, dass sich die Investitionsschwäche auf das Ruhrgebiet beschränkt. Die Investitionsquoten aller fünf Regierungsbezirke (Abbildung 11) weichen nur geringfügig vom Durchschnitt des Landes ab, seit rund 15 Jahre liegen diese mehr oder weniger deutlich unter den übrigen westdeutschen Ländern. Die Regierungsbezirke Münster und Detmold zeigten dabei noch die beste Entwicklung, aber auch sie lagen zumindest seit 2008 regelmäßig näher am Durchschnitt des Landes NRW als an den übrigen westdeutschen Ländern. Der Regierungsbezirk Düsseldorf stand in fast allen Jahren seit 2000 an letzter Stelle unter den nordrhein-westfälischen Regierungsbezirken, die Investitionsquote war dort über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg noch einmal ca. 1,5 Prozentpunkte niedriger als im Landesdurchschnitt von NRW. Eine derart schwache Investitionsquote reicht zum langfristigen Erhalt des Kapitalstocks nicht aus, sondern macht den Verfall von öffentlichem und privatem Anlagevermögen unausweichlich. Auch der Regierungsbezirk Arnsberg lag mit seiner Investitionsquote lange Zeit unter dem ohnehin schon niedrigen Landesdurchschnitt NRWs und hat sich erst in den letzten beiden Jahren wieder etwas verbessert. Der Regierungsbezirk Köln wich insgesamt nur wenig vom NRW-Landesdurchschnitt ab.

Die Investitionslücke in NRW ist demnach ein Problem des gesamten Landes. Tendenziell ist das Investitionsproblem im Rheinland, und dort vor allem im Regierungsbezirk Düsseldorf, größer als in Westfalen und es ist nicht auf das Ruhrgebiet beschränkt, denn die drei Regierungsbezirke, auf die dieses aufgeteilt ist, entwickelten sich nicht einheitlich.

Zwei unzutreffende Erklärungen: Zu hohe private und staatliche Konsumausgaben und zu niedrige Gewinne

Die Bestimmungsfaktoren des Investitionsverhaltens sind seit jeher ein zentrales Thema für Ökonom*innen aller Denkschulen.[15] Sie sind sich weitgehend einig in der Annahme, dass die Investierenden stets nach einem höchstmöglichen Ertrag bei größtmöglicher Sicherheit des Kapitaleinsatzes streben, aber sie unterscheiden sich in der Frage, wovon der Kapitalertrag abhängt, welchen Einfluss Sparen durch Konsumverzicht auf das Investitionsverhalten hat und welche Bedeutung Geld und Kredit hierbei haben. Ex-post sind die Investitionen in einer Volkswirtschaft ohne Außenhandel immer gleich hoch wie die Ersparnisse (S=I). Nur was Private Haushalte und Staat nach Abzug ihrer Konsumausgaben vom BIP als Ersparnisse übriglassen, steht für Investitionen zur Verfügung, muss aber auch dafür verwendet werden. In einer offenen Volkswirtschaft wie NRW kann ein Ersparnisüberschuss auch in Verbindung mit einem Leistungsbilanzüberschuss als Kapitalexport in andere Länder oder ins Ausland abfließen und dort investiert werden und umgekehrt können Investitionen, die die binnenwirtschaftlichen Ersparnisse übersteigen, durch Kapitalimporte finanziert werden. In keynesianischer Betrachtung werden Investitionsentscheidungen zudem unabhängig von den Ersparnissen getroffen und es existiert kein Automatismus, der Ersparnisse und Investitionen ins Gleichgewicht bringt.

Welche Erkenntnisse lassen sich aus den vorhandenen Daten über mögliche Ursachen der Investitionslücke in NRW gewinnen? Könnte es sein, dass Private Haushalte und Staat in NRW so viel konsumieren, dass für Investitionen zu wenig übrigbleibt? Können die Unternehmen mit Investitionen in NRW nicht so hohe Erträge wie in anderen Ländern und Regionen erzielen, so dass die Ersparnisse anderswo investiert werden? Beide Hypothesen lassen sich nicht bestätigen.

Das Märchen vom hohen privaten und staatlichen Konsum, der die Investitionen in NRW verdrängt

Vor allem in wirtschaftsliberalen Kreisen ist die These stark verbreitet, dass niedrige Investitionen die Folge zu hohen privaten und staatlichen Konsums und damit zu geringen Sparens sind und dadurch nicht genügend finanzielle Ressourcen zum Investieren übrigbleiben. Da der Kapitalmarkt wie kaum ein anderer globalisiert ist und seit langem ein Überangebot an liquidem Kapital besteht, ist dies schon bei nationalen Volkswirtschaften unplausibel, erst recht aber bei regionaler Betrachtung. Auch die schwache Investitionstätigkeit in NRW lässt sich schwerlich durch zu geringe Ersparnisse erklären, denn selbst wenn diese in NRW zu niedrig wären, um notwendige und rentable Investitionen zu finanzieren, böte der globale Kapitalmarkt hinreichend finanzielle Ressourcen an.

Diese Hypothese wird aber auch durch die empirischen Fakten eindeutig widerlegt. Denn NRW verwendet seit mehr als 30 Jahren nur rund 75 % seines BIP für privaten und staatlichen Konsum und ist daher gar nicht auf einen Nettozufluss von Kapital aus anderen Ländern und Regionen angewiesen. Die verbleibenden 25 % sind volkswirtschaftliche Ersparnisse, die grundsätzlich für Investitionen zur Verfügung stehen. Hiervon werden jedoch nur 16 bis 17 Prozentpunkte tatsächlich für Investitionen in NRW eingesetzt. Es bleibt ein Finanzierungsüberschuss von 8 bis 10 % des BIP als Restposten, der Jahr für Jahr aus NRW in andere Bundesländer oder ins Ausland abfließt und dort für Konsum oder Investitionen verwendet wird. Abbildung 12 zeigt die BIP-Anteile der privaten und staatlichen Konsumausgaben, der Investitionen und des Finanzierungsüberschusses als Restposten in NRW im zeitlichen Verlauf seit 1991. Die Summe aller von den privaten Haushalten und vom Staat in NRW getätigten Konsumausgaben liegt bemerkenswert stabil bei 75 % des BIP. Mit Ausnahme einer kleinen Delle während der Finanzkrise 2007/08 gibt es keine erkennbare Tendenz nach oben oder unten. Die hell- und dunkelblau markierten Bereiche stellen die Investitionen dar, wobei die dunkelblau abgebildeten Nettoanlageinvestitionen seit einigen Jahren kaum noch wahrnehmbar sind. Der überwiegende Teil der Investitionen dient dem Ersatz der Abschreibungen (hellblau). Es bleibt ein über die Zeit steigender Finanzierungsüberschuss als nach Abzug aller Ausgaben für Konsum und Investitionen verbleibender Rest (grün).

Abbildung 12: Verwendung des BIP in NRW für privaten und staatlichen Konsum, Investitionen und Finanzierungsüberschuss in %, 1991-2019

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2022): Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2021, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5 (Berechnungsstand: November 2021/Februar 2022), Stuttgart 2022.

Dieser Finanzierungsüberschuss stellt einen (Netto-)Kapitalabfluss aus NRW in andere Bundesländer oder ins Ausland dar. Er umfasst sehr unterschiedliche Finanzströme, die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder nicht weiter differenziert, sondern nur als Saldo erfasst werden. Darin enthalten ist der NRW-Anteil am Außenbeitrag Deutschlands, also am Überschuss der deutschen Exporte über die Importe von Waren und Dienstleistungen. Hinzu kommen der Saldo im Binnenhandel mit den übrigen 15 Bundesländern, empfangene und geleistete Arbeits- und Vermögenseinkünfte aus den bzw. in die übrigen Bundesländer, Ein- und Auszahlungen im Länderfinanzausgleich sowie der Saldo aus Einzahlungen und Rückflüssen in den bzw. aus dem Bundeshaushalt und den Kassen der Sozialversicherungen.[16] Außerdem fließen alle Messfehler darin ein.[17] Da die verschiedenen Bestandteile dieses Saldos nicht separat erhoben werden, wird nur der gesamte Finanzierungssaldo für die einzelnen Bundesländer in der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder ausgewiesen.

Abbildung 13: Finanzierungsüberschuss (nach Abzug der Ausgaben für privaten und staatlichen Konsum und Investitionen verbleibender BIP-Rest) bzw. Außenbeitrag in NRW, Westdeutschland ohne NRW und Deutschland insgesamt in % des BIP, 1991-2019

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2022): Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2021, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5 (Berechnungsstand: November 2021/Februar 2022), Stuttgart 2022.

Abbildung 13 zeigt die Finanzierungssalden NRWs (blau) und der übrigen westdeutschen Länder (rot) von 1991 bis 2020 sowie den deutschen Außenbeitrag (schwarz), der strukturell den Finanzierungssalden der Länder entspricht und sich von diesen nur dadurch unterscheidet, dass er keine innerstaatlichen Finanzströme enthält. Diese saldieren sich innerhalb des Bundes auf null, so dass dort nur der Außenbeitrag übrigbleibt. Der in NRW und den übrigen westdeutschen Ländern während der gesamten 30 Jahre seit der deutschen Wiedervereinigung gemessene Finanzierungsüberschuss im Vergleich zum deutschen Außenbeitrag besagt, dass diese neben einem Kapitalexport ins Ausland (als Gegenstück zum Leistungsbilanzüberschuss) aus ihren volkswirtschaftlichen Ersparnissen zusätzlich auch erhebliche Mittel über die verschiedenen Finanzierungskanäle für die ostdeutschen Länder aufgebracht haben. Ostdeutschland gibt bis heute mehr für privaten und staatlichen Konsum aus als es durch sein BIP selbst erwirtschaftet, weist also ein Finanzierungsdefizit auf, und lässt dieses durch Ersparnisse der westlichen Länder finanzieren. Kurz nach der Wiedervereinigung belief sich das Finanzierungsdefizit Ostdeutschlands auf ca. 40 % seines BIP, heute liegt es immer noch in einem Bereich von 6 bis 8 %.

Die Finanzierungsüberschüsse der westdeutschen Länder einschließlich NRW verhalten sich damit spiegelbildlich zum Finanzierungsdefizit Ostdeutschlands. Seit 2000 übersteigen die Überschüsse des Westens die Defizite des Ostens aber immer stärker, so dass diese zunehmend ins Ausland abfließen. Das Abschmelzen der Finanztransfers von West nach Ost machte zwar wieder höhere Ersparnisse in NRW und den übrigen westdeutschen Ländern für eigene Investitionen verfügbar wurden, aber sie wurden zumindest in NRW nicht für höhere Investitionen im Land selbst verwendet.[18] Die Preissteigerungen für importierte Rohstoffe nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben den hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss und den damit verbundenen Kapitalabfluss ins Ausland (hier noch nicht abgebildet) lediglich etwas abgeschwächt, und auch das nur vorübergehend. Mit einer Normalisierung der Rohstoffpreise steigt der deutsche Außenhandelsüberschuss jetzt wieder an.

Festhalten lässt sich, dass NRW seit über 30 Jahren ein Viertel seines BIP nicht für privaten und staatlichen Konsum verwendet, sondern spart. Davon wiederum werden nur rd. 16 bis 17 % im Land investiert, so dass etwa 8 bis 10 % in Form von Transferleistungen und Handelsüberschüssen nach Ostdeutschland und in letzter Zeit vorwiegend ins Ausland abfließen. In absoluten Beträgen sind dies jährlich ca. 65 bis 70 Mrd. Euro. Dies entspricht in etwa dem Zusatzbedarf für Investitionen in NRW, der weiter oben zur Schließung der Investitionslücke gegenüber den übrigen Bundesländern und zur Finanzierung der klimaschutzbedingten Transformation ermittelt wurde. Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet mit seinem BIP also die hierfür erforderlichen Ressourcen. Die Finanzierung von Investitionen in der errechneten Größenordnung scheitert in NRW nicht an zu hohen privaten und staatlichen Konsumausgaben und zu niedrigen Ersparnissen, sondern an politischen und finanziellen Anreizen und Weichenstellungen, die einen Mittelabfluss in andere Teile Deutschlands und ins Ausland begünstigen. NRW schafft es nicht, seine vorhandenen finanziellen Ressourcen für den eigenen Investitionsbedarf zu mobilisieren.

Gewinne sind in NRW nicht niedriger, sondern höher als anderswo

Alle Investitionstheorien sind sich darin einig, dass private Investitionen von hohen Renditeerwartungen angelockt und von niedrigen abgeschreckt werden. Wird also in NRW so wenig investiert, weil die Unternehmen mit Investitionen keine hinreichend hohen Gewinne erzielen können? Zumindest für die Vergangenheit trifft dies nicht zu und auch für die Zukunft ist dies wenig plausibel.

Von der Bruttowertschöpfung in NRW in Höhe von 629,7 Mrd. Euro im Jahr 2020 blieben nach Abzug der Arbeitnehmerentgelte (einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen), die ein Volumen von 393,4 Mrd. Euro aufwiesen, Kapitaleinkünfte in Höhe von 236,3 Mrd. Euro übrig. Nach Abzug der Abschreibungen, die den Wertverlust des eingesetzten Kapitals abbilden, verblieben effektive Gewinne aus Vermögen und unternehmerischer Tätigkeit von 117,5 Mrd. Euro.[19] Wegen der Pandemie waren diese im Jahr 2020 vorübergehend stark eingebrochen, hatten sich in den Folgejahren, für die bisher nur Bundes-, aber noch keine Länderdaten vorliegen, wieder deutlich erholt.

Abbildung 14 zeigt die Anteile der Gewinne vor Steuern und nach Abzug der Abschreibungen an der Nettowertschöpfung in NRW und den übrigen westdeutschen Ländern. Seit 1991 unterscheiden sie sich kaum. In langfristiger Betrachtung bewegen sie sich um ca. 30 % der Nettowertschöpfung, in der Boomphase vor der weltweiten Finanzkrise 2008/09 erreichten sie auch schon einmal Anteile von bis zu 36 %. Der Anteilsrückgang seit der Finanzkrise erklärt sich durch das in den Folgejahren stark gesunkene Zinsniveau. In Ostdeutschland lagen die Gewinnanteile an der Nettowertschöpfung während des gesamten Betrachtungszeitraums unter dem Niveau der westdeutschen Länder, sie näherten sich diesem erst in den letzten Jahren ein wenig an. Die Trendlinie zeigt, dass sich die Gewinnanteile an der Nettowertschöpfung in NRW tendenziell etwas besser entwickelt haben als in den übrigen westlichen Bundesländern und in den letzten Jahren meist geringfügig über diesen lagen.

Abbildung 14: Anteil der Gewinneinkünfte (Nettowertschöpfung abzüglich Arbeitnehmerentgelte) an der Nettowertschöpfung in NRW, Westdeutschland ohne NRW und Ostdeutschland mit Berlin in %, 1991-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2022): Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2021, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5 (Berechnungsstand: November 2021/Februar 2022), Stuttgart 2022.

Eine höhere Aussagekraft besitzt die Ertragsrate des eingesetzten Kapitals, die die Unternehmensgewinne vor Steuern und nach Abschreibungen auf das Nettoanlagevermögen bezieht. Dieser Indikator lässt sich auch grob als durchschnittliche Verzinsung des investierten Kapitals interpretieren, mit der Einschränkung, dass hierin auch die Arbeitseinkünfte der Selbständigen enthalten sind. Abbildung 13 zeigt, dass das Nettoanlagevermögen in NRW mit durchschnittlich ca. 8 % eine durchweg höhere Rendite als in den übrigen westdeutschen Ländern (6 bis 7 %) und eine noch höhere im Vergleich zu den ostdeutschen Ländern (ca. 5 %) abwirft. Bei diesem Indikator ist sowohl in NRW als auch in den übrigen Ländern eine ansteigende Tendenz bis zur Finanzkrise 2008/09 und anschließend (aufgrund der Zinsentwicklung) ein Rückgang zu sehen, der in NRW jedoch schwächer ausfiel, so dass sich der Vorsprung NRWs im zeitlichen Verlauf etwas vergrößerte.

Abbildung 15: Ertragsrate des Nettoanlagevermögens (Anteil der nach Abzug der Arbeitskosten und Abschreibungen verbleibenden Nettowertschöpfung am Nettoanlagevermögen) in NRW, Westdeutschland ohne NRW und Ostdeutschland in %, 1991-2020

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2022): Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2021, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5 (Berechnungsstand: November 2021/Februar 2022), Stuttgart 2022; Statistische Ämter der Länder (2023): Anlagevermögen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2019, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 4 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023.

Die makroökonomischen Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zeigen also keine geringeren Erträge auf Investitionen in NRW und damit keine die Gewinne beeinträchtigende Standortschwäche, im Gegenteil: Investitionen erbringen in NRW im Durchschnitt um 1,5 Prozentpunkte höhere Erträge als in den übrigen westdeutschen Ländern und sogar um mehr als zwei Prozentpunkte höhere als in Ostdeutschland.

Zu der höheren Kapitalrendite in NRW kann die bereits angesprochene niedrigere Kapitalintensität und der überproportional hohe Anteil an alten und abgeschriebenen Produktionsanlagen und Infrastrukturen beigetragen haben. Wenn ein gegebener Ertrag mit weniger Kapitaleinsatz erwirtschaftet wird, dann fällt die Rendite als Ertrag pro Einheit des Anlagevermögens höher aus. Man könnte dies wohlwollend als effizientere Nutzung des Kapitalstocks und als höhere Kapitalproduktivität interpretieren. Man kann darin aber auch ein Alarmsignal sehen, denn auf abgeschriebene Anlagen lässt sich keine zukunftsfähige Wirtschaft aufbauen.

Die in den Abbildungen 14 und 15 verwendeten Gewinnindikatoren bilden die Gewinne vor Steuern ab, die Unternehmen orientieren ihre Investitionsentscheidungen aber an den Nachsteuergewinnen. Die Unternehmensbesteuerung hat auf Unterschiede bei den Investitionsquoten innerhalb Deutschlands jedoch nur insoweit Einfluss, wie die Steuersätze regional variieren. Für die Einkommens- und Körperschaftssteuer bestehen einheitliche Sätze in ganz Deutschland. Sie kann die unterschiedliche Investitionstätigkeit in den Ländern daher nicht erklären.[20] Nur die Gewerbesteuersätze und eingeschränkt die Grundsteuersätze, die von den Kommunen festgesetzt werden, können zu regional unterschiedlichen steuerlichen Belastungen der Unternehmen führen. Der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz war im Jahr 2022 mit 469 % in NRW am höchsten unter den Bundesländern, der Bundesdurchschnitt lag bei 435 %.[21] Diese Differenz hat eine um durchschnittlich ca. 1,2 Prozentpunkte höhere Gesamtsteuerbelastung für ein gewerbliches Unternehmen in NRW im Vergleich zum Bundesdurchschnitt zur Folge. Bei der Grundsteuer B liegt NRW mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 609 % noch stärker über dem Bundesdurchschnitt von 549 %, aber dies ist nur für Unternehmen mit erheblichem selbst genutztem Grundbesitz von Bedeutung.

Die Größenordnung dieser Unterschiede bei den Gewerbe- und Grundsteuerhebesätzen ist bei weitem nicht so groß, dass sie den Vorsprung NRWs auf die übrigen Länder bei den Bruttogewinnen ausgleichen könnten. Der Investitionsrückstand NRWs kann also auch nicht durch höhere Unternehmenssteuern erklärt werden.[22]

Von wirtschaftsliberaler Seite wird die Steuerbelastung oft als Nachteil gegenüber ausländischen Standorten angeführt. Dies betrifft aber auch die übrigen Bundesländer, so dass sich der Investitionsrückstand NRWs zu diesen hierdurch nicht erklären lässt. Ein anderes Thema ist das Problem der Steueroasen, in die Unternehmen durch kreative Steuergestaltung Gewinne zu Lasten derjenigen Länder verschieben können, in denen sie ihre Wertschöpfung erzielen. Unternehmen tätigen dort aber nur in geringem Maße realwirtschaftliche Anlageinvestitionen, weil deren Märkte hierfür in der Regel zu klein und zu abgelegen sind und weil sie nicht über die notwendigen komplementären Produktionsfaktoren für hohe Gewinne verfügen. Daher stellen sie auch keine echte Alternative für realwirtschaftliche Investitionen dar.

Die schwache Investitionstätigkeit in NRW lässt sich also weder durch fehlende finanzielle Mittel aufgrund übermäßiger Konsumausgaben noch durch zu niedrige Gewinne der Unternehmen erklären. Sie muss also andere Ursachen haben, die mit spezifischen Standortbedingungen und den politischen und wirtschaftlichen Rahmendaten zusammenhängen. Die Möglichkeiten einer quantifizierten Ursachenanalyse gelangen hier an Grenzen, so dass die weitere Argumentation stärker qualitativ bleiben und einen hypothetischen Charakter aufweisen muss. Sie beginnt mit einer Darstellung von Investitionsmotiven für verschiedene Investitionsarten, für die keine oder nur sehr rudimentäre statistische Daten nach Bundesländern existieren.

Variierende Einflussgrößen bei öffentlichen Investitionen, Wohnungsbau und produktiven Investitionen

Der weit überwiegende Teil der Investitionen in Deutschland wird von privaten Haushalten und Unternehmen getätigt. Sie investierten 2022 insgesamt 770 Mrd. Euro.[23] Die staatlichen Investitionen beliefen sich auf 103 Mrd. Euro, das waren knapp 12 % aller Investitionen. Über die Hälfte davon waren Nichtwohnbauten, das sind vor allem Infrastrukturinvestitionen in Verkehrswege, Schulen, Kultur-, Verwaltungs- und sonstige öffentliche Gebäude. Von den privaten Investitionen entfiel der größte Teil (291 Mrd. Euro) auf den Wohnungsbau, das ist exakt ein Drittel aller im Jahr 2022 in Deutschland getätigten Bruttoanlageinvestitionen. Gut ein Viertel aller Bruttoanlageinvestitionen (234 Mrd. Euro) stellten private Ausrüstungsinvestitionen dar, das sind Maschinen, IT-Ausrüstungen, Fahrzeuge und sonstige Produktionsanlagen. Je etwa 14 % der Gesamtinvestitionen beliefen sich auf private Nichtwohnbauten (u.a. Bürogebäude, Einkaufszentren, Hotels, Fabrikgebäude) und auf immaterielle Investitionen in Software, Patente, Lizenzen, Marken- und Urheberrechte.

Tabelle 1: Bruttoanlageinvestitionen nach Investitionskategorien, Deutschland 2022

KategorieMrd. EuroAnteil in %
Staatliche Investitionen10311,8
  davon Nichtwohnbauten586,6
  davon Sonstige455,2
Private Investitionen77088,2
  davon Wohnbauten29133,3
  davon Nichtwohnbauten12514,3
  davon Ausrüstungen (Maschinen, Fahrzeuge etc.)23426,8
  davon immaterielle Güter (Software, Patente, Lizenzen etc.)12013,8
Private und staatliche Investitionen insgesamt872100,0

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistisches Bundesamt Destatis (2023): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen des Bundes – Bruttoanlageinvestitionen des Staates und der nichtstaatlichen Sektoren, 81000-0025, Wiesbaden 2023.

Schuldenbremse blockiert dringend notwendige staatliche Infrastrukturinvestitionen

Das Investitionsverhalten wird bei diesen Kategorien von sehr unterschiedlichen Motiven, Anreizen und ökonomischen Rahmenbedingungen bestimmt. Die Höhe der staatlichen Investitionen hängt vor allem von der Haushaltslage in Bund, Ländern und Kommunen ab. Für Bund und Länder gilt die 2009 ins Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse, die, von außergewöhnlichen Notsituationen abgesehen, nur eine Neuverschuldung des Staates in Höhe von bis zu 0,35 % des BIP zulässt. Davon sind auch die staatlichen Investitionen betroffen, obwohl ein großer Teil davon produktivitätssteigernd und wachstumsfördernd wirkt, sich eine Kreditfinanzierung bei ihnen wirtschaftlich rechnet und sie künftige Generationen nicht belastet, da den Schulden Ertrag bringende Vermögenswerte entgegenstehen. Über die Verpflichtung zur Finanzierung staatlicher Investitionen durch Steuereinnahmen wird dem Staat überdies der Zugriff auf die Finanzierungsüberschüsse verwehrt, die in NRW seit vielen Jahren konstant etwa 10 % des BIP betragen. Diese müssen in konjunkturellen Normalsituationen somit fast vollständig durch private Investitionen und das Ausland absorbiert werden (Abbildung 12). Der Neuverschuldungsspielraum der Kommunen wird in den Gemeindeordnungen der Länder durch die Pflicht zur Aufstellung ausgeglichener Haushalte und deren Überwachung durch die Kommunalaufsicht der Länder begrenzt. Ihre Investitionstätigkeit hängt von der Steuerkraft, von der Belastung durch gesetzlich verpflichtende Sozialausgaben und von ihrem Schuldenstand ab.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft IW und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK haben 2019 in einem gemeinsamen Papier einen zusätzlichen öffentlichen Investitionsbedarf in Höhe von 45 Mrd. Euro pro Jahr bis 2030 für das gesamte Bundesgebiet errechnet, vor allem in den Bereichen kommunale Infrastruktur, Bildung, überregionaler Verkehr, Digitalisierung und Klimaschutz.[24] Damit sollen unterbliebene Investitionen der Vergangenheit nachgeholt und eine zukunftsfähige Infrastruktur geschaffen werden. Eine Finanzierung allein durch Umschichtungen in den laufenden Haushalten halten die die Autor*innen für unrealistisch. Stattdessen schlagen sie die Herausnahme der Investitionen aus der Schuldenbremse und eine spürbare finanzielle Entlastung der Kommunen vor.

Die niedrigen staatlichen Investitionen sind demnach die Folge finanzpolitischer Rahmensetzungen, insbesondere der Schuldenbremse, die es finanzschwachen Gebietskörperschaften wie NRW und seinen Kommunen fast unmöglich macht, die notwendigen Ausgaben für zukunftssichernde Investitionen zu tätigen. Hinzu kommt ein über viele Jahre unterdurchschnittlicher Anteil NRWs an den Investitionen des Bundes. Dazu hat die lange Zeit geltende Priorisierung von Investitionen in Ostdeutschland in vielen Bundespolitiken beigetragen. Bayern und einigen norddeutschen Ländern ist es zuletzt besser gelungen als NRW, durch politische Einflussnahme wieder vermehrt Bundesinvestitionen in ihre Länder zu lenken.

Für NRW hat dies fatale Folgen. Die bestehende Infrastruktur verfällt in Teilen des Landes, marode Schulgebäude, einsturzgefährdete Autobahnbrücken, in die Jahre gekommene, funktionsuntüchtige U- und Straßenbahnen und unterfinanzierte Kultureinrichtungen sind sichtbarer Ausdruck davon. Unter diesen Bedingungen unterbleiben dann auch dringend notwendige Neuinvestitionen insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, Verkehr, Kinderbetreuung und Klimaschutz. Dies hat auch abschreckende Wirkung für private Investitionen, die auf eine leistungsfähige Infrastruktur und ein intaktes Gemeinwesen angewiesen sind. Die Schuldenbremse blockiert die Nutzung der im Land erwirtschafteten Finanzierungsüberschüsse für die notwendigen staatlichen Infrastrukturinvestitionen, weil dem Staat die Aufnahme von Neukrediten durch die Schuldenbremse untersagt ist. Die Kommunen benötigen dringend eine echte Lösung ihrer Altschuldenproblematik, die die Bundesregierung 2021 in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hat, bei der er aber nicht von der Stelle kommt.

Niedrigere Wohnungsbauinvestitionen in NRW wegen moderatem Bevölkerungswachstum und geringer Kaufkraftsteigerung

Die Wohnungsbauinvestitionen machen rund ein Drittel der Gesamtinvestitionen und 40 % der privaten Investitionen aus und werden je etwa zur Hälfte von privaten Haushalten und von Wohnungsbauunternehmen getätigt. Dies gilt gleichermaßen für Neubauten und Altbaumodernisierungen. Da sie zu einem erheblichen Teil über Kredite finanziert werden, sind sie besonders zinsreagibel. Die lange Niedrigzinsphase bis Anfang 2022 hat den Wohnungsbau stark angekurbelt, aber die inflationsbedingte Zinswende der EZB wirkt jetzt spürbar dämpfend. Das Zinsniveau kann jedoch Unterschiede zwischen den Ländern bei den Wohnungsbauinvestitionen nicht erklären, da dieses regional nur minimal variiert. Wichtiger sind regionalspezifische Angebots- und Nachfragebedingungen auf dem Wohnungsmarkt.

Der Wohnungsneubau wird mittel- bis langfristig sehr stark von der Bevölkerungsentwicklung bestimmt. In NRW ist die Einwohnerzahl in den zurückliegenden 30 Jahren weniger stark gestiegen als in den übrigen Teilen Westdeutschlands. Seit 1991 nahm sie in NRW um 630.000 zu, das ist ein Wachstum von 3,6 %. In den neun anderen westdeutschen Ländern stieg sie um 5,05 Millionen, was einer Steigerung um 11,3 % entspricht. Dies bedeutet, dass der Bedarf an neuen Wohnungen in NRW entsprechend geringer ausfiel. Etwas schwächere Neubauinvestitionen sind bei zurückhaltender Bevölkerungsentwicklung wirtschaftlich unproblematisch, aber damit lässt sich der in Abbildung 9 dargestellte Rückstand von NRW bei den Wohnungsbauinvestitionen um 3 % des BIP allein nicht erklären.

Die regional unterschiedlich hohen Investitionen in den Wohnungsneubau werden des Weiteren durch die regionalen Mietniveaus und Immobilienpreise beeinflusst. Hohe Mieten und Immobilienpreise machen Investitionen in den Wohnungsneubau wirtschaftlich attraktiv. Dazu trägt die Standortbindung von Immobilien bei, die einen regionalen Preisausgleich erschwert. Die moderaten Mieten und Immobilienpreisen in vielen Teilen NRWs kann demnach als weitere Ursache für schwächere Investitionen in den Wohnungsbau gelten.

Weder die demografische Entwicklung noch die regionalen Immobilienpreise können jedoch eine Investitionszurückhaltung bei der Sanierung und Modernisierung von Altbauten in NRW erklären, auf die rund zwei Drittel aller Wohnungsbauinvestitionen entfallen. Diese dürfte vor allem von den verfügbaren Einkommen und der Kaufkraftentwicklung bestimmt sein. Die verfügbaren Einkommen stiegen in NRW von 1991 bis 2021 real um 15 %, in den übrigen westdeutschen Ländern jedoch mit 31 % mehr als doppelt so stark.[25] In NRW fehlte vielfach die Kaufkraft, um ähnlich hohe Investitionen in Wohnungsmodernisierungen, aber auch im Wohnungsneubau zu tätigen. Zwar wird in NRW relativ gesehen nicht weniger gespart. Aber die Ersparnisse müssen über den Finanz- und Kapitalmarkt in Form von Krediten zu den potenziellen Investor*innen gelangen. Eine schwache Kaufkraftentwicklung mindert jedoch auch die Fähigkeit und Bereitschaft der Haushalte, Kredite aufzunehmen. Die Folgen sind ein schlechterer Erhaltungszustand des Altbaubestandes in NRW und ein vermindertes Tempo bei dessen energetischer Sanierung. NRW dürfte hierbei mehr Nachholbedarf aufgrund unterlassener Investitionen in der Vergangenheit aufweisen als andere Länder.

Während die Wohnungsbauinvestitionen für Produktivität und wirtschaftliche Dynamik von untergeordneter Bedeutung sind, haben die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen hierauf einen starken Einfluss und bestimmen maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Zukunft eines Landes. Mit einem Gesamtvolumen von 234 Mrd. Euro bundesweit entfiel 2022 nur gut ein Viertel aller Bruttoanlageinvestitionen auf sie. Hinzurechnen muss man die Investitionen in immaterielle Anlagegüter des privaten Sektors wie Software, Patente, Lizenzen und Markenrechte, die mit 120 Mrd. Euro immerhin halb so hoch sind wie die materiellen Ausrüstungen in Maschinen, Fahrzeuge und IT-Geräte, außerdem die mit 125 Mrd. Euro etwa gleich hohen Bauinvestitionen von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Ausrüstungsinvestitionen haben eine kürzere Nutzungsdauer und werden schneller abgeschrieben. Zugleich sind sie wie auch die immateriellen Investitionen viel mobiler und unterliegen einem scharfen Standortwettbewerb. Bei jeder Ersatzinvestition können Unternehmen frei entscheiden, an welchem Standort sie diese vornehmen. Zahlreiche Unternehmen sind inzwischen so stark globalisiert, dass sie über eine Vielzahl von Standortalternativen in unterschiedlichen Ländern verfügen und die Produktion flexibel und mit geringem Aufwand verlagern können. Der Wettbewerb der Länder und Regionen um die Gunst der Investoren hat sich mit der Globalisierung stark verschärft. Damit sind auch die Bestimmungsfaktoren für das Investitionsverhalten bei produktiven Investitionen andere als bei den Infrastruktur- und den Wohnungsbauinvestitionen.

Warum investieren produzierende und Dienstleistungsunternehmen weniger in Ausrüstungen und immaterielle Investitionsgüter in NRW, obwohl doch die Investitionsrendite dort nicht niedriger ist als in anderen Bundesländern? Zur Beantwortung dieser Frage können nachfrage- und angebotsseitige Erklärungen herangezogen werden, die von unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Denkschulen stammen, aber wahrscheinlich ergänzend zu sehen sind.

Schwache private und staatliche Konsumnachfrage hemmt produktive Investitionen in NRW

Die keynesianisch inspirierte nachfrageseitige Erklärung setzt an der regionalen Konsumgüternachfrage des privaten und staatlichen Sektors an. Stagnierende oder nur schwach steigende Reallöhne und hohe Arbeitslosigkeit begrenzen die verfügbaren Einkommen der Haushalte einer Region und haben niedrige private Konsumausgaben zur Folge. Verunsicherung über die wirtschaftliche Zukunft führt außerdem dazu, dass die Haushalte aus Vorsichtsgründen einen höheren Teil ihrer verfügbaren Einkommen sparen, wodurch die Konsumausgaben weiter eingeschränkt werden. Hiervon ist auch der Staat durch niedrigere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben betroffen. Dies resultiert in einer Schwächung der regionalen Gesamtnachfrage, die vor allem Unternehmen mit überwiegend regionalem Absatz trifft. Dazu zählen insbesondere das Handwerk, der Einzelhandel, das Baugewerbe, soziale und persönliche Dienstleistungen, Wartungs-, Reparatur- und Vertriebsdienstleistungen und große Teile der Nahrungsmittelverarbeitung, des Verkehrssektors und des Gastgewerbes. Sie reagieren auf eine stagnierende regionale Nachfrage mit

Abbildung 16: Entwicklung des privaten und staatlichen Konsums in NRW und Westdeutschland ohne NRW 1991-2020, preisbereinigt, Index 1991=100

Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistische Ämter der Länder (2022): Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2021, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5 (Berechnungsstand: November 2021/Februar 2022), Stuttgart 2022.

Kapazitätsanpassungen und einer Einschränkung ihrer Investitionspläne. Dieser Effekt wird nach dem Akzeleratormodell von Harrod-Domar verstärkt, wenn eine sinkende Investitionsgüternachfrage auf die regionale Investitionsgüterindustrie, zum Beispiel auf die Bauwirtschaft, übergreift. Unternehmen mit überregionalem Absatz und hohem Exportanteil sind hiervon weniger stark oder gar nicht betroffen, weil ihre Nachfrage weitgehend von außerhalb kommt.

Der strukturelle Wandel der zurückliegenden Jahrzehnte mit einem starken Abbau von einstmals überdurchschnittlich hoch entlohnten Arbeitsplätzen im Bergbau, der Stahlindustrie und anderen schrumpfenden Branchen und einer damit einhergehenden hohen Arbeitslosigkeit in NRW hat über die hierdurch entstandenen Einkommens- und Kaufkraftverluste auch die Investitionen in den betroffenen Nahabsatzbranchen gedämpft. Abbildung 16 zeigt, dass der private und staatliche Konsum in NRW seit 1991 im Trend real um ca. 30 % gewachsen ist, in den übrigen Teilen Westdeutschlands jedoch um 45 %, also um die Hälfte mehr als in NRW. Dies hat sich in geringeren Investitionen in den von der regionalen Nachfrage abhängigen Branchen und Unternehmen in NRW niedergeschlagen.   

Nach überschlägiger Rechnung wären die Bruttoanlageinvestitionen in NRW 2020 um ca. 14 Mrd. Euro höher ausgefallen, wenn die private und staatliche Konsumnachfrage dort seit 1991 genauso stark gewachsen wäre wie in den übrigen westdeutschen Ländern.[26] Der Investitionsrückstand NRWs auf sie, der sich aus der Differenz zwischen einem hypothetischen Investitionsvolumen ergibt, das NRW bei gleichem Wachstum der Investitionen seit 1991 wie im übrigen Teil Westdeutschlands erzielt hätte, fiel mit 38 Mrd. Euro jedoch höher aus. Die verhaltene Entwicklung der regionalen Konsumnachfrage in NRW kann damit eine Teilerklärung für die Investitionslücke des Landes liefern, aber keine vollständige. Dies gilt auch für die bereits angesprochenen schwierige Haushaltslage des Landes NRW und seiner Kommunen und das schwächere Bevölkerungswachstum. Es muss weitere Ursachen geben, und hier kommen die angebotsseitigen Effekte ins Spiel, die vor allem von wirtschaftsliberaler Seite fast schon mantraartig wiederholt werden.

Hohe Bevölkerungsdichte, kompliziertes Institutionengeflecht und bürokratische Entscheidungsabläufe

Zu diesen Argumenten zählen langwierige und komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren, unflexibles Arbeitsrecht, Qualifizierungsdefizite, Innovationshemmnisse und hohe Steuern und Lohnkosten. Dass zu hohe Steuern und Löhne die niedrigen Investitionen in NRW nicht erklären können, wurde bereits gezeigt. Die übrigen, mehr qualitativen Angebotshemmnisse besitzen dagegen mehr Plausibilität, müssen aber in einem breiteren Kontext bewertet werden.

Bürokratieabbau ist schon seit vielen Jahren ein Dauerbrenner der Landespolitik in NRW. Fast alle Koalitionsvereinbarungen und Regierungserklärungen nordrhein-westfälischer Landesregierungen in den vergangenen Jahrzehnten haben die Notwendigkeit von Verwaltungsvereinfachungen zur Erleichterung und Beschleunigung von Investitionen betont. Die christlich-liberale Regierungskoalition unter Ministerpräsident Laschet hatte 2017 sprachlich aufgerüstet und eine „Entfesselungsinitiative“ angekündigt.[27] Immer wieder war auch die Rede von Sonderwirtschaftszonen, in denen geltende gesetzliche Regelungen ausgesetzt werden sollten. Den großen Ankündigungen folgten aber nur sehr bescheidene Erfolge, vor allem weil die regulatorischen Rahmenbedingungen ganz überwiegend durch EU- und Bundesrecht gesetzt sind und die Länder meist nur für deren Anwendung und die Verfahrensabläufe zuständig sind. Es muss daher die Frage gestellt werden, ob die Planungs- und Genehmigungsverfahren in NRW trotz bundeseinheitlicher Regelungen so viel komplizierter sind als in anderen Teilen des Landes, dass sie schwächere Investitionszahlen erklären können.

Die hierüber geführten Debatten in der NRW-Landespolitik und die wirtschaftsliberalen Kommentatoren übersehen meist, dass Besonderheiten in der Siedlungsstruktur des Landes und seines Institutionengeflechts die Ausgestaltung und Anwendung bau-, planungs- und umweltrechtlicher Vorschriften und Genehmigungsverfahren im Vergleich mit anderen Bundesländern erheblich erschweren. In NRW leben durchschnittlich 525 Menschen auf einem Quadratkilometer, im Bundesdurchschnitt sind es 233 und in den neun westdeutschen Ländern ohne NRW 229. Die Bevölkerungsdichte von NRW ist damit fast zweieinhalbmal so hoch wie im Rest des Landes, kein anderes Flächenland ist so dicht besiedelt. 16,8 % der Bodenfläche in NRW wird als Siedlungsfläche genutzt, in den übrigen neun westdeutschen Ländern sind es nur 9,1 %.[28] Hinzu kommt ein deutlich höherer Anteil der für den Verkehr benötigten Fläche in NRW (7,0 % der Gesamtfläche), so dass rund ein Viertel der gesamten Landesfläche für Wohnen, Gewerbe und Verkehr genutzt wird. Das dichte Zusammenleben der Menschen auf begrenztem Raum in NRW bewirkt mehr Nutzungskonflikte und gegenseitige Beeinträchtigungen zwischen den Nutzungsansprüchen als in Ländern mit niedrigerer Bevölkerungsdichte, die auch in Rechtsstreitigkeiten münden können. Bei begrenztem Raum können Nutzungskonflikte auch weniger leicht durch Ausweichen in den Freiraum gelöst oder vermieden werden. Dies alles führt zu detaillierteren und komplizierteren Regelungen und steigert die Zahl der Verfahrensbeteiligten.

Dies ist zum Beispiel im Landesentwicklungsplan des Landes NRW erkennbar, der mehr als in anderen Ländern den Charakter eines Konfliktlösungsinstruments zwischen divergierenden Raumansprüchen als den eines Gestaltungsinstruments zur Ermöglichung von wirtschaftlichen Aktivitäten aufweist.[29] Dieser erhöhte Regelungsbedarf schlägt sich in einem höheren Detaillierungsgrad auch in anderen raumwirksamen Planungsbereichen nieder. Versuche, die dazu etablierten Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen, scheitern meist an der Komplexität der Nutzungskonflikte und der hohen Zahl der Beteiligten.

In NRW kommt erschwerend hinzu, dass das Institutionengefüge im Vergleich zu anderen Bundesländern aus historischen Gründen äußerst vielschichtig und intransparent ist. Dies hat seine historischen Wurzeln unter anderem in dem artifiziellen Zusammenschluss des Rheinlands und Westfalens (einschließlich der späteren Eingliederung des Landesteiles Lippe) durch die britische Militäradministration im Jahr 1946, um das vorher auf beide Gebiete aufgeteilte Ruhrgebiet in einem Bundesland zusammenzuführen. Beide Landesteile haben historisch vorher nie eine Einheit gebildet und keine gemeinsame Identität mitgebracht. Dies hat zu einer Aufteilung der Verwaltung des Landes auf fünf Regierungsbezirke, zwei Landschaftsverbände in kommunaler Trägerschaft sowie zahlreiche Sonderbehörden mit einem großen Eigenleben und Selbstbewusstsein geführt. 30 Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern und entsprechend mächtigen Oberbürgermeister*innen verleihen auch der kommunalen Ebene ein größeres Machtpotenzial als in anderen Ländern.

Dies erschwert es der Landesregierung und den Landesbehörden, übergreifende Entscheidungen im Interesse des gesamten Landes gegen lokale Partikularinteressen durchzusetzen. Die Zahl der Verfahrensbeteiligten mit Veto-Macht ist sehr hoch und zwingt zum Konsens. Die zentrale Funktion der Landeshauptstadt Düsseldorf wird vielfach nicht anerkannt, vor allem nicht von der einwohnerstärkeren Stadt Köln und anderen Großstädten. In Zeiten, als Bonn Bundeshauptstadt war, stand die in Düsseldorf ansässige Landespolitik überdies im Schatten der Bundespolitik.

Diese Rahmenbedingungen sind keine guten Voraussetzungen für innovative und schnelle Entscheidungen. Wenn sich nur realisieren lässt, was breite Zustimmung findet, werden viele Investitionen unterlassen oder verzögert. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, vor allem im Verkehrsbereich (u.a. Betuwe, RRX, „Eiserner Rhein“) und in den Grundstoffindustrien (z.B. CO-Pipeline). Diese Probleme lassen sich mit der von der FDP gepflegten „Entfesselungslyrik“ oder mit Hau-Ruck-Aktionen, zu denen der frühere Ministerpräsident Wolfgang Clement neigte, nicht lösen. Fortschritte sind nur möglich, wenn die dahinterliegenden Nutzungskonflikte aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte realistisch analysiert und innovative Lösungen mit grundlegend reformierten und gestrafften Institutionen gefunden werden.

Zu den angebotsseitigen Restriktionen zählt außerdem die aus der Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts resultierende Siedlungsstruktur des Landes, die nicht zu den Anforderungen der heutigen Innovations- und Wissensgesellschaft passt. Die Frühindustrialisierung konzentrierte sich wegen der Verfügbarkeit von Wasserenergie in den engen Flusstälern des Sauerlandes und des Bergischen Landes und ließ Städte mit topografischen Nachteilen entstehen, die für heutige Anforderungen dysfunktional sind. Bei der etwas später erfolgten Besiedlung des Ruhrgebiets entstanden große Arbeitersiedlungen in unmittelbarer Nähe zu den Bergwerken und Stahlhütten, damit die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze bequem zu Fuß erreichen konnten. Nach deren Schließung blieben die Wohnsiedlungen mit schlechter Verkehrsanbindung, niedriger Wohnqualität und fehlender Infrastruktur zurück. Hinzu kommen altlastenverseuchte Flächen, Bergehalden und Bergsenken, die die Stadtentwicklung bis heute erschweren. Obwohl das Ruhrgebiet die Bevölkerung Berlins um die Hälfte und diejenige Hamburgs und Münchens um etwa das Dreifache übertrifft, gelang es der Region nie, eine vergleichbare Urbanität mit entsprechenden Agglomerationsvorteilen und internationaler Ausstrahlung zu entwickeln. Dies hemmt das Entstehen und die Verbreitung neuer Ideen, die Kreativität und die Innovationsfähigkeit der Region und setzt der Produktivitätsentwicklung enge Grenzen. Zugleich weist die Region alle Agglomerationsnachteile auf, mit denen Regionen dieser Größenordnung belastet sind.

Siedlungsstrukturen besitzen mit ihren Gebäuden, Verkehrswegen und sonstigen Infrastrukturen eine sehr lange Lebensdauer. Sie schaffen Pfadabhängigkeiten, die nachfolgende Investitionen binden und die Flexibilität zur Anpassung an veränderte ökonomische und technologische Bedingungen sehr stark einschränken. Obwohl die Montanindustrien weitgehend verschwunden und die Industriestädte im Sauerland und Bergischen Land heute weniger stark von den einstmals prägenden metallverarbeitenden Industrien abhängig sind, ist die Siedlungsstruktur und damit ein Großteil des baulichen Anlagevermögens immer noch davon geprägt. Investoren schrecken davor zurück, an Standorten zu investieren, die für eine nicht mehr existente Industriestruktur nützlich waren, für die moderne wissens- und innovationsgetriebene Ökonomie des 21. Jahrhunderts jedoch nicht funktional sind. Dies schlägt sich in dem hohen Anteil alter und abgeschriebener Anlagen und dem niedrigen Modernitätsgrad des nordrhein-westfälischen Kapitalstocks nieder. Hinzu kommt das schlechte Image, das dem Ruhrgebiet und anderen Teilen des Landes nachgesagt wird und das darin seine materielle Ursache hat. Auch die Stranded Assets in Form stillgelegter fossiler Kraftwerke und Industrieanlagen, die die Transformation zu einer klimaneutralen Industrie bringen wird, steigern nicht gerade die Attraktivität des Landes als Investitionsstandort.

Die heutige Dysfunktionalität der Siedlungsstruktur, die durch die hohe Bevölkerungsdichte verursachten vielfältigen Nutzungskonflikte um den knappen Raum und das komplizierte Institutionengefüge mit seinem inhärenten Konsenszwang wirken als eine angebotsseitige Beschränkung öffentlicher und privater Investitionen. Die von der Regierung Laschet eingeführten und erst jetzt von der Regierung Wüst wieder abgeschafften restriktiven Abstandsregeln für Windkraftanlagen sind ein gutes Beispiel für diesen Effekt, der auch Investitionen für den Klimaschutz behindert. Dies steht nicht im Widerspruch zu den festgestellten hohen Unternehmensgewinnen, denn wer es trotz der Widerstände schafft, ein Investitionsvorhaben zu realisieren, genießt sogar den Schutz vor der Konkurrenz, der dies nicht gelingt, und kann höhere Preise durchsetzen und höhere Gewinne erzielen.

Die angebotsseitigen Restriktionen halten vor allem multinationale Mehrstandortunternehmen und Unternehmen mit vorwiegend überregionalem und Auslandsumsatz von Investitionen ab. Im Unterschied zu Unternehmen, die ihre Umsätze primär in der Region tätigen, können sie leichter Produktionsverlagerungen zu Standorten in anderen Ländern oder Regionen vornehmen oder dort neu investieren. Die Chemische Industrie ist eine hierfür typische Branche mit großem wirtschaftlichem Gewicht in NRW. Sie ist sehr stark von bau- und umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren betroffen, exportiert den Großteil ihres Umsatzes und verfügt vielfach über Standorte in anderen Bundesländern und im Ausland, die mit den NRW-Standorten im Wettbewerb über die Investitionsbudgets der Unternehmen stehen.

Bemerkenswerterweise hat NRW in den vergangenen Jahren einen überproportionalen Anteil der nach Deutschland fließenden Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen an sich binden können. Dies waren vor allem Unternehmenszentralen, Vertriebszentren und Logistikniederlassungen, die die Nähe zu den großen deutschen Absatzmärkten suchen, vorwiegend Büroflächen benötigen und weniger stark von Genehmigungsverfahren abhängig sind. Für ausländische Unternehmen ist NRW als Absatzmarkt trotz der schwachen Nachfrageentwicklung der vergangenen Jahre und als Zentrale für den deutschland- und europaweiten Vertrieb ungebrochen attraktiv. In neue Produktionsstandorte oder Betriebserweiterungen haben ausländische Unternehmen in den letzten Jahren in NRW aber nur sehr selten investiert. Ausländische Direktinvestitionen stellen überdies zu einem großen Teil Finanzinvestitionen dar, die im realwirtschaftlichen Investitionsverständnis der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht enthalten sind und daher auf die hier erfassten Investitionen nur begrenzten Einfluss haben. Daher steht die gute Position NRWs bei den ausländischen Direktinvestitionen auch nicht im Widerspruch zu dieser Analyse.

Diese angebotsseitigen Hemmnisse lassen sich durch eine einfache Entschlackung der Verwaltungsvorschriften und durch Sonderwirtschaftszonen nicht beseitigen, da diese tief in der baulich-materiellen Struktur und den Institutionen des Landes verankert sind. Wahrscheinlich wird NRW einen längerfristigen Rückbau seiner nicht mehr zeitgemäßen Infrastrukturen und einen spürbaren Rückgang seiner Bevölkerungszahlen in den von der Früh- und Montanindustrialisierung geprägten Teilen des Landes im Sinne einer passiven Sanierung hinnehmen müssen. Im Gegenzug könnte die Landesentwicklungspolitik das Wachstum dynamischer Städte und Regionen, die hierdurch weniger belastet sind und größere Agglomerationspotenziale für Innovation und Kreativität aufweisen, aktiver fördern.

Unterentwickelter Kapitalmarkt und schwaches Matching von Investoren und Investitionsprojekten

Die wirtschaftliche Lage NRWs ist gekennzeichnet durch einen anhaltend hohen Finanzierungsüberschuss als Folge über viele Jahre schwacher Konsum- und Investitionsausgaben in Höhe von zuletzt 10 % seines BIP. Dieser fließt überwiegend als Kapitalexport in andere Bundesländer und ins Ausland, in geringem Maße auch als Transferleistungen in andere Bundesländer, vor allem nach Ostdeutschland. NRW gelingt es zu wenig, seine selbst erwirtschafteten finanziellen Ressourcen für Investitionen im eigenen Land zu mobilisieren bzw. im Gegenzug zum Kapitalexport in gleichem Maße Kapital aus anderen Ländern und aus dem Ausland zu anzuziehen. Trotz der dargestellten ungünstigen nachfrage- und angebotsseitigen Rahmenbedingungen hat NRW aufgrund seiner zentralen geografischen Lage, seiner zwar vernachlässigten, aber immer noch leistungsfähigen Infrastruktur, seiner hohen Innovationsfähigkeit und der überdurchschnittlichen Kapitalrendite große Potenziale als Standort für realwirtschaftliche Investitionen. Dass diese zu wenig genutzt werden, hängt auch mit Funktionsschwächen des Finanz- und Kapitalmarktes in NRW zusammen.

Der Finanzplatz NRW mit den Zentren Düsseldorf und Köln stand dem Finanzplatz Frankfurt in seiner Bedeutung lange Zeit kaum nach, hat aber nach und nach massiv an Gewicht verloren. Dazu haben Bankenfusionen und Verlagerungen zentraler Finanzfunktionen nach Frankfurt, das Verschwinden der WestLB als einstmals größter Landesbank in Deutschland und der schleichende Bedeutungsverlust der Düsseldorfer Börse beigetragen. Die Finanzbranche befindet sich insgesamt in einem dramatischen Wandel. In NRW wurden aber nur Aktivitäten abgebaut, neue Felder der Finanzwirtschaft wie Private Equity oder Venture Capital haben sich dagegen in NRW nur sehr schwach entwickelt. Der Anteil NRWs am Markt für Private Equity und Venture Capital ist seit vielen Jahren unterdurchschnittlich.[30] Die in der Fläche stark präsenten Sparkassen und Volksbanken decken das Massengeschäft im Finanzwesen gut ab, sind aber zu klein, um Kapitalmarktlösungen für große und komplexe Investitionsvorhaben zu begleiten.

Mit dem Niedergang großer Finanzinstitute aus NRW war auch ein Wegbrechen von Kompetenzen in Finanz- und Kapitalmarktfragen verbunden. Es fehlen Finanzintermediäre, die nationale und internationale Investor*innen auf attraktive Anlagemöglichkeiten in NRW aufmerksam machen und gemeinsam mit ihnen ertragreiche Projekte entwickeln können. Dagegen ist in NRW eine lebendige Szene aus Family Offices entstanden, die die in wirtschaftlich besseren Zeiten aufgebauten hohen Vermögen wohlhabender Familien verwalten. Sie steuern einen Großteil der volkswirtschaftlichen Finanzierungsüberschüsse des Landes und kooperieren dabei meist mit Asset Managern von außerhalb. Sie tragen besonders stark zum Kapitalabfluss aus NRW bei.

Die von der Landesregierung gestartete Initiative Fin.Connect NRW zielt darauf ab, diese Defizite anzugehen, Akteure des Finanz- und Kapitalmarktes aus NRW und von außerhalb zusammenzubringen, die Potenziale des Kapitalmarktes besser zu nutzen und letztlich die Finanzierung von Investitionen sowohl zur klimaschutzbedingten Transformation der Wirtschaft als auch zur allgemeinen Stärkung der Investitionstätigkeit zu verbessern.[31] Am 14.06.2023 hat sich der Landtag NRW in einer Entschließung ausdrücklich hinter diese Initiative gestellt und damit politischen Rückenwind geschaffen.[32]

Schlussfolgerung: Rätsel nicht ganz gelöst, aber wichtige Hinweise

NRW hat einen schweren und steinigen Weg vor sich, wenn der Investitionsrückstand zu den anderen Ländern abgebaut werden und zusätzlich die industrielle Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft gelingen soll. Dieser Beitrag konnte einige Hinweise dafür liefern, warum in NRW weniger als in anderen Ländern investiert wird, aber er konnte das Rätsel nicht ganz lösen. Für die Investitionslücke in NRW gibt es nicht die eine Ursache, sondern sie muss multikausal verstanden werden. Die staatlichen Investitionen werden in NRW noch mehr als in anderen Ländern durch die Schuldenbremse und die schwierige Lage der kommunalen Haushalte erschwert. Der unterdurchschnittliche Bevölkerungsanstieg und das schwache Wachstum der verfügbaren Einkommen der Haushalte hemmen den Wohnungsbau und die Modernisierung des Altbaubestandes. Schwacher privater und staatlicher Konsum begrenzen die regionalwirtschaftliche Nachfrage und halten vor allem Unternehmen mit überwiegend regionalem Absatz von Erweiterungsinvestitionen ab. Die hohe Bevölkerungsdichte und die daraus folgenden stärkeren Raumnutzungskonflikte, die für die heutigen Bedürfnisse in Teilen dysfunktionale Siedlungsstruktur des Landes und das komplexe Institutionengefüge erschweren schnelle und effiziente Planungs- und Genehmigungsverfahren. Ein schwach entwickelter Kapitalmarkt ist bei komplexen Finanzierungen von Investitionsvorhaben hinderlich.

Diese Rahmenbedingungen sind nicht unüberwindlich. Die finanziellen Mittel sind vorhanden, sie werden nur nicht für Investitionen in NRW eingesetzt. Um dies zu ändern, sind eine unvoreingenommene Problemanalyse und eine selbstkritische Einstellung der maßgeblichen Akteure in der Landespolitik notwendig. Dies ist noch nicht hinreichend zu erkennen.

Wenn der Investitionsrückstand nicht mit schnellen Schritten abgebaut und die Voraussetzungen für Investitionen in klimaneutrale Anlagen deutlich verbessert werden, steht NRW aber vor einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zukunft. Unterlassene Investitionen wirken sehr langfristig, ihre Folgen sind kurz- und oft auch mittelfristig nur wenig spürbar. Wenn sich der Kapitalstock aber erst einmal zurückgebildet hat, ist es zu spät für schnelle Abhilfe. Vor allem aber wird NRW mit seinen klimapolitischen Zielen scheitern, wenn es nicht schnell gelingt, deutlich mehr Investitionen zu mobilisieren.


[1] Die in diesem Beitrag verwendeten Investitionsdaten stammen aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder. Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023..

[2] Demary, Markus/ Zdralek, Jonas (2022): Transformation in NRW: Wie kann die digitale und klimaneutrale Transformation der Unternehmen in NRW am besten finanziert werden? Gutachten im Auftrag des Bankenverbands Nordrhein-Westfalen e.V., Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., Ministerium für Wirtschaft, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, NRW.BANK, Rheinischer Sparkassen- und Giroverband, Sparkassenverband Westfalen-Lippe. Institut der deutschen Wirtschaft IW, Köln 2022.

[3] Hüther, Michael (2023): Transformationsland Nordrhein-Westfalen – Eine Standortbestimmung. Energiekrise, Rohstoffkrise, Inflation: Rettung durch Transformation? Vortrag auf dem Bankentag NRW am 28.03.2023 in Düsseldorf.

[4] Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen. Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen 2022-2027. https://gruene-nrw.de/dateien/Zukunftsvertrag_CDU-GRUeNE_Vorder-und-Rueckseite.pdf

[5] Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) der Länder erfasst sämtliche Investitionen und das Anlagevermögen über alle Branchen in den Ländern. Verwendet wird ein volkswirtschaftlicher Investitionsbegriff, d.h. es werden ausschließlich realwirtschaftliche Investitionen in neue Anlagegüter berücksichtigt, nicht jedoch rein finanzwirtschaftliche Vorgänge, die nur den Erwerb vorhandener Vermögenswerte zum Gegenstand haben. Damit ist die Kompatibilität mit den übrigen Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und die Vergleichbarkeit mit anderen Ländern gegeben. Nachteilig ist, dass die Länderdaten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht originär erhoben, sondern über Schlüsselindikatoren aus den Bundesdaten hergeleitet werden, dass sie nur eine begrenzte Auswahl aus den Merkmalen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung im Bund anbieten und dass die sektorale Differenzierung relativ grob ist. Außerdem werden sie erst mit Zeitverzug veröffentlicht. Die aktuellsten verfügbaren Investitionsdaten beziehen sich auf das Jahr 2020 und berücksichtigen noch nicht die Folgen der jüngsten pandemie-, kriegs- und inflationsbedingten Krisen. Für eine mittel- bis langfristig angelegte Strukturanalyse ist dies jedoch nicht von Nachteil, denn die Strukturen sind über die Zeit relativ stabil.

Daten über die Investitionen und das Anlagevermögen der Länder einschließlich der Investitionsquoten stehen für die Gesamtwirtschaft und getrennt für die drei Wirtschaftssektoren Land- und Forstwirtschaft mit Fischerei, Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen seit 1970 zur Verfügung, wobei allerdings zwischenzeitlich erfolgte Revisionen in den Berechnungsmethoden für länger zurückliegende Jahre nicht vollständig berücksichtigt wurden. Dennoch lässt sich damit eine aussagefähige und sehr lange, über ein halbes Jahrhundert reichende Zeitreihe für die Kernindikatoren zum Investitionsverhalten bilden. Zug um Zug wurde das Datenangebot der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf Teilbereiche des Produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors ausgeweitet, innerhalb NRWs in regionaler Hinsicht auch auf die Regierungsbezirke. In einigen Fällen wird im Weiteren auch auf sonstige Daten der amtlichen Statistik zum Investitionsverhalten zurückgegriffen, u.a. auf die Baufertigstellungsstatistik.

Zu den Investitionsdaten siehe Statistische Ämter der Länder (2023): Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2020, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 3 (Berechnungsstand: August 2022), Stuttgart 2023; Statistische Ämter der Länder (2022): Anlagevermögen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2019, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 4 (Berechnungsstand: November 2021), Stuttgart 2022. https://www.statistikportal.de/de/vgrdl/publikationen

Zu den Berechnungsmethoden der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder, den getroffenen Annahmen und der Datenqualität siehe Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ (2021): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder – Methodenbeschreibung ESVG 2010 / Revision 2019. Stuttgart 2021. https://www.statistikportal.de/sites/default/files/2022-01/vgrdl_methoden_esvg2010rev2019.pdf

[6] Im Unterschied zu den bisher verwendeten Daten für die Bruttoanlageinvestitionen sind hier auch die Zu- und Verkäufe von gebrauchten Anlagen berücksichtigt.

[7] Nach der Baufertigstellungsstatistik des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2020 Neubauten mit einem Baukostenvolumen von 92,4 Mrd. Euro erstellt.

[8] Statistisches Bundesamt (2023): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen des Bundes. Bruttoanlageinvestitionen der staatlichen und nicht-staatlichen Sektoren (nominal/preisbereinigt), 81000-0025, Wiesbaden 2023.
https://www-genesis.destatis.de/genesis//online?operation=table&code=81000-0025&bypass=true&levelindex=1&levelid=1689592312716#abreadcrumb

[9] Beznoska, Martin/ Hentze, Tobias/ Kauder, Björn (2022): Stellungnahme zum Haushaltsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen 2023, Institut der deutschen Wirtschaft, iw-report 61/22, Köln 2022. https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/20221117-IW-Report_Haushaltsgesetz_NRW_.pdf

[10] Bundesinstitut für Bauwesen, Stadt- und Raumforschung, INKAR – Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung. https://www.inkar.de/

[11] Statistisches Bundesamt Destatis (2023): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen des Bundes – Ausgaben des Staates: Deutschland, Jahre, Staatliche Teilsektoren, Aufgabenbereiche, 81000-0136, Wiesbaden 2023.
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=abruftabelleBearbeiten&levelindex=2&levelid=1689247758263&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAuswaehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf&code=81000-0136&auswahltext=&nummer=3&variable=3&name=VGR088&werteabruf=Werteabruf#abreadcrumb

[12] https://www.land.nrw/pressemitteilung/ministerpraesident-hendrik-wuest-ehrt-soldatinnen-und-soldaten-der-bundeswehr-und

[13] Die Investitionen im Verteidigungssektor haben allerdings keine wachstumsfördernden Effekte.

[14] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (2022): Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2020, Berlin 2022.

[15] Einen guten Überblick über die verschiedenen Investitions- und Kapitaltheorien und empirischen Fakten enthält von Weizsäcker, Carl Christian/ Krämer, Hagen (2019): Sparen und Investieren im 21. Jahrhundert. Die Große Divergenz, Wiesbaden 2019.

[16] Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ (2021): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder – Methodenbeschreibung ESVG 2010 / Revision 2019.

[17] Der Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder empfiehlt aufgrund des Charakters dieser Größe als Saldo nicht direkt gemessener Werte eine sehr vorsichtige Interpretation. Vgl. Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ (2021): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder – Methodenbeschreibung ESVG 2010 / Revision 2019. Je größer die Länder sind, desto weniger Gewicht haben jedoch die nicht direkt gemessenen ländergrenzenüberschreitenden Handels-, Einkommens-, und Transferströme. Die „Restposten“ für Nordrhein-Westfalen und die Summe aller übrigen neun westdeutschen Länder bewegen sich sehr nahe am Bundeswert und dürften daher ganz überwiegend als ihr Anteil am Außenbeitrag interpretiert werden.

[18] Siehe hierzu auch meinen Blogbeitrag vom 25. April 2023: Das Land, das unter seinen Verhältnissen lebt, in dem ich mich kritisch zum Sinn eines über einen langen Zeitraum hohen deutschen Leistungsbilanzüberschusses auseinandersetze. https://econdata.eu/das-land-das-unter-seinen-verhaeltnissen-lebt/

[19] Die Gewinneinkünfte lassen sich grob aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder herleiten. Ausgangspunkt ist die Bruttowertschöpfung als wirtschaftliches Ergebnis nach Abzug der Vorleistungen und der Verbrauchssteuern. Zieht man hiervon die Arbeitnehmerentgelte (einschließlich der Sozialbeiträge der Arbeitgeber) ab, verbleiben als Rest die Gewinneinkünfte der Eigentümer*innen des investierten Kapitals in Form von ausgeschütteten und nicht ausgeschütteten Unternehmensgewinnen, Dividenden, Zinsen, Miet- und Pachteinnahmen (einschließlich unterstellter Mieten für selbstgenutzten Wohnraum) sowie Selbständigeneinkünften. Wenn man davon zusätzlich noch die Abschreibungen als Maß für den Wertverlust des eingesetzten Kapitals bzw. als notwendiger Aufwand zu dessen Erhalt abzieht, bleibt den Kapitaleigentümern der eigentliche, noch unversteuerte Gewinn. Die Selbständigeneinkünfte verzerren die tatsächlichen Gewinne ein wenig nach oben, denn diese enthalten neben dem Entgelt für das eingesetzte Betriebskapital der Selbständigen auch die Entlohnung ihrer Arbeitsleistung. Diese lässt sich in der amtlichen Statistik aber nicht von den Kapitaleinkünften trennen. Da die Selbständigenquote in NRW leicht unterdurchschnittlich ist, werden die Ergebnisse dadurch nur wenig verzerrt, so dass dieser Effekt hier vernachlässigt werden kann.

[20] Die in Ostdeutschland gewährten unterschiedlichen Investitionszulagen haben zwar auch lange Zeit das Rentabilitätskalkül von Investitionen beeinflusst, sie stellen aber politisch motivierte Subventionen mit investitionslenkender Absicht dar und müssen von der Frage der Steuersätze getrennt werden. Dies gilt auch für Investitionszuschüsse im Rahmen der Regionalförderung von Bund und Ländern. Diese haben die Rentabilität von Investitionen in Ostdeutschland stark beeinflusst, aber nicht zu Unterschieden zwischen den westdeutschen Ländern geführt.

[21] Deutsche Industrie- und Handelskammer DIHK (2022): Ergebnisse der DIHK-Hebesatzumfrage 2022 unter allen Gemeinden in Deutschland ab 20.000 Einwohnern, Berlin 2022. https://www.dihk.de/resource/blob/92770/576e07ba5b440c8b0541b6d762e87ed4/dihk-hebesatzumfrage-2022-im-ueberblick-data.pdf

[22] Auch die in NRW im Vergleich zu den übrigen Ländern überdurchschnittlich hohe Grunderwerbsteuer von 6,5 % kann allenfalls mittelbare Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen haben. Diese wird beim Erwerb bestehender Immobilien erhoben, der im volkswirtschaftlichen Sinne aber keine Investition darstellt. Bei der hier interessierenden Errichtung neuer Bauten fällt jedoch keine Grunderwerbsteuer an. Ein mittelbarer Einfluss ist jedoch möglich, wenn können Neubauten durch den Erwerb des dazu benötigten Grund und Bodens verteuert werden. Dies kann Standortentscheidungen gegen NRW zur Folge haben, erscheint aber nur plausibel, wenn der Anteil der Erwerbskosten für Grund und Boden an der Gesamtinvestition hoch ist.

[23] Investitionsdaten für das gesamte Bundesgebiet werden vom Statistischen Bundesamt zeitnäher als die Länderdaten der Statistischen Ämter der Länder veröffentlicht. Die hier verwendeten Investitionsdaten für 2022 für Deutschland insgesamt fallen wegen eines deutlichen Anstiegs der Investitionstätigkeit seit 2020 höher aus als die bisher für den Ländervergleich verwendeten Daten.

[24] Bardt, Hubertus/ Dullien, Sebastian/ Hüther, Michael/ Rietzler, Katja (2019): Für eine solide Finanzpolitik – Investitionen ermöglichen! IMK-Report 152, Düsseldorf/Köln 2019. https://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_152_2019.pdf

[25] Eigene Berechnung auf Basis von Daten der VGR der Länder. Statistische Ämter der Länder (2022): Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2021, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 5 (Berechnungsstand: November 2021/Februar 2022), Stuttgart 2022.

[26] Dies ergibt sich aus einer hier nicht dargestellten Modellrechnung des Autors. Es wurde ein hypothetisches Investitionsvolumen in NRW bei gleicher Konsumnachfrage wie in den übrigen westdeutschen Ländern (+ 14 Mrd. Euro in 2020 gegenüber 1991) und bei gleicher Investitionsentwicklung (+ 38 Mrd. Euro) errechnet. Dabei wurde eine unveränderte Kapitalintensität unterstellt.  

[27] Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen 2017-2022 von CDU und FDP. https://www.cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/downloads/nrwkoalition_koalitionsvertrag_fuer_nordrhein-westfalen_2017_-_2022.pdf

[28] Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank Deutschland. Flächenerhebung nach der tatsächlichen Nutzung 33111. https://www.regionalstatistik.de/genesis/online?operation=statistic&levelindex=0&levelid=1686759936186&code=33111#abreadcrumb

[29] Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (2020): Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW), Düsseldorf 2020. https://www.wirtschaft.nrw/system/files/media/document/file/20220915-lesefassung-lep.pdf

[30] Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. (2023): Der deutsche Beteiligungskapitalmarkt 2022.

[31] https://www.fin-connect-nrw.de

[32] https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-4561.pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert